V-Zug Gruppe: Nachhaltigkeits-Champion in schwierigem Fahrwasser

Kostensteigerungen und Lieferengpässe verhageln Jahresabschluss 2022

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Die Excellence Line von V-Zug. Bildquelle: vzug.com

Der Spin-off der V-Zug Gruppe von Metall Zug vor fast drei Jahren war kühn. An den Primärmärkten herrschte Eiszeit, das Covid-Virus lähmte das öffentliche Leben. Das Willkommen an der Börse war zunächst verhalten, der Kurs sank in den ersten fünf Monaten um 15%. Dann jedoch wurde die Marken-Aktie entdeckt und stieg um 150% bis August 2021. Inzwischen ist längst wieder Ernüchterung eingekehrt. Die drei Krisenjahre haben auch bei V-Zug zu Verwerfungen geführt, das zeigt der Jahresabschluss 2022 deutlich. Die ermässigte Kursbasis macht die Aktie dennoch attraktiv, denn das internationale Geschäft wächst kräftig.

Bei Haushaltgeräten ist V-Zug in der Schweiz klarer Marktführer. Nach der jüngsten Umfrage würden 61% der Schweizer ein V-Zug-Gerät anschaffen. Die hohe Marktdurchdringung ist zwar ein Erfolgsausweis, verweist jedoch gleichzeitig auf die im Heimatmarkt kaum noch zu steigernden Marktanteile. Das ist im Rest der grossen, weiten Welt ganz anders. Dort ist die Marktpenetration des internationalen Innovationsführers V-Zug nahezu unbeschränkt steigerbar.

Chart V-Zug
Kursverlauf der Aktie von V-Zug seit der Kotierung an der SIX. 2022 flachte die Covid-bedingte «Home-Nesting»-Sonderkonjunktur ab. Chart: six-group.com
Gruppenumsatz stagniert

2022 nahmen die Nettoerlöse der V-Zug Gruppe um bescheidene 0,8% auf 636.3 Mio. CHF zu. Während die Nettoerlöse in der Schweiz um 3% auf 519.5 Mio. CHF sanken, beschleunigte sich das Wachstum in den anderen Regionen auf 18,4%, in Lokalwährungen sogar auf 21,8%. Die Umsätze ausserhalb der Schweiz stiegen auf 111.7 Mio. CHF. Davon entfallen 32.3 Mio. CHF auf Europa, 37.5 Mio. CHF auf Amerika und 46.9 Mio. CHF auf Asien-Pazifik und übrige Märkte. Während in der Schweiz die Pandemie-bedingte «Home-Nesting»-Sonderkonjunktur in 2022 abflachte, beschleunigte sich das internationale Wachstum von 11,3% in 2019 Jahr für Jahr auf nun 18,4%.

V-Zug Nettoerlös 2022
Nettoerlös total nach Regionen 2022, in Mio. CHF. Quelle: V-Zug Gruppe, Geschäftsbericht 2022
Priorität Internationalisierung

Die internationale Expansion war schon vor dem Spin-off in 2020 ein erklärtes Ziel, das, wie die Zahlen zeigen, auch konsequent und erfolgreich umgesetzt wird. Ausgehend von der tiefen Basis sehen die Zuwächse zwar imposanter aus, als sie wirklich sind, dennoch wird auf diesem Weg erkennbar, dass die Wachstumsperspektiven von V-Zug hauptsächlich aus der erfolgreichen Internationalisierung erwachsen.

Innovationsführung

Die Voraussetzungen hierfür sind bei nüchterner Betrachtung hervorragend. V-Zug ist im anspruchsvollen Markt Schweiz seit den 1950er Jahren unangefochtener Marktführer bei Haushaltgeräten aller Art. Der Innovationsgeist führte 1949 mit der Markteinführung der «Tempo», der ersten Kleinwaschmaschine in der Schweiz, zum Auftakt einer Erfolgsserie, die bis heute anhält. Es folgten Waschautomaten, Trockner, Geschirrspüler sowie in den letzten 20 Jahren verstärkt Kühlschränke und neue Küchentechnologien wie Induktionskochen, Steaming und Garen.

Differenzierungsmerkmale

Alle Geräte und Konzepte sind von jeher durch Qualität, Langlebigkeit, Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit gekennzeichnet. Energieeffizienz ist im Bereich der Haushaltgeräte quasi ein Synonym für V-Zug. Zum Produkt gehört ein erstklassiger und schneller Service, der Störungen behebt und auch bei älteren Modellen die passenden Ersatzteile bereithält. Und auch das Design ist distinguiert und vermittelt die Werthaltigkeit der Geräte. Diese werden am Ende ihres Lebenszyklus zu 80% recycliert. Die Quote soll weiter gesteigert werden. Ausserdem will V-Zug alte, aber funktionsfähige Geräte, die von Kunden durch neue ersetzt wurden, durch einen Gebrauchtmarkt der weiteren Verwendung zuführen. Klimaneutral wirtschaftet V-Zug bereits seit 2020, gemessen an den Scope 1+2 Emissionen. Diese wurden 2022 um 14,9% reduziert. Seit 2020 finanziert V-Zug ein Wiederaufforstungsprojekt in Schottland, um so die eigenen Emissionen zu kompensieren.

EBIT-Marge fällt auf 1,6%

Aufgrund des hohen Anteils des Heimatmarktes stagnierte der Umsatz 2022. Das hatte sich bereits abgezeichnet. Die Nachfrage blieb zwar auf dem hohen Niveau der beiden Vorjahre erhalten, aber Lieferschwierigkeiten bei Komponenten bremsten die Produktion. Was noch schwerer wiegt, sind allerdings die Kostensteigerungen für Materialien und Frachten. Die unerwartet steil angestiegenen Kosten sorgten für eine starke Kompression der Gewinnmarge. Das EBIT fiel von 62.7 Mio. CHF im Vorjahr auf nur noch 10.3 Mio. CHF, die EBIT-Marge sank entsprechend von 9,9% auf 1,6%. Preiserhöhung werden stufenweise, mit zeitlicher Verzögerung und nach Absprache mit den beteiligten Stakeholdern vorgenommen.

Gewinnkontraktion und Dividend Policy

Das Konzernergebnis verminderte sich um 85,7% auf 7.9 Mio. CHF, eine Nettogewinnmarge von 1,2%. Der wesentliche Faktor war der um 12,2% erhöhte Materialaufwand. Ansonsten herrschte Kostendisziplin. Die Ertragssteuern sanken dagegen um 4.5 Mio. CHF auf 2.1 Mio. CHF. Der Gewinn je Aktie beträgt somit 1.23 CHF, im Vorjahr 8.62 CHF. Eine Dividende wird planmässig nicht beantragt. Bereits beim Spin-off war kommuniziert worden, dass wegen der bereits geleisteten und fortgesetzten hohen Investitionen für die verselbständigte V-Zug für drei Jahre keine Ausschüttung vorgesehen ist. Die Investitionen in Sachanlagen und immaterielle Anlagen betrugen auch 2022 noch beachtliche 50.2 Mio. CHF. Danach, also voraussichtlich ab 2024, sind Ausschüttungen von 20% bis 40% des Jahresgewinns entsprechend der Dividend Policy geplant.

Korrelation der Peer-Group

Auf dem aktuellen Kursniveau um die 80 CHF beträgt die Marktkapitalisierung von V-Zug gut 500 Mio. CHF. Das ist wenig mehr als das Eigenkapital und 20% weniger als der Umsatz. Ein Vergleich mit den Peers Electrolux und Whirlpool zeigt jedoch schnell, dass diese grösseren und stärker internationalisierten Konkurrenten nicht besser durch die Krise des letzten Jahres gekommen sind. Die Aktie von Elektrolux liegt rund 60% unter ihrem Hoch vom Sommer 2021, die von Whirlpool hat sich im gleichen Zeitraum halbiert. Whirlpool musste für 2022 sogar einen Verlust von 1.5 Mrd. USD ausweisen bei einem ebenfalls leicht rückläufigen Umsatz von 19.7 Mrd. USD. In der Langfristbetrachtung zeigt sich bei beiden Aktien eine hochgradig zyklische Entwicklung, in deren Verlauf sich Kursabstürze und steile Erholungen ablösen.

Chart Elektrolux
Kursverlauf der Elektrolux-Aktie in EUR. Chart: boerse-frankfurt.de
Premium-Markt im Visier

Im Gegensatz zu den gut vergleichbaren Konkurrenten Whirlpool und Elektrolux fährt V-Zug keine Multi-Marken-Strategie und will auch nicht alle Preissegmente abdecken. V-Zug ist ein Premium-Anbieter. Zudem ist das Unternehmen nicht schon lange in den internationalen Märkten aktiv und kann deshalb bei der Expansion gezielt vorgehen. Für den Markteintritt in ausgewählten Ländern hat sich das Zugorama-Konzept bewährt. Die Zugorama Show-Rooms in Zug und Chur wurden 2022 neu gestaltet. Neu sind Paris und London. Für 2023 sieht die «Metropolitan Strategie» den Umzug in Singapur an eine bessere Location sowie die beschleunigte Neueröffnung von Zugorama-Präsenzen in Wien, Berlin, Hamburg, Mailand und Sydney vor. Mit Vertriebsgesellschaften ist V-Zug u.a. auch in China, Thailand und Vietnam präsent. Das Momentum der Internationalisierung dürfte somit in den kommenden Jahren an Fahrt aufnehmen.

Vertikale Fabrik
Die neue vertikale Fabrik (vorne) in Zug. Im Hintergrund das Hochregallager. Bild: v-zug.ch

Produziert wird in der Schweiz, abgesehen von einer Spezialkomponentenfertigung in China. Insgesamt sind 2200 Mitarbeitende beschäftigt. Um die relativ höheren Kosten der Produktion in einem Hochlohnland dennoch zu einem Wettbewerbsvorteil umzuwandeln, hat die vormalige Mehrheitseignerin Metall Zug schon vor dem Spin-off von V-Zug nachhaltig hohe Investitionen in die vertikale Fabrik auf dem Firmenareal in Zug getätigt. Beim Spin-off war V-Zug darüber hinaus mit Liquidität in Höhe von 110 Mio. CHF ausgestattet worden, um die weitere Transformation im Technologie-Cluster Zug fortzuführen. Metall Zug bleibt mit 30% weiterhin an V-Zug beteiligt.

Zukunftsfähigkeit durch hohe Investitionen

Drei Jahre nach der Ausgliederung und Verselbständigung ist der Investitionskraftakt gut fortgeschritten. Neue Gebäude, die V-Zug zuzurechnen sind, finden Mieter und sorgen für steigende Mieterträge. Die Produktionsausweitung ist nicht nur ein Bekenntnis zum Standort Schweiz, sondern soll auch gewinnbringend die zukünftige Nachfrage bedienen können. Die supereffiziente Produktion in der Industrie 4.0 Fabrik hat Vorbildcharakter, auch mit Blick auf die zukunftsweisende klimaneutrale Energieversorgung. Durch Koppelung verschiedener Energiequellen wie Solarenergie, Abwärmenutzung, Wasserstoffproduktion und Wärme aus Gewässern fällt die Klimabilanz positiv aus.

«Nachhaltigkeit in der DNA»

Das ist auch Ausdruck des Bekenntnisses zum nachhaltigen Wirtschaften. «Nachhaltigkeit ist in unserer DNA», lautet eine Überschrift im Brief an die Aktionäre. Und das ist nichts Neues. Schon seit über 10 Jahren wird ein Nachhaltigkeitsbericht von Metall Zug respektive V-Zug erstellt und veröffentlicht. Ab dem kommenden Jahr wird V-Zug zum «Integrated Reporting» übergehen und Geschäftsbericht und Nachhaltigkeitsbericht zusammenführen. 2022 lag der Schwerpunkt auf der Etablierung des Kreislauf-Wirtschaftens und der Kooperation mit Recycling-Unternehmen.

V-Zug Emissionen
Betriebliche CO2-Emissionen in Tonnen (Scope 1 und 2). Quelle: V-Zug Gruppe, Geschäftsbericht 2022 
Marktchancen

V-Zug nutzt die Chancen, die der Strukturwandel mit sich bringt. Als namhafter Anbieter von Premium-Geräten und ganzen Konzepten bleibt der Innovationsführer auch im gesättigten Schweizer Markt ein begehrter Partner. So werden von V-Zug verstärkt ganze Immobilien mit hocheffizienter und vernetzter Haushaltstechnologie ausgerüstet, was gleichzeitig die Liegenschaften der Auftraggeber aufwertet. Ein neues Konzept in der Erschliessung des institutionellen Marktes ist «Product-as-a-Service». Eine wichtige Rolle spielen dabei die zunehmend schärferen regulatorischen Anforderungen, die V-Zug durch die nachhaltige Geschäftspolitik bereits erfüllt, die vielen Anbieter, die in Niedriglohnländern produzieren, jedoch kaum. Wachstumspotenziale können durch den Wettbewerbsvorsprung sowie innovative Konzepte und Produkte auch in der Schweiz erschlossen werden.

Ausblick

Bereits im zweiten Halbjahr 2022 hatte sich der Lieferstau aufzulösen begonnen. Bei einer fortschreitenden Normalisierung der Lieferketten könnten die Aufholeffekte 2023 zu einer wieder positiven Wachstumsrate in der Schweiz führen. Zusammen mit im Jahresverlauf greifenden Preiserhöhungen zeichnet sich somit eine Normalisierung im Heimatmarkt ab, das bedeutet ein Wachstum im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Die Impulse für höhere Wachstumsraten auf Gruppenebene kommen dagegen von der globalen Expansion. Die Weichen sind bereits auf internationales Wachstum gestellt. Dabei steht die Weiterentwicklung des Produkt-Portfolios ebenso im Vordergrund wie die Markenstrategie. Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind Merkmale, die V-Zug von den meisten Konkurrenten klar differenzieren. Bisher gelingt es sehr gut, das Markenversprechen auch in Amerika, Asien und Australien zu erfüllen. «Made in Switzerland» kommt gut an.

Fazit

Die steigenden Preise für Materialien und Frachten sowie die Lieferschwierigkeiten haben 2022 bei V-Zug ihren Tribut gefordert. Der Gewinn ist drastisch eingebrochen. Doch die zugrundeliegende Wachstumsdynamik ist intakt geblieben. Der Markteintritt in vielen internationalen Märkten ist strategisch durchdacht und folgt dem Ziel einer Positionierung am High End des Marktes. Hierzu wurde mit erheblichen Investitionen die Produktionskapazität in der Schweiz ausgebaut. Die vertikale Fabrik in Zug beeindruckt durch ihre Effizienz. Angesichts der Qualität der Produkte, deren Energieeffizienz, dem zeitgemässen «Swiss Design», der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit von Produkten und Produktion dürfte die Marktpenetration am High End gut gelingen. Die Bewertung der Aktie erscheint nach der zyklischen Kurshalbierung günstig. Bei einer absehbaren Rückkehr zu einer EBIT-Marge im Bereich 8% bis 10% liegt das KGV unter 10.

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