Aktieninvestments: Schweizer legen risikofreudiger an als restliche Europäer

Wert auf nachhaltigen Investitionen - Skepsis gegenüber technologischen Entwicklungen

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Wie investieren Schweizerinnen und Schweizer? Was unterscheidet sie von anderen europäischen Investoren? Welche Unterschiede bestehen zum asiatischen Raum? In einer Studie zum Investitionsverhalten von Privatpersonen geht die AXA Investment Managers solchen Fragen auf den Grund. Risikoaffinität, Investitionsziel und Selbständigkeitsgrad von Schweizer Privatpersonen werden dabei genauso unter die Lupe genommen und in einen internationalen Vergleich gesetzt wie die Frage, wann und wie Kinder den Umgang mit Geld erlernen.

Schweizer risikoaffiner als Resteuropäer

Im Vergleich zu den anderen untersuchten europäischen Märkten Frankreich, Grossbritannien, Italien und Spanien weisen Schweizer Privatpersonen eine hohe Risikobereitschaft auf, sowohl im finanziellen Bereich als auch im täglichen Leben. Nochmals risikofreudiger präsentieren sich die Akteure in den asiatischen Märkten Hongkong, Singapur und Taiwan. Bemerkenswert ist die starke Korrelation von allgemeiner und finanzieller Risikobereitschaft. So weichen Privatpersonen weltweit bei finanziellen Entscheidungen nicht von den allgemeinen Risikopräferenzen ab.

Bezüglich Risikobereitschaft liegt die Schweiz sowohl im täglichen Leben als auch in finanziellen Aspekten zwischen den europäischen und asiatischen Vergleichsmärkten. Bild: AXA IM
Nur Bares ist Wahres

Ungeachtet der Risikobereitschaft in den jeweiligen Märkten wird der grösste Teil des Vermögens in Bargeld „angelegt“. In der Schweiz ist nur ungefähr ein Drittel der Bevölkerung im Besitz eines Investmentprodukts, und selbst in dieser Investorengruppe liegt beinahe die Hälfte des Vermögens in Bargeld, gefolgt von Aktien mit 24% und Immobilien mit 10%. Personen mit liquiden Vermögenswerten über 100’000 CHF, sogenannte gut situierten Personen, besitzen deutlich häufiger ein Investmentprodukt oder Immobilien als nicht gut situierte Personen. Ausserdem investieren Schweizer häufiger als Schweizerinnen (40% vs. 28%).

Investoren legen Wert auf Liquidität, was die Möglichkeit optimaler Diversifizierung mindert. Bild: AXA IM

Der Schweizer Datensatz entstand durch Online-Befragungen mit 2’000 Teilnehmenden, die Teil der bestverdienenden 80% der Landesbevölkerung sind (monatliche Haushaltseinkommen unter 4’000 CHF wurden herausgefiltert). Zwar wurden keine Quoten hinsichtlich Alter und Geschlecht gesetzt, es wurde aber versucht, eine gleichmässige Verteilung aus allen Altersgruppen und Geschlechtern zu erreichen. Bei der Untersuchung der Fremdmärkte kamen vergleichbare Datensätze zum Einsatz.

Beratung durch Banken

Obschon eher risikoaffin, treffen Schweizer Investoren ihre finanziellen Entscheidungen weniger autonom als jene der Vergleichsmärkte. Gerade einmal 42% betreiben Recherche und treffen Entscheidungen ohne Beratung. Spitzenreiter im selbständigen Investieren ist Grossbritannien mit einem Anteil von 61%, Schlusslicht Italien mit 29%. Vertrauen in den Vermögensverwalter ist in der Schweiz ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl von Investmentprodukten, das eigene Vermögen wird nicht einfach irgendjemandem anvertraut. Dies bietet Finanzdienstleistern die Möglichkeit, Wettbewerbsvorteile zu generieren.

Hauptkanal für Investitionen sind in allen Märkten die Banken. Unterschiede bestehen dafür bei der Verbreitung von digitalen Kanälen. Im asiatischen Raum werden Online-Investmentunternehmen und Robo-Advisor deutlich häufiger genutzt als in Europa. Genau diese Kanäle werden nach Einschätzung der Schweizer Investoren in der Zukunft auch hierzulande zulasten der Banken an Bedeutung gewinnen. Die Schweiz steht den Möglichkeiten der Technik jedoch kritisch gegenüber. Den Aufstieg von Fintech und Big Data sieht nur ein kleiner Teil der Bevölkerung als Kraft für positive Veränderungen, und auch die Digitalisierung generell wird im Vergleich zum asiatischen Raum signifikant weniger positiv eingeschätzt.

Nur 28% zeigen Interesse an nachhaltigen Investitionen

Technologische Veränderungen werden aber nur als zweitgrösster Einflussfaktor der Zukunft wahrgenommen, die Leaderrolle fällt den Umweltveränderungen zu. In allen Märkten rechnet über die Hälfte der Bevölkerung damit, von dieser Entwicklung in Zukunft beeinflusst zu werden. Leider bedeutet das Erkennen des Einflussfaktors nicht zugleich auch, dass Anleger willig sind, in diese Trends zu investieren. Schweizweit zeigen 28% der Privatpersonen Interesse an verantwortungsbewussten Investitionen, was zugleich der höchste Wert unter den untersuchten Märkten ist.

Die Bereitschaft zu verantwortungsbewussten Investitionen ist dabei stark vom verfügbaren Vermögen abhängig, würden doch in der Schweiz 37% der gut situierten Personen verantwortungsbewusste Optionen in Betracht ziehen (nicht gut situierte Personen 25%). Dies deckt sich mit den klassischen Verhaltens- und Bedürfnistheorien, wonach zuerst die Grundbedürfnisse und finanzielle Sicherheit gewährleistet werden und erst danach höhere Motive wie verantwortungsbewusstes Investieren adressiert werden. Dieses soll nebst einem finanziellen auch einen gesellschaftlichen Wert schaffen, durch Berücksichtigung von ökologischen, sozialen, ethischen und Corporate-Governance-Aspekten.

Renditepotenzial der Nachhaltigkeit noch nicht erkannt

Das Teilen dieser Werte ist für den Grossteil der bereits bestehenden verantwortungsbewussten Schweizer Investoren auch der Hauptgrund für ihr Investment. Nur gerade ein Drittel hat sich aufgrund langfristig besserer Renditen für verantwortungsvolles Investieren entschieden, obschon eine solche Outperformance mittlerweile von vielen Experten als Tatsache angesehen wird. Die asiatischen Märkte haben dieses Potenzial der verantwortungsbewussten Investition besser erkannt. Anleger dort geben langfristig bessere Renditen signifikant häufiger als Grund für die Investition an als die europäischen.

Das grösste Potenzial, Privatpersonen zu verantwortungsvollen Investitionen zu ermutigen, bietet jedoch etwas ganz anderes: das Produktangebot. 66% der (noch) nicht verantwortungsvollen Investoren geben an, eine solche Investition in Erwägung zu ziehen, wenn sie ihnen angeboten werden würde. Dies ist ein deutlich häufigerer Beweggrund als beispielsweise die persönlichen Werte, die nur bei 20% entscheidend sind. Das Problem liegt also nicht nur bei den Investoren, sondern auch bei den Vermögensverwaltern und Finanzberatern. So wurde bis heute bloss jedem vierten Schweizer Investor ein Green- oder Impact-Fonds angeboten.

Sicheres Einkommen im Ruhestand als Hauptziel

In der Schweiz geben 68% der Privatpersonen an, für den Ruhestand zu sparen. Damit ist die Altersvorsorge wichtiger als in den anderen europäischen Märkten und vergleichbar mit den asiatischen. Liegt der Anteil der für den Ruhestand Sparenden bei den 16- bis 30-Jährigen noch bei unter 50%, steigt er bei der Gruppe 55 oder älter auf 75%. Bei den Investoren liegt er mit 81% nochmals etwas höher. 

Beim erwarteten Rententopf bei Eintritt in den Ruhestand besteht ein signifikanter Geschlechterunterschied. Während Männer mit rund 400’000 CHF rechnen können, liegt er bei Frauen bei 300’000 CHF. Die grosse Diskrepanz könnte zum Teil durch die Bereitschaft zur Teilzeitarbeit erklärt werden, welche bei Frauen deutlich höher ist (28% vs. 7%). Als Konsequenz sind Frauen auch klar weniger zuversichtlich, dass ihr Einkommen im Ruhestand genügend hoch sein wird.

Schweizerinnen haben im Ruhestand deutlich weniger Geld zur Verfügung als Schweizer, vermutlich wegen fehlenden Einkünften durch vermehrte Teilzeitarbeit. Bild: AXA IM
Sparen von Kindsbeinen an

Das Sparen und den Umgang mit Geld lernen Schweizerinnen und Schweizer jedoch nicht etwa in der Schule, vielmehr wird ihnen diese Fähigkeit von den Eltern beigebracht. Zusätzlich zur Hauptumfrage der Studie befragte die AXA Investment Managers 300 Kinder zwischen 8 und 15 Jahren zu diesem Thema. Nur gerade 33% der Kinder sagen, dass sie den Umgang mit Geld in der Schule lernen. Mit zunehmendem Alter der Kinder nimmt der Anteil von 44% auf 20% ab, irgendwo zwischen Pythagoras und Mitochondrien scheint die Illusion zu platzen, in der Schule tatsächlich den Umgang mit Geld zu lernen. Dafür erhalten 79% der befragten Kinder Geld von den Eltern zur eigenen Verwaltung, hauptsächlich um den korrekten Umgang damit zu erlernen. Fast die Hälfte gibt dabei an, dass ihnen Sparen Spass macht. Das Sparen wird den Schweizern also beinahe schon in die Wiege gelegt.

Fazit

Fehlt noch eine zusammenfassende Charakterisierung der Schweizer Investoren. Der Durchschnittsschweizer ist eher risikofreudig, lässt sich bei seinen Investitionsentscheidungen aber trotzdem gerne auf dem klassischen Weg von seiner Bank beraten. Verantwortungsvolles Investieren ist ihm wichtiger als seinen ausländischen Pendants, dafür steht er dem technologischen Fortschritt skeptisch gegenüber. Ein sicheres Einkommen im Ruhestand ist von zentraler Bedeutung, dazu hat er das Sparen bereits im Kindesalter beigebracht bekommen.

Diese Charakterisierung ist natürlich sehr verallgemeinernd und soll nicht als sakrosankt verstanden werden. Dasselbe gilt für die Vergleiche mit den Fremdmärkten. Drei asiatische Märkte reichen sicherlich nicht aus, um ganz Asien zu repräsentieren, erlauben es jedoch, das Schweizer Investitionsverhalten in einen internationalen Kontext zu setzen und sich unterscheidende Trends aufzuzeigen. Fernostasien ist beispielsweise bekannt für ein konsequentes Vorantreiben der technologischen Entwicklung, was sich in der Umfrage auch widerspiegelt. Zudem ist es spannend zu sehen, wie das Schweizer Verhalten häufig irgendwo zwischen europäischem und asiatischem Schnitt liegt.

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