Trotz widriger globaler Rahmenbedingungen konnte die Schweizer Uhrenindustrie ihre Exporte zwischen 2009 und 2014 um rund 60% auf 22,2 Mrd. Franken steigern. Und das in einem zunehmend kompetitiven Umfeld. So ist zwar China zusammen mit Hong Kong der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt, rund 3 Mrd. CHF von Jahresanfang bis einschliesslich August gegenüber 1.5 Mrd. CHF in den USA, dem zweitgrössten Markt. Gleichzeitig ist China aber auch der härteste Konkurrent, besonders in den günstigeren Qualitätssegmenten. Denn der Durchschnittswert einer exportierten Swiss made-Armbanduhr liegt immerhin bei 734 CHF. Dagegen ist der Durchschnittswert der exportierten China made-Armbanduhr mit 4 US-Dollar vergleichsweise niedrig. In Hong Kong beträgt der Vergleichswert 23 US-Dollar. Hier kommt die Relevanz aufgrund der Stückzahlen zustande. Mit 10 Mrd. CHF Uhrenexporten nimmt Hong Kong nach der Schweiz Rang 2 der Exportländer ein, gefolgt von China mit 5 Mrd. CHF. Weit abgeschlagen folgen noch Deutschland und Frankreich. Zwischen den genannten Ländern gibt es allerdings auch viele Importe, die wiederum re-exportiert werden.
Uhrenindustrie exportiert 95%
Damit ist die Uhrenindustrie nach der chemisch-pharmazeutischen Industrie und dem Maschinenbau wertmässig die drittgrösste Exportindustrie der Schweiz. Nachdem die Industrie noch in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts im Niedergang begriffen schien, überraschte sie dann ihre Kritiker doch durch technologische Innovationen sowie einen überzeugenden auf Qualität und Zuverlässigkeit gegründeten Strukturwandel mit einem beeindruckenden Comeback, das über viele Jahre hinweg kontinuierliche Umsatzzuwächse brachte. Dabei spielt das Marketing eine entscheidende Rolle. Es geht um den Weltmarkt, denn in der Schweiz verkaufen die Hersteller nur ca. 5% ihrer Produktion. Und davon geht noch ein grosser Anteil an Touristen aus Asien, den USA und Schwellenländern.
Calvin und Genf – wie die Uhrmacherei entstand
Wie kommt es, dass die Eidgenossenschaft schon von jeher die Entwicklung der Zeitmesser und Uhren, dieses Herzstücks der modernen Wirtschaft, Gesellschaft und auch Wissenschaft, so entscheidend bestimmt hat? Die Wurzel liegt in der calvinistischen Reformation, denn Calvin verbot das Tragen von Schmuck, sodass die Kunsthandwerker und Goldschmiede neue Märkte finden mussten. Sie widmeten sich in der Folge der Mechanik und der Uhrenherstellung. Das war in den 1550er Jahren und bereits um 1600 hatte sich Genf als Zentrum der neuen Industrie etabliert. Dort nahm alles seinen Anfang, und nach der ersten Sättigung des Heimatmarktes am Genfersee folgte die Verbreitung der hohen Kunst der Uhrmacherei zunächst in den anderen Kantonen und dann in der ganzen Welt.
Im nächsten Teil der Serie erfahren Sie mehr darüber, wie Uhren zum Inbegriff des Luxus werden konnten.
Mit dem neuen Format „Im Kontext“ beabsichtigen wir von schweizeraktien.net, in periodischen Artikel-Serien den gewohnten analytischen Blick auf das Micro-Level von einzelnen Aktien und Branchen durch einen breiteren und tieferen Kontext zu ergänzen, hin zu einem „Grossen Bild“. Dieses soll unseren Lesern in eher prosaischer Form und lebendig, bisweilen auch vergnüglich, wirtschaftliche, gesellschaftliche und historische Zusammenhänge vermitteln und Anregungen für die eigene Analyse der behandelten Sujets und Anlagethemen bieten, die oftmals im hektischen Tagesgeschäft in den Hintergrund gedrängt werden, aber für die fundierte Meinungsbildung „Im Kontext“ unabdingbar sind.