Reishauer Beteiligungen: Mit Rekord-Auftragsbestand ins Jahr 2023

Schwaches Finanzergebnis drückt Gewinn 2022 um 43% auf 6 Mio. CHF

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Das Interesse an den Lösungen der Reishauer-Gruppe für Elektroantriebe war auch 2022 sehr gross. Bild: zvg

Die Umstellung auf Elektromobilität hat sich für die Maschinenbaugruppe Reishauer Beteiligungen gelohnt. Der Auftragsbestand liegt bei rekordhohen 500 Mio. CHF. Auch wenn die Nettoerlöse im Jahr 2022 kräftig um mehr als 21% auf 317.9 Mio. zulegten, leidet die Rentabilität unter höheren Kosten und den Abschreibungen für das 2022 eröffnete Produktionsgebäude in Wallisellen.

Weichen rechtzeitig auf E-Mobilität gestellt

Weitreichende Entscheidungen zu treffen ist gerade für Unternehmen in der Investitionsgüterindustrie nicht einfach. Auch für die Reishauer Gruppe war lange Zeit nicht klar, in welche Richtung sich die Automobilindustrie bewegt. Falls sich Elektromotoren als alternative Antriebstechnologie durchsetzen würden, wäre das traditionelle Kerngeschäft mit Schleifmaschinen für Zahnräder besonders stark betroffen. Darüber war sich die Unternehmensleitung im Klaren. Den vor fünf Jahren getroffenen Entscheid, in die Elektromobilität zu investieren, hat die Gruppe jedoch nicht bereut. Erst investierte die in Deutschland beheimatete Tochter Felsomat in die Stator-Fertigung, später folgte auch die Schweizer Reishauer AG mit Lösungen für die Elektromobilität.

«Wir haben sehr viel und früh in die Elektromobilität investiert», sagt Jost Sigrist, Verwaltungsratspräsident der Gruppe, heute. 2021 wusste man noch nicht genau, wohin die Reise gehen würde. Doch mittlerweile sei klar, dass Automobilhersteller an der Elektromobilität nicht vorbeikommen. Dies zeigt sich auch im Auftragsbestand: per Ende 2022 lag dieser bei Felsomat bei 319 Mio. EUR. Bei Reishauer waren es 190 Mio. CHF. Zusammen hatte die Gruppe Ende 2022 Aufträge im Wert von rund 500 Mio. CHF in den Büchern. «Wir stellen bei unseren Kunden eine sehr hohe Dynamik fest, in die e-Mobilität zu investieren», fasst Sigrist zusammen. Die Kunden seien teilweise sogar etwas nervös, hätten Angst davor, nicht rechtzeitig den von der Politik geforderten Umstieg zu schaffen. In der EU ist das Verbrenner-Aus bis 2035 Fakt.

Erholungstendenzen in den Märkten

Der hohe Auftragsbestand muss nun im laufenden Jahr und darüber hinaus abgearbeitet werden. Bereits 2022 spürte die Reishauer Gruppe Erholungstendenzen in den Märkten, auch wenn Lieferkettenschwierigkeiten, die Inflation, anhaltende Lockdowns in China und die Folgen des Ukraine-Kriegs den Geschäftsverlauf beeinflussten. «Wir waren zum Glück nicht in Russland aktiv», so Sigrist. Auch sei die Ukraine für Reishauer kein grosser Markt. Angesichts des wirtschaftlichen und geopolitischen Gesamtbildes könne die Reishauer Gruppe dankbar und zufrieden sein, ergänzt der Verwaltungsratspräsident.

Starke Nachfrage nach Batteriefahrzeugen

Profitieren konnte der Maschinenbauer von der wieder anziehenden Nachfrage nach Fahrzeugen. Die Produktion von Autos legte im Jahr 2022 weltweit um 6% auf 85 Mio. Einheiten zu, was allerdings noch um 8% unter dem Niveau von 2019 liegt. Besonders stark gewachsen ist das Segment der batterieelektrischen Fahrzeuge und Plug-in-Hybriden mit einem Plus von 50% auf 10.5 Mio. Fahrzeuge. Die Reishauer Gruppe steigerte den konsolidierten Umsatz um 21,1% auf 317.9 Mio. CHF. Bei der Reishauer AG in Wallisellen legte der Umsatz um 27% zu, wobei nach Angaben des Unternehmens die Doppelspindel-Wälzschleifmaschinen die Hauptumsatzträger waren. Beim Auftragseingang dominierte Asien mit einem Anteil von 60%, gefolgt von Europa (27%) und Nord- und Südamerika (13%). Die deutsche Tochter Felsomat erhöhte den Umsatz um 14%. Detaillierte Umsatzzahlen von Reishauer und Felsomat gibt die Gruppe nicht bekannt. Die realisierten Auftragseingänge im Jahr 2022 in Höhe von 262 Mio. EUR (+ 81%) setzen sich wie folgt zusammen: Europa 58%, Asien 8% sowie Nord- und Südamerika 34% . Besonders stark angestiegen sei die Nachfrage nach Anlagen für die E-Mobilität, heisst es.

Abschreibungen auf neues Gebäude belasten
Reishauer AG Produktionsgebäude Wallisellen
Der Neubau des Produktionsgebäudes (rechts) wurde 2022 eingeweiht. Bild: zvg

Trotz höheren Aufwendungen für Material und Personal gelang es, 2022 das operative Ergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) gegenüber 2021 um 43% auf 17.6 Mio. CHF zu steigern. Ein Vergleich mit den Zahlen vor der Pandemie zeigt allerdings, dass beim EBITDA deutlich Luft nach oben besteht. 2019 erzielte die Reishauer Gruppe noch einen EBITDA von 48.6 Mio. CHF, 2018 waren es sogar 67.3 Mio. CHF. 2018 lag die EBITDA-Marge bei traumhaften 16,1%, im vergangenen Jahr waren es nur noch magere 5,5%. Noch tiefer fällt mit 1,0% die EBIT-Marge aus, der EBIT erreicht lediglich 3.1 Mio. CHF (Vorjahr: 4.6 Mio. CHF). Grund dafür sind die kräftig gestiegenen Abschreibungen in der Höhe von 14.5 Mio. CHF (+ 89%).

«Wir konnten 2022 unser neues Produktionsgebäude in Wallisellen beziehen», erklärt Jost Sigrist den Anstieg der Abschreibungen. Die Investitionen in Höhe von 70 Mio. CHF in die erste Bauetappe – das gesamte Projekt wird 2027 fertiggestellt sein – sollen den Produktionsablauf verbessern und zu einer deutlich schnelleren Durchlaufzeit führen. Ausserdem erfüllt das neue Gebäude die höchsten Standards in puncto Energieeffizienz. Wie Jost Sigrist erklärt, werden die Abschreibungen aufgrund der Neubauten auch in den kommenden Jahren hoch bleiben.

Die hohen Abschreibungen sowie der deutlich geringere Finanzertrag in Höhe von 8.7 Mio. CHF (Vorjahr: 11.7 Mio. CHF) führten unter dem Strich zum einem um 43% tieferen Gruppengewinn in Höhe von 6.0 Mio. CHF. Für die Aktionäre gab es dennoch eine Dividende von 900 CHF je Aktie, was einer Dividendensumme von 8.6 Mio. CHF entspricht und somit über dem ausgewiesenen Jahresgewinn liegt.

Bilanz bleibt solide

Die Bilanz der Reishauer Gruppe präsentiert sich auch nach den drei Krisenjahren weiterhin solide. Allerdings wird diese vom kräftigen Auftragseingang beeinflusst, der zu einem um 65% höheren Bestand an Vorräten und einem Anstieg der kurzfristigen Verbindlichkeiten geführt hat. Die Eigenkapitalquote ging in der Folge von 65,7% auf 56,8% zurück. Im vergangenen Jahr hatte die Reishauer Holding ausserdem das Aktienkapital durch den Rückkauf und die Vernichtung von 500 Namenaktien reduziert. Der Bestand an flüssigen Mittel und Wertschriften nahm aufgrund der Investitionen in den Neubau sowie die schwierige Lage an den Finanzmärkten im Jahr 2022 ab, lag per Ende 2022 bei mehr als 213 Mio. CHF, während die konsolidierte Bilanz so gut wie keine Bankschulden ausweist.

In diesem Jahr soll die Automobilproduktion gemäss Marktprognosen nochmals um 3 bis 4% wachsen. Dies sowie die starke Nachfrage nach Lösungen für die e-Mobilität lassen Reishauer-VRP Jost Sigrist optimistisch auf das laufende Geschäftsjahr blicken. Es gebe zwar immer noch Verzögerungen in den Lieferketten, aber die Situation habe sich deutlich verbessert. Das Ziel sei es daher, das Betriebsergebnis und den Gewinn für 2023 weiter zu steigern.

Fazit

Die Reishauer Gruppe hat den Wechsel vom Verbrenner- zum Elektromotor frühzeitig antizipiert und sich entsprechend mit neuen Fertigungslinien positioniert. Die Geschäftsentwicklung in 2022 sowie der Auftragseingang zeigen, dass sich dieser Strategiewechsel gelohnt hat. Auch unter Berücksichtigung der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der coronabedingten Lockdowns in China, ist das Resultat für 2022 positiv zu bewerten.

Ein Blick auf die vergangen fünf Jahre offenbart allerdings auch die Schwächen: so hat die Rentabilität in dem neuen Umfeld erheblich eingebüsst. Von zweistelligen Margen auf Stufe EBIT und EBITDA, wie sie in den Jahren 2018 und 2019 erwirtschaftet wurden, ist die Reishauer Gruppe weit entfernt (siehe Tabelle). Gut möglich, dass das neue Produktionsgebäude und die damit verbundenen verbesserten Prozesse einen Beitrag zu einer erhöhten Rentabilität leisten. Ebenso sind Entspannungen bei der Lieferkettenproblematik sowie bei den Material- und Energiepreisen denkbar, die ebenfalls zu einer Margenverbesserung führen könnten. Dennoch muss die Unternehmensleitung weiterhin ein Augenmerk auf Effizienzsteigerungen legen. Sofern die seit Jahresbeginn laufende Erholung an den Finanzmärkten anhält, dürfte sich dies positiv auf den Finanzertrag und somit auf den konsolidierten Jahresgewinn auswirken.

Aktienkurs Reishauer Beteiligungen
Der Aktienkurs von Reishauer Beteiligungen hat sich in den letzten fünf Jahren halbiert. Chart: otc-x.ch

Aktuell werden die Aktien der Reishauer Beteiligungen AG zu Kursen von 39’000 CHF je Aktie ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Gemessen am 2022er Jahresgewinn beträgt das KGV hohe 63. Auch die Dividendenrendite von 2,3% ist, eine gleichbleibende Ausschüttung vorausgesetzt, nicht gerade üppig. Gelingt es Reishauer allerdings, die Effizienz zu verbessern und gleichzeitig auch in den kommenden Jahren vom Boom in der Elektromobilität zu profitieren, könnte sich der Aktienkurs von seinen derzeitigen Tiefstständen lösen. Nach unten dürfte der Kurs, angesichts der soliden Bilanz und der hohen Nettoliquidität, gegen Kursverluste abgesichert sein. Der Titel bleibt daher für Substanzinvestoren mit einem längerfristigen Zeithorizont interessant.

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