Markus Laesser, CEO R&S Group: «Der Fokus liegt primär auf organischem Wachstum»

Fragen zum ersten Jahresabschluss als börsenkotiertes Unternehmen

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Markus Laesser ist seit 2021 CEO der R&S Group. Er verfügt über langjährige Erfahrung als CEO und in internationalen Führungspositionen im General Management sowie im Vertrieb & Marketing. Bevor er zur R&S Group stiess, arbeitete er für Unternehmen wie IBM, Microsoft, T-Systems, Dätwyler und OC Oerlikon. Markus Laesser hat mehrere Geschäftseinheiten durch strukturierte Transformationen geführt. Foto: Raymond Martin

Die heutige R&S Group hat Wurzeln, die 100 Jahre zurück reichen. Die Geschichte war wechselhaft, doch in der jüngeren Vergangenheit hat die Gesellschaft die Weichen auf Wachstum gestellt. Erst stieg ein Private Equity Investor ein, im Dezember 2023 schliesslich folgte der Börsengang an der SIX. Es war das erste Going Public an der Schweizer Börse, das durch Fusion der ersten und bislang einzigen SPAC-Gesellschaft VT5 mit einer Zielgesellschaft zustande kam. Der Kurs legte zwischenzeitlich um gut 10% auf 10.90 CHF zu, die Börsenbewertung bleibt dennoch bisher moderat. Im Interview mit schweizeraktien.net spricht CEO Markus Laesser über Geschäftsgang und -chancen, erläutert die Gründe für die Dynamik der Elektrifizierung 2.0 und welche Strategie der Börsendebütant verfolgt, um Mehrwert für die Aktionäre zu schaffen.

Glückwunsch zu dem hervorragenden Jahresabschluss 2023, Herr Laesser, Ihr erstes Geschäftsjahr als Publikumsgesellschaft! Was waren die ausschlaggebenden Faktoren für den Umsatzanstieg von 40%, die EBIT-Marge von 18,6% und einen adjustierten Nettogewinn von 1 CHF je Aktie?

Besten Dank und ja, 2023 war ein erfolgreiches Geschäftsjahr für die R&S Group. Wir konnten die ersten Früchte der Transformation, welche wir 2021 mit dem Ziel Wachstum als fokussierter Anbieter von Transformatoren begonnen haben, ernten. Dabei erzielten wir 2023 Wachstum in allen unseren Kernmärkten und Produktgruppen. Zudem sind wir erfolgreich in den deutschen und die nordischen Märkte eingestiegen und konnten dort bereits erste wichtige Kundengewinne verzeichnen. Mit unserem Geschäft bewegen wir uns in einem wachsenden Markt, da der Bedarf nach Elektrizität langfristig weiter ansteigen wird. Hierfür braucht es mehr und effizientere Transformatoren. Wir haben uns auf diese Situation auch mit dem Ausbau unserer Kapazitäten vorbereitet.

Ihre Aussage war, dass die Dividendenzahlung erst für das Geschäftsjahr 2024 aufgenommen wird. Jetzt kündigten Sie an, der GV am 28. Mai eine Dividendenausschüttung von 0.25 CHF je Aktie für 2023 zu beantragen. Wie kommts?

Der Verwaltungsrat hatte bereits im Zusammenhang mit dem Börsengang angedeutet, dass es das Ziel ist, den Aktionären kurz- bis mittelfristig ein attraktives Dividendenwachstum zu bieten. Aufgrund des starken Geschäftsabschlusses 2023 schlägt der Verwaltungsrat der Generalversammlung vom 28. Mai 2024 nun vor, für 2023 eine Dividende in der Gesamtsumme von 7 Mio. CHF zu bewilligen.

Der Aktienkurs von gegenwärtig 10.90 CHF liegt stabil und hat auf die Publikation der überraschend starken Zahlen kaum reagiert. Wie wollen Sie als Börsendebütant die Visibilität und Attraktivität der R&S Group bei den Anlegern erhöhen? 

Wir haben im Dezember 2023 den Gang an die Börse erfolgreich gemeistert. Unser Fokus ist, die gesetzten und kommunizierten Ziele zu erreichen und damit Vertrauen bei den Anlegern zu schaffen. Das erfolgreiche Geschäftsjahr 2023 war hierfür ein wichtiger Schritt. Wir sind nun auch gut ins Jahr 2024 gestartet und bestätigen unsere Guidance von einem Umsatzwachstum von 9% bis 12% bei einer EBIT-Marge von 16% bis 18%. Aufgrund der Dynamik in unseren Endmärkten und der Massnahmen, die wir im Bereich der operativen Exzellenz sowie der strategischen Zielsetzung getroffen haben, sind wir zuversichtlich, dass wir die gesetzten Ziele für 2024 erreichen. Um uns als Unternehmen dem Kapitalmarkt zu präsentieren, nutzen wir auch ausgewählte Möglichkeiten wie verschiedene Investorenkonferenzen aktiv.

Der Fokus der R&S Group liegt primär auf organischem Wachstum

Die KGV-Bewertung fällt ja im Rückspiegel betrachtet mit 10.9 tief aus. 2024 wollen Sie weiterwachsen und den Gewinn steigern, sodass das Forward-Multiple im einstelligen Bereich angesiedelt ist. Und neben dem organischen Wachstum wollen Sie für Akquisitionen unter weitgehendem Ausschluss des Bezugsrechtes auch ein genehmigtes Kapital in beträchtlicher Höhe schaffen. Wie sieht Ihre Akquisitionsstrategie aus, und sind attraktive Zielgesellschaften überhaupt verfügbar und erschwinglich?

Der Fokus der R&S Group liegt primär auf organischem Wachstum. Wir haben in unserer Strategie verschiedene operative Massnahmen zur weiteren Entwicklung des Unternehmens definiert. Hier sehen wir vorerst noch weiteres Potenzial. Das Thema des anorganischen Wachstums sehen wir opportunistisch. Die Einführung eines Kapitalbands würde uns die notwendige Flexibilität bieten, um bei einer attraktiven Opportunität selektive Zukäufe zur Konsolidierung des Marktes oder Beschleunigung des Wachstums in neuen regionalen Märkten tätigen zu können. Wir können uns auch vorstellen, geografisch, in neuen Segmenten oder innerhalb unseres Produktportfolios zu wachsen.

Dafür braucht es natürlich Grossaktionäre, die Ihre Strategie unterstützen, auch mit Kapital. Wie verteilt sich aktuell das Aktienkapital unter den vier Aktionärsgruppen, die Sie zur Zeit des Börsengangs prozentual beziffert hatten?

Unsere grössten Aktionäre sind CGS mit einem Vertreter im Verwaltungsrat, Artemis Beteiligungen von Michael Pieper sowie Gründer und Mitglieder des Verwaltungsrats und des Managements, welche durch ihr Engagement Commitment und Identifikation mit dem Unternehmen bezeugen. Eine weitere wichtige Aktionärsgruppe bilden Institutionelle Investoren wie die UBS, LLB Swiss Investment Management oder ZKB/Swisscanto. Mit Janus Henderson haben wir zudem auch einen angelsächsischen Investor an Bord.

Am 5. Dezember 2023 hat sich die R&S Group von einer Fabrik in der Tschechischen Republik getrennt. Das hat zu vielfältigen Effekten im Zahlenwerk geführt. Die Leserinnen und Leser würden eine kurze Erläuterung und Einordnung bestimmt zu schätzen wissen.

Im Rahmen der Fokussierung auf das Transformatoren-Geschäft haben wir entschieden, das Geschäft mit Konnektoren per Ende 2023 zu verkaufen. Beim Umsatz hatte dies einen Wegfall von rund 15 Mio. CHF auf 201.6 Mio. CHF zur Folge, beim Ergebnis 2023 belastete der Verkauf mit 9.5 Mio. CHF. Adjustiert um diese Einmalkosten sowie nicht operative Kosten für das Listing ihm Rahmen des Zusammenschlusses mit VT5 resultierte ein Reingewinn von 28.9 Mio. CHF, verglichen mit 5.9 Mio. CHF im Vorjahr.

Alle Welt redet von Nearshoring und Friendshoring, wobei Osteuropa immer noch ein beliebter Standort ist. Wie sehen Sie das? Was hat Ihre Entscheidung zum Divestment in der Tschechischen Republik motiviert?

Unser Ansatz ist, möglichst nahe beim Kunden zu produzieren. Unsere Tochtergesellschaft Rauscher & Stöcklin in Sissach beliefert etwa viele Schweizer Kunden. Das Know-how für diese Kunden, welche vor allem unsere Verteilertransformatoren nutzen, sitzt in Sissach. Hier produzieren wir die Produkte auch. Mit unseren Werken in Osteuropa bedienen wir vorwiegend ebenfalls auch regionale Kunden. Es kann aber auch sein, dass wir je nach Kundenauftrag gemeinsam mit mehreren Standorten an einem Projekt zusammenarbeiten, um die bestmögliche Lösung anzubieten. Da wir uns künftig auf Transformer fokussieren wollen und die Firma in der Tschechischen Republik zu wenig Synergien und auch kein entsprechendes Portfolio bot, war unsere Entscheidung, das Unternehmen in ein Umfeld zu verkaufen, wo es besser passt.

Ihre Kundenliste liest sich wie ein «Who is who» der Wirtschaft: Flughafen Zürich, Ferrari, Amazon … Wie intensiv ist der Wettbewerb, um solche prestigeträchtigen Grossaufträge zu gewinnen?

Wenn Energie erzeugt, umgewandelt und transportiert werden muss, benötigt es Transformatoren. Die R&S Group ist dabei primär in ausgewählten und attraktiven Nischen engagiert. Wir sind ein etablierter Technologie- und Qualitätsführer im Bereich Transformatoren sowie ergänzender elektrischer Produkte insbesondere im Nieder- und Mittelspannungs-, aber auch im Hochspannungssegment. Nebst grösseren Stückzahlen sind wir auch in der Lage bei Bedarf kleinere Stückzahlen zu liefern. Dabei können wir uns mit höchster Qualität und Zuverlässigkeit präsentieren. Oft werden wir auch als Gesamtlösungsanbieter engagiert.

Eine wichtige Kundengruppe ist die Erneuerbare Energien Industrie wie Solarkraftwerke. Was ist Ihr Eindruck, gewinnt die Energiewende weiterhin an Fahrt oder ist die tatsächliche Investitionsneigung doch gebremst?

Die Energiewende ist in Fahrt. Im Rahmen dieser findet eine fortschreitende Elektrifizierung statt, die durch Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Modernisierung der Stromnetze beschleunigt wird. Das Bewusstsein für eine moderne und funktionierende Energienetzinfrastruktur ist stark gestiegen. Die Leistungsfähigkeit der Netze wird aber in Zukunft entsprechend gefordert sein, dies auch, da Erneuerbare Energie zunehmend fernab vom Endabnehmer produziert werden und mehrmals umgewandelt, transportiert und verteilt werden muss. Dies wird noch hohe Investitionen erfordern. Der Krieg in der Ukraine hat sicher auch dazu beigetragen, dass im Sinne der Energieversorgung ein Umdenken stattfindet und das Bewusstsein wächst, dass wir mehr tun müssen, um unabhängiger zu werden.

Daten- und Rechenzentren sowie Forschungseinrichtungen wie CERN sind eine weitere wichtige Kundengruppe. Was können Sie unseren Lesern über diese spannenden Projekte, insbesondere CERN, und die weiteren Geschäftsperspektiven sagen?

Unser Kundeportfolio ist sehr breit und umfasst Wind-, Wasser- und Solarstromerzeuger, Übertragungsnetzbetreiber, Verteilernetzbetreiber, Beschaffungs- und Bauunternehmen, oder Industrieunternehmen. Und auch überall, wo Technologien im Einsatz sind, wie etwa bei den angesprochenen Datenzentren oder auch bei KI, wird viel Strom benötigt. Und das zuverlässig, da wir uns im Bereich kritischer Applikationen bewegen. Technologische Systeme brauchen zuverlässig Strom, und dies geht nicht ohne Transformatoren. Für solche Kunden liefern wir Transformatoren auch nach kundenspezifischen Anforderungen. Pro Kunde können dabei zwischen einem und bis über 100 Transformatoren im Einsatz sein.

Ihr Unternehmen trägt wesentlich zur effizienten Stromübermittlung und -versorgung bei, nachhaltige Ziele sind Ihnen wichtig. Sie haben dieses Jahr Ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht publiziert. Warum ist aus Ihrer Sicht nachhaltiges Wirtschaften auch für Aktionäre ein wichtiges Investitionskriterium? 

Energie und Elektrizität spielen für eine nachhaltige Zukunft eine zentrale Rolle. Wir möchten mit unseren Technologien und Produkten und wie wir diese produzieren, dazu beitragen, dass die Zukunft nachhaltiger wird. Aktionärinnen und Aktionären achten ebenfalls zunehmend darauf, wie sich ein Unternehmen verhält. Auch im Bereich Nachhaltigkeit. Gerade deshalb arbeiten wir an der Wiederverwendbarkeit der Materialien in unseren Transformatoren. Heute können wir dies bereits zu über 80% gewährleisten.

Gehen wir vor den unkonventionellen Börsengang via SPAC und De-SPACing zurück. Wie kam es zu der Entscheidung, diesen Weg zu gehen, und würden Sie heute gleich entscheiden?

Ja, wir würden nochmals gleich entscheiden. Dem Schritt ging ein umfassendes und sorgfältiges gegenseitiges Kennenlernen voraus, in welchem wir genau geprüft haben, ob wir zusammenpassen und dieselben Ziele verfolgen. Das Zusammengehen mit VT5 und der damit verbundene Gang an die Börse war für uns ein bedeutender nächster Schritt und ein strategischer Entscheid. Er markierte ein neues Kapitel in unser 100-jährigen Firmengeschichte.

Was hat sich durch das Going Public für Sie geändert? Inwiefern haben sich die Prioritäten neu geordnet?

Unsere geschäftlichen Prioritäten haben sich nicht wesentlich verändert, aber die Möglichkeiten sind grösser geworden. Die Pflichten an ein börsenkotiertes Unternehmen sind jedoch hoch. Wir mussten unsere Organisation darauf vorbereiten und die entsprechenden Prozesse etablieren. Der Schritt bietet uns aber auch eine bessere Marktpräsenz und Zugang zu kapitalstarken Investoren, um unsere Wachstumsambitionen zu verfolgen.

In Zeiter der asymmetrischen Kriegsführung sind Elektrizitätserzeugung und -versorgung potenzielle Ziele von Cyber-Attacken, Sabotage oder Zerstörung wie durch EMP-Waffen. Wie schätzen Sie als Insider die Risiken und die Schutzmöglichkeiten ein? Wie trägt die R&S Group zur Sicherheit bei?

Die Energiebranche kennt natürlich die Risiken, die in der heutigen Zeit mit der Elektrizitätserzeugung und -versorgung verbunden sind. Für die einzelnen Szenarien bestehen innerhalb der Branche und bei den einzelnen Unternehmen umfassende Sicherheitskonzepte. Diese werden auch laufend an die neusten Entwicklungen angepasst. Wir unterstützen etwa unsere Kunden mit einer umfassenden und raschen Intervention, sollte eine ausserordentliche Situation eintreffen.

Der Bedarf an Elektrizität wird in den kommenden Jahren weiter ansteigen

Bitte geben Sie uns noch eine kurze CEO-Einschätzung zu den Mega-Trends in der Elektrizitätswirtschaft bis 2030.

Der Bedarf an Elektrizität wird in den kommenden Jahren weiter ansteigen, und von den bestehenden Netzen wird künftig eine höhere Leistung gefordert werden. Schätzungen gehen davon aus, dass allein in der Schweiz der Stromverbrauch in den nächsten Jahren von rund 60 TWh auf über 100 TWh steigen wird. Die Herausforderung wird sein, genügend Strom zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort verfügbar zu haben. Zudem wird die angesprochene Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Modernisierung der Stromnetze uns die nächsten Jahre beschäftigen. Und die dezentrale Energiegewinnung durch Sonne, Wind und Wasser wird weiter zunehmen.

Vielen Dank, Herr Laesser, für die gewährten Einblicke.   

Die R&S Group wird am Branchentalk «Schweizer Industrieperlen» vom 18. Juni 2024 in Zürich teilnehmen, der von schweizeraktien.net organisiert wird.

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