SNB-Vize Antoine Martin: «Der Schweizer Banksektor hat den massiven Schock bemerkenswert gut weggesteckt»

Am Branchentalk Banken von schweizeraktien.net referiert der SNB-Direktor Antoine Martin zum Thema «Robuster Schweizer Kreditmarkt in einem sich wandelnden Umfeld»

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Dr. Antoine Martin, Vize-Direktor der SNB, sprach am Branchentalk Banken über den Schweizer Kreditmarkt. Bild: Luca Uloth, schweizeraktien.net

Mit dem Schock, den der Bankensektor erstaunlich gut gemeistert hat, spricht Antoine Martin in seinem Referat am Donnerstag die Übernahme der taumelnden Credit Suisse im März 2023 durch die UBS an. Seither sei das Kreditumfeld in der Schweiz so im Wandel wie das «trendy Industriequartier in Zürich», macht der Vizedirektor der Schweizerischen Nationalbank SNB einen Bezug zum Standort der Schweizer Börse SIX, wo die Veranstaltung stattfindet.

Der Bundesrat hatte Martin auf den 1. Januar 2024 zum Leiter des III. Departements der Nationalbank ernannt. «Wieso interessiert sich die SNB für den Kreditmarkt?», fragte der SNB-Direktor rhetorisch. Die Nationalbank habe zwei Aufgaben, die Stabilität der Preise und die Stabilität des Finanzsystems zu garantieren – und der Kreditmarkt beeinflusse direkt die Stabilität des Finanzsystems. «Und im Kreditmarkt hat es grosse Veränderungen gegeben in den vergangenen Jahren», sagt Martin.

Kunden suchten neue Verbindungen

Mit der Übernahme der CS durch die UBS gebe es nur noch eine global aktive Bank in der Schweiz. Viele Kreditkunden hätten, um sich zu diversifizieren, neue Bankverbindungen aufgebaut. Dabei hätten sie sich grösstenteils an inlandorientierte Schweizer Banken gewandt. «Diese haben den Ausfall der Grossbank CS mehr als ersetzt», folgert Martin. Er weist auch darauf hin, dass es in den vergangenen zehn Jahren keine Engpässe in der Kreditversorgung gegeben habe – weder allgemein noch bei den inlandorientierten Banken.

Martin macht auch deutlich, dass UBS/CS nicht das einzige Thema sei, das im Zusammenhang mit dem Kreditmarkt adressiert werden müsse. Während dort die Aufräumarbeiten weitergehen würden, werde das Wirtschaftswachstum voraussichtlich schleppend bleiben, währenddessen der Schweizer Franken gegenüber dem Euro und Dollar auf ein Rekordniveau gestiegen sei. Das belaste die Exporte. Zudem gelten seit Jahresbeginn die Standards von Basel III für die Banken.

Blick auf Refinanzierung

Gemäss Martin sei der Blick auch auf die Refinanzierung von kleineren und mittleren Unternehmen gerichtet, insbesondere da seit Anfang 20025 das Regelwerk Basel III umgesetzt werde. «Wenn man den Medienberichten glaubt, hat das die Kredite verteuert und zu einer Kreditklemme geführt», führt der SNB-Manager aus. Doch in den Zahlen zeige sich keine Kreditklemme, die Volumen am Kreditmarkt entwickelten sich gleichmässig.

Basel III habe aber die Risikosensivität der Banken erhöht und diese dazu animiert, die Risiken in der Bilanz zu minimieren. Die Risikogewichte für riskantere Kredite sind gestiegen, die Banken müssen für diese Geschäftsfelder mehr Kapital vorhalten. Das wird aber die Situation der Banken gemäss SNB bezüglich Kapital und Liquidität nicht verändern. «Die Kapitalanforderungen ändern sich für jede Bank anders, je nach Geschäftsmodell», erläutert Martin.

Die Spreads weiten sich aus

Seit Ende 2023 hatte sich das Wachstum des inländischen Kreditvolumens wegen der geldpolitischen Lockerungen verlangsamt. Zum ersten Mal seit Jahren waren die Zinsen wieder gestiegen, aber bereits vor einem Jahr begann die SNB wieder mit der Reduzierung der Geldmenge. «Die SNB hört von steigenden Refinanzierungskosten», sagt Martin. Es sei ein internationales Phänomen, dass sich die Spreads ausweiten würden. Der Kreditspread zwischen 10-jährigen Staatsanleihen und einer OIS-Rate (Overnight Index Swap) ist ein Mass für die Risikoprämie, die Anleger für das Halten von Staatsanleihen über die vermeintlich risikofreie OIS-Rate hinaus verlangen.

Er reflektiert das Kreditrisiko der Staatsanleihen und die Erwartungen der Marktteilnehmer an die künftige Geldpolitik und die allgemeine Wirtschaftslage. Doch Martin relativiert: «Die Schweizer Banken finanzieren 80% der Kredite durch Kundeneinlagen, die Ausweitung der Spreads betrifft demzufolge nur einen kleinen Teil der Kreditkosten».

Podiumsdiskussion: Der Kampf um die Einlagen

Moderiert von Dominik Buholzer, Chefredaktor von finews.ch, diskutierten Antoine Martin, Matthias Pfeifer, CEO der Bank WIR, und Christian Egli, Finanzchef der Clientis AG, anschliessend die Situation im Schweizer Kreditmarkt für inlandorientierte Banken. Auch Fragen aus dem Publikum wurden beantwortet.

Dominik Buholzer (r.) diskutiert mit SNB-Vize Antoine Martin (l.), Matthias Pfeifer und Christian Egli über den Schweizer Kreditmarkt. Bild: Luca Uloth, schweizeraktien.net

«Sie haben geseufzt, als Herr Martin sagte, es gebe keine Kreditklemme, Sie sehen das also anders», wendet sich Buholzer an Pfeifer. Dieser antwortet, die Banken hätten Probleme, günstige Refinanzierungen über Einlagen zu beschaffen. «Zudem finanzieren wir nicht nur Eigenheime und Eigentumswohnungen», fügt der WIR-Bank-CEO an. Mit Basel III werden Kredite für Renditeliegenschaften mit einem höheren Risiko bewertet und müssen mit mehr Kapital hinterlegt werden. Dies schränkt gemäss Pfeifer den Bau von Mietwohnungen ein und dürfte nicht im Sinn eines Landes sein, das eine hohe Migration verzeichne.

Finanzierung von Renditeliegenschaften wird bestraft

Dem stimmt Christian Egli zu, der Kampf um Kundengelder bleibe ein Thema. «Das ist auch der Grund dafür, dass der Kreditspread gestiegen ist.» Mit dem Swiss Finish seien die Banken mit einem hohen Finanzierungsbestand von Renditeliegenschaften bestraft worden, weil sie mehr Eigenkapital schaffen mussten.

Wieso es denn trotz dem Ausbleiben der Kreditklemme bei gewissen Banken kein Wachstum im Hypothekarvolumen gebe, wollte Buholzer in der Folge von Martin wissen. Der SNB-Direktor wies darauf hin, dass dies ein Gesamtbild sei. «Einzelne Banken haben aber mehr Refinanzierungsprobleme, und das nimmt die SNB ernst», fügt er an.

Kreditanfragen von ausserhalb nehmen zu

Egli widerspricht Buhofer, der die Frage stellt, ob Basel III also nur ein Sturm im Wasserglas sei. Die Banken müssten auf den Umstand reagieren, dass es jetzt grosse Unterschiede zwischen selbstbewohntem Wohneigentum und Renditeliegenschaften gebe. «Ausserrayonanfragen an Banken haben zugenommen, ein Zeichen, dass Banken Refinanzierungsprobleme haben», so Egli.

Das langfristige Geschäftsmodell, der Aufbau der Kreditportfolios, wird gemäss Pfeifer von den Banken hinterfragt. «Doch es dauert rund fünf Jahre, die Laufzeit einer mittleren Hypothek, bis die Bereinigung abgeschlossen ist.» Der WIR-Bank-CEO berichtet, dass sein Institut noch nie so viele Kreditanfragen wie nach dem Ende der CS erhalten habe und auch noch nie so viele habe absagen müssen.

Gemäss Egli sind die Mittel der Banken limitiert, und es gebe Listen, was man finanzieren wolle und was nicht. «Manchmal wird das über den Preis geregelt.» Leithzinsen auf null Prozent seien aber ein ungünstiges Niveau, da könne man auf der Passivseite nicht viel machen.

Bremst die Finma?

Buhofer thematisiert den Umstand, dass der Regulator oft kritisiert werde: «Ist die Finma ein Wachstumshemmer»? Das Ziel sei nicht, effizientes Geschäft auszubremsen, aber einer Überhitzung soll gemäss Martin vorgebeugt, und ungesunde Risiken sollen vermieden werden. «Die SNB will nachhaltiges Wachstum. Solange wir dies sehen, sollte nicht reguliert werden», sagt der Nationalbank-Direktor.

Der Ansatz von Basel III ist gemäss Christian Egli gut, aber er führe zu mehr Aufwand. Die Tendenz gehe Richtung Überregulierung. Für grosse Einzelkredite müssten über 100 Faktoren ausgewiesen werden. «Das könnte dazu führen, dass kleine Anbieter Anschluss an eine Gruppe suchen, wie es etwa Clientis ist, die Lösungen bietet», fügt er an.

Eine Vereinfachung wäre willkommen

Willkommen wären nicht nur Verschärfungen, sondern auch Vereinfachungen, sagt Matthias Pfeifer. Der WIR-Manager führt das Thema Nachhaltigkeit an. Vor zwei Jahren habe man gedacht, dass man jedes Gebäude genau klassifizieren müsste. Pfeifer hofft, dass die SNB im Kreditmarkt Gnade walten lasse.

«Könnte eine starke Regulierung zu Finanzierungen durch nicht regulierte Kreditgeber führen?», kommt aus dem Publikum die Frage an die Diskussionsteilnehmer. Bereits in der Phase der Negativzinsen wurden Versicherungen als grosse Gefahr dargestellt, antwortet Martin. Sie hätten Kredite vergeben, aber das Volumen sei wenig relevant geblieben. Crowdfunding habe vor drei Jahren einen Rekordstand erreicht und sei seither wieder auf dem Rückgang. «Banken als Finanzierer lassen sich wegen ihrem Know-how im Riskmanagement, in der Finanzierung etc. nicht so einfach ersetzen», sagt Martin. Die Diskussionsteilnehmer sind sich einig, dass Nichtbanken mit den gleichen Regeln belegt werden sollten wie Banken, wenn sie Kredite vergeben.

Keine Zustände mehr wie in den 90ern 

«Renditeliegenschaften und Baukredite sind riskanter, also ist Basel III richtig», stellt jemand aus dem Publikum fest. Banken, die ihre Aufgaben nicht gemacht haben, hätten alle Kredite gleich eingestuft. «Würden so konservativ rechnende Banken nicht bestraft werden, wenn Basel III aufgeweicht würde, wie oft gefordert werde?»

«Es ist wichtig, dass diese unterschiedlichen Risikoeinschätzungen bestehen bleiben, wir müssen die unterschiedlichen Risiken besser differenzieren, und hier sind wir auf gutem Weg», antwortet Martin. Die SNB wolle nicht die Zustände der 90er zurück. Egli weist aber darauf hin, dass Regionalbanken in einem Mikrokosmos unterwegs seien. «Die Konditionen werden oft am Mitbewerber ausgerichtet, vielleicht kommt es jetzt aber eher zu einer Vereinheitlichung, fügt er an. Basel III sei eine internationale Regulation, resümiert Pfeifer. Die Schweiz brauche wegen hoher Zuwanderung aber mehr Wohnraum und benötige mehr Renditeliegenschaften. «Wir können nicht beschliessen, dass wir nur noch selbstbewohnte Liegenschaften bauen bzw. finanzieren», folgert er.

Auf Vertrauen kommt es an

Ein Teilnehmer im Publikum weist anschliessen darauf hin, dass die CS gezeigt habe, dass es nicht auf das gebundene Eigenkapital ankomme, sondern auf das Vertrauen. Einer Regionalbank bringe LCR und nicht Basel III schlaflose Nächte. LCR steht für Liquiditätsdeckungsquote (Liquidity Coverage Ratio) und ist eine regulatorische Kennzahl, die Banken verpflichtet, einen ausreichenden Puffer an liquiden Mitteln zu halten, um eine 30-tägige Stressphase zu überstehen. Banken müssen eine LCR von mindestens 100% aufweisen. «Das Problem ist, dass Banken die Liquidität nicht nutzen und nicht, dass sie nicht über die LCR verfügten», antwortet Martin auf diesen Einwand. Die Nationalbank wäre da, um den Regionalbanken Liquidität zur Verfügung zu stellen.

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