
Die Trends an der Börse können zwar schnell wechseln, doch je länger sie dauern, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich fortsetzen. Der Juli war von dieser Trendpersistenz geprägt. Obwohl viele Unternehmen die Guidance kappten, stiegen die richtungsweisenden Indizes weiter. Auch die Privatanleger sind en masse zurück am Aktienmarkt, zumindest in den USA. Das könnte zu einem neuen Kursschub führen, oder sich aber als klassisches Warnsignal erweisen.
Die scheinbaren Beilegungen der Zollkonflikte zwischen den USA und China, Japan, der EU und sonstigen Exporteuren werden an der Börse und von den Politikern als «Kompromiss» gefeiert. Doch der ist trügerisch, wie das Hin und Her der US-Politik zeigt. Mit dem Zoll-Wirrwarr hat sich auch economiesuisse beschäftigt und interesante Zahlen ermittelt. Bernard Arnault, CEO und Hauptaktionär von LVMH, nannte den US-EU Deal den «teuersten imperialen Tribut der Geschichte». Ein weiterer Stolperstein besteht darin, dass private Unternehmen in Europa nicht gezwungen werden können, in den USA 600 Mrd. USD zu investieren oder ihre Einkäufe dort zu tätigen. Tatsächlich hat EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen auch gar kein Mandat, um beispielsweise über Verteidigungsbudgets der EU-Staaten zu entscheiden.
Zollhammer über der Schweiz
Kompromiss oder Nötigung?
Tatsache ist, dass es soweit stets nur einen Gewinner gibt: die Supermacht USA und mehr noch den Präsidenten und Chef-Dealmaker. Die militärische Macht ist Trump ein probates Mittel, um wirtschaftliche Deals zu erzwingen, die bei Verhandlungen auf Augenhöhe nie zustandegekommen wären. Was wären wohl die Folgen, wenn die USA als nächstes einen Schuldenschnitt – oder quasi Schuldenschnitt mit anderem Namen – von den Gläubigern in Japan, China und den europäischen Ländern erzwingen? Mit denselben Begründungen, die bisher schon für den sehr einseitigen «Handelskonflikt» bemüht wurden.
Dollarschwäche dämpft Exporte
Die langfristigen Auswirkungen der globalen ökonomischen Neuordnung sind für die Export-Meister in Europa bereits jetzt gravierend und wohl nur teilweise in den Kursen reflektiert. Als zusätzliche Belastung kommt noch die ausgeprägte Schwäche des USD hinzu. Viele Schweizer Unternehmen geben in den Semesterberichten hohe Währungsverluste an.
Schwache Konsumlaune bremst Geschäftsgang von SIG
Ein Unternehmen der Favoriten-Liste, das den makroökonomischen Gegenwind zu spüren bekommen hat, ist die SIG Group. Die Aktie stürzte deutlich ab. Der Umsatz des in Euro bilanzierenden Unternehmens erhöhte sich im ersten Semester nur um 0,3%. Im ersten Quartal lag das Wachstum noch bei 3%. Als Gründe gibt CEO Sigrist Wechselkursverluste, höhere Kunststoffpreise und den Kaufkraftschwund der Konsumenten an. Da die EBITDA-Marge auf 23,6% leicht anstieg und aufgrund tieferer Finanzierungskosten und Steueraufwendungen der adjustierte Reingewinn sogar um 13% höher ausfiel, bleibt die SIG Group finanziell auf Kurs. Die defensiven Qualitäten der Aktie könnten in einem ernüchterten Börsenumfeld von den Investoren schnell wieder höher bewertet werden. Für das Gesamtjahr erwartet die SIG Group 3% bis 4% Umsatzwachstum und eine EBITDA-Marge im Bereich von 25%.
Galderma im Höhenflug
Dagegen brilliert Galderma. Der Aktienkurs ist in neue Höhen vorgestossen und hat sich damit im Vergleich zum ersten Kurs nach dem IPO mehr als verdoppelt. Galderma bilanziert in USD, was in diesem Fall ein Vorteil zu sein scheint. Im ersten Halbjahr nahm der Umsatz um 11,2% auf 2.4 Mrd. USD zu. Ohne Wechselkurseffekte liegt das Wachstum einen Prozentpunkt höher. Das Wachstum wurde von allen Geschäftsbereichen und allen Regionen getragen. Nach der Zulassung und Markteinführung von Nemluvio erzielte die therapeutische Sparte einen Umsatzzuwachs von rund einem Viertel. Der Kerngewinn stieg durch geringere Kosten von 210 Mio. USD überproportional auf 329 Mio. USD. Die Guidance hob Galderma an. Das Wachstum in 2025 wird nun mit 12% bis 14% erwartet, zwei Prozentpunkte mehr als bislang.

VAT verzeichnet starken Dollar-Effekt
VAT hat eine erneute Korrektur erfahren und stürzte Ende Juli um mehr als 10% ab. Ein Grund ist die Resonanz zu ASML. Deren Zahlen waren zwar überzeugend, doch der CEO wollte keine Garantie abgeben, dass das Nachfragewachstum anhält. Damit könnte gemeint sein, dass zwar Hunderte von Mrd. USD an Investitionen in Rechenzentren angekündigt wurden, doch tatsächlich nur wenige Mrd. USD tatsächlich geflossen sind. VAT meldete für das zweite Quartal einen um 12,7% gesteigerten Umsatz in CHF, doch ohne Währungseffekte lag der Zuwachs bei 22%. Ähnlich beim EBITDA mit 22% Zuwachs und fast 33% ohne Deviseneffekte. Auch der Auftrageingang ist betroffen. Er fiel um 8,6% und ist praktisch unverändert in Lokalwährungen. Für das Gesamtjahr werden steigende Umsätze und Gewinne erwartet. Die Signale in der Industrie seien allerdings gemischt.
Turnaround-Kandidat Barry Callebaut
Barry Callebaut hat einen langen Abwärtstrend hinter sich, konnte sich aber vom Tief bei 726 CHF lösen. Die Neun-Monats-Zahlen enttäuschten. Die Nachfrage ist nach den Preiserhöhungen von Lindt&Sprüngli, Nestlé, Hershey & Co stark geschrumpft. Die Ernteaussichten sind gemischt. Doch die Kakaopreise an den Warenbörsen liegen auf USD-Basis aktuell 28% unter dem Niveau von Anfang Jahr. Aus Schweizer Sicht kommt noch der USD-Verlust dazu. Unter der Annahme, dass das Kostensenkungsprogramm greift und sich die Marktbedingungen nicht weiter verschlechtern, sondern verbessern, könnte Barry Callebaut im kommenden Geschäftsjahr einen scharfen Gewinnanstieg verzeichnen. Denn sicher ist, dass Schokoladenliebhaber auch bei höheren Preisen keinen totalen Verzicht leisten werden. Schokolade ist jetzt eben eher ein Luxusgut.
Tendenz: Freundlich
Der SMI blieb im Juli mit -1,2% wenig verändert, auch wenn die Mehrheit der Aktien positive Vorzeichen aufweist. Der Dow-Jones liegt ebenfalls rund 1% tiefer. Der DAX gewann 0,5%, der S&P 500 legte 1,5% zu, der Nasdaq 3%. Der Schweizer Small- und Mid-Cap Index SPIEXX gewann 1,7%. An der Ausserbörse setzte sich der positive Trend ebenfalls fort. Der OTC-X Liquidity Index gewann seit Jahresbeginn 5,9%. Neue Nachrichten zu den vier Favoriten gab es nicht. Weiss+Appetito erreichte dennoch ein neues historisches Hoch und gewann somit seit Anfang Jahr 32,2%. Espace Real Estate erhöhte sich leicht, Weleda blieb unverändert und Cendres+Métaux gab leicht nach.

Der Ausblick bleibt gemischt. Die Stimmung der Börsianer steigt zwar, doch die Risiken nehmen gleichzeitig zu. Insbesondere für die Schweizer Aktien wird sich zeigen, wie diese auf den Zollhammer reagieren. Vor allem binnenorientierte Unternehmen und Firmen mit einem geringen Exportanteil dürften den „Schock“ weniger spüren, als die Large Caps. Die nächsten Monate werden daher zweifellos spannend.
Der September ist in der saisonalen Statistik anfällig für scharfe Korrekturen, der Oktober ist bei manchen Investoren angstbesetzt und gilt als Crash-Monat. Solange jedoch mehr Kapital in den Aktienmarkt hinein- als hinausfliesst, dürften sich die aktuellen Trends fortsetzen.