Im Brennpunkt: Differenzierte Entwicklung der Luxusgüter-Aktien

Pandemie trifft Luxus-Segmente in unterschiedlichem Ausmass

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Boomt die Wirtschaft, steigt auch die Nachfrage nach Luxusgütern. Die Aktien des international geprägten Luxus-Universums hatten über viele Jahre einen wirklich guten Lauf – doch führt nun die Pandemie zu dramatischen Einbrüchen bei der Umsatzentwicklung. Die Beratungsgesellschaft BCG erwartet für 2020 branchenweite Umsatzrückgänge von 25% bis 45%. Am Aktienmarkt zeigt sich jedoch ein differenziertes Bild. Während Swatch zwei Drittel unter dem historischen Hoch liegt, setzt Hermès täglich neue Rekordmarken.

Kaum jemand hat sich seit Beginn der Corona-Krise einen neuen Anzug gekauft oder gar massschneidern lassen. Ähnliches gilt für Krawatten und sonstige luxuriöse Kleidung, denn seit dem Lockdown und der Normalisierung von Home-Office und Zoom-Meetings tragen auch Banker und Manager überwiegend Casual Wear. Die Auswirkungen auf Schneider, Luxury Retailer, Webereien und sogar Schafzüchter in Australien sind gravierend.

Tourismusflaute dämpft Perspektiven

Das Luxus-Segment an der Börse ist höchst heterogen, wie sich schon an den Divergenzen zwischen Swatch und Hermès offenbart. Leider sind die Schweizer Repräsentanten unter den börsenkotierten globalen Top-Vertretern aus der Welt des Luxus besonders hart von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Hermès dagegen steigerte den Umsatz im dritten Quartal um 7% gegenüber dem Vorjahresquartal, hauptsächlich durch boomende Online-Verkäufe. Sowohl Richemont als auch Swatch als Vertreter des Uhren- und Schmucksegments leiden unter dem nahezu totalen Einbruch des internationalen Tourismus. Allein chinesische Käufer stellen 35% der weltweiten Nachfrage im Luxussegment. Zusammen mit anderen asiatischen Ländern wie Indien und Indonesien sind es mehr als 50% des Weltmarktes. Bevorzugt kaufen die Asiaten auf Reisen. Und ein sehr grosser Anteil des Umsatzvolumens entfällt auf Einkäufe in Flughäfen. Das ist auch der Grund, warum die Dufry-Aktie so tief gefallen ist und deshalb nun zur Sicherung der Überlebensfähigkeit chinesische Investoren willkommen geheissen wurden.

Die Aktie von Dufry leidet massiv unter der Pandemie. Chart: moneynet.ch
Uhrengeschäft besonders schwierig

Bei Swatch gab der Umsatz im ersten Halbjahr 2020 um 43,4% auf 2.2 Mrd. CHF nach, bei Richemont im Quartal zum 30.06. um 47% auf 2 Mrd. CHF. BCG prognostiziert für das Segment Uhren und Schmuck für 2020 einen Umsatzrückgang von 35% bis 50% sowie eine langsame Erholung der Nachfrage danach, sodass das Prä-Covid-Level der Industrie erst 2023 wieder erreicht werden wird. Für andere Segmente sieht das Beratungshaus für 2020 teilweise Rückgänge von nur 20%, wie bei Schuhen und Hautpflege, und eine Erholung auf das Prä-Covid-Level bereits bis 2021 oder 2022.

BCG rechnet damit, dass die Luxusgüter-Marken mehr als zwei Jahre benötigen könnten, um sich von den Folgen der Pandemie zu erholen. Abb: Boston Consulting Group
Rückzug aus Hongkong

Dazu kommt, dass auch der für Luxusgüter, speziell Uhren, wichtige Absatzmarkt Hongkong grossenteils als Nachfragemotor ausfällt. Nach dem Aufoktroyieren der Sicherheitsgesetze der Volksrepublik China sowie als Folge der Bürgerproteste und nicht zuletzt der Pandemie sind Tourismus und Kauflust deutlich zurückgegangen. Viele Mono-Stores sind geschlossen. Einziger Lichtblick für die Industrie ist derzeit China, wo die Wirtschaft mittlerweile wieder wächst und die Kauflust gerade für Luxusartikel ungebrochen ist.

Geringe Online-Penetration bei Luxus-Uhren

Ein weiterer Grund für die Schwäche im Uhren- und Schmucksegment ist die simple Tatsache, dass nur geschätzte 10% bis 12% der Umsätze im Luxusbereich vor der Pandemie auf Online-Kanäle entfallen sind und im Uhren- und Schmuckbereich sogar deutlich tiefer lagen. Es ist einfacher, Sneaker, Taschen, Seidentücher oder Designermode online zu verkaufen als Uhren, die schnell mehrere zehntausend Franken kosten. Allerdings war die Adoption digitaler Strategien gerade in der Uhren- und Schmuckindustrie weit weniger enthusiastisch als bei Designer-Marken und in anderen Bereichen der Luxusgüterindustrie.

Neuland und Nachhaltigkeit

Viele Markenunternehmen im Luxusbereich haben dagegen die Möglichkeiten von digitalen Kanälen, Big Data und Künstlicher Intelligenz bereits für sich entdeckt. Der neue Konsument im Luxussegment verdient gut, kauft gerne online ein und sucht authentische Produkte, die heute auch nachhaltig sein müssen. Hilton offeriert neuerdings „vegane Zimmer“, die mit Bambus ausgekleidet sind. Prada ist schon lange Vorreiter mit einem klar formulierten ethischen Kodex – und findet inzwischen viele Nachfolger. Burberry vernichtet Lagerbestände nicht mehr, sondern recycelt oder gibt sie als „Donation“ an gemeinnützige Initiativen. Und Tiffany verwendet nur noch zertifizierte Diamanten und Mineralien, um eine klare Trennlinie zu „Blutdiamanten“ und „Konfliktmineralien“ zu ziehen. Kering hat sogar eine philantropische Stiftung gegründet, die soziale Zielsetzungen hat.

Digitale Markenbotschaften

Einstweilen reagiert die Industrie mir digitalen Offensiven, Kostensenkungen und neuen Konzepten, die oft minimalistisch und auf das Wesentliche konzentriert sind. Breitgestreute Werbekampagnen sind out, personalisierte Kundenkontakte sind in. Die Marken erfinden sich neu und wollen vor allem zeitgemäss, authentisch und nachhaltig sein. Der Konsument soll sich mit seinen Werten in der Marke wiederfinden. Dafür bemüht die Industrie auch „Influencer“, digitale Persönlichkeiten mit vielen „Followern“, um subtil zu vermitteln, was das „Real Thing“ ist. Allerdings haben Kontroversen darüber, dass selten klar wird, dass die Influencer von Unternehmen bezahlt werden, dazu geführt, dass sich viele Unternehmen davon distanzieren, um keinen Imageschaden oder rechtliche Konsequenzen zu riskieren. Die Bestimmungen werden wohl deutlich verschärft werden.

Personalisierung vs. Privatsphäre

Die Luxusgüter-Hersteller, die sich Big Data und KI zunutze machen, bewegen sich auf einem enger werdenden Grat zwischen Personalisierung und Schutz der Privatsphäre. Die gesuchten Konsumenten wollen beides. Daher gehen die Marken-Produzenten neue Wege, um Kunden in den jüngeren Generationen zu finden und zu binden. Die in Privatbesitz befindliche Rolex hat einen Award für innovative Entrepreneure ins Leben gerufen, Gucci engagiert sich im Bereich Video-Art.

Familienunternehmen in der Klemme

Schwere Rezessionen ziehen häufig Konsolidierungswellen nach sich. Das trifft auch auf die aktuelle Lage in der Luxusgüterindustrie zu. Kleinere Luxus-Marken, oft noch in Familien- oder Privatbesitz, kommen, je nach Subsegment, ins Trudeln und flüchten sich in die Arme von Private-Equity-Gesellschaften oder passende grössere Adressen. Salvatore Ferragamo ist ein aktuelles Beispiel. Das operative Geschäft ist in Mailand börsenkotiert, doch die Mehrheit liegt bei der von der Familie kontrollierten Holding. Im zweiten Quartal brachen die Umsätze um 60% ein. Ein Teil der Familie will verkaufen, doch die Mehrheit soll erhalten bleiben. Seit Monaten werden Optionen geprüft und Initiativen verfolgt. Derzeit sieht es nach einer Private-Equity-Lösung aus. Und das ist kein Einzelfall.

LVMH-Übernahme von Tiffany findet doch statt

Mehr Aufmerksamkeit hat die geplante, dann abgesagt und schliesslich wieder aufgenommene Übernahme von Tiffany durch LVMH erzeugt. Tiffany ist vielleicht das letzte Kronjuwel in der Welt des Luxus, das – für den richtigen Preis – zu haben ist. Das dachte sich jedenfalls LVMH Grossaktionär Arnault, der auch der reichste Franzose ist. Schon vor Ausbruch der Pandemie waren sich die Konzerne einig. Für über 16 Mrd. USD sollte Tiffany an LVMH gehen. Ein Vertrag wurde aufgesetzt und unterzeichnet. Dann wollte LVMH, nachdem die Epidemie zur Pandemie geworden war, aussteigen und schliesslich den Preis senken. Tiffany und LVMH verklagten sich wechselseitig, und erst am 27. Oktober wurde man sich erneut einig, nachdem die EU-Kartellbehörde den Deal genehmigt hatte. Wie es scheint, dürfte der Preis nur wenig unter 16 Mrd. USD liegen. Somit hat sich Tiffany weitgehend durchgesetzt. Angesichts der aktuellen Marktkapitalisierung von über 200 Mrd. Euro bei LVMH ist Tiffany ungleich kleiner, dürfte aber wohl von den Synergien mit den anderen LVMH-Töchtern stark profitieren.

Der Aktienkurs von Tiffany hat von der Übernahme profitiert. Chart: moneynet.ch
Vive la France – zumindest im Luxus-Universum

Mag es auch sonst in der französischen Wirtschaft laut knirschen, die Luxusgüter-Konzerne stehen in der globalen Betrachtung bestens da. Hermès weist eine Marktkapitalisierung von 87 Mrd. Euro auf, Kering von 68 Mrd. Euro. Zählt man noch l’Oréal mit einer Börsenbewertung von 155 Mrd. Euro dazu, so stellt Frankreich mit vier Marktführern mit einem Börsenwert von zusammen über 500 Mrd. Euro mit Abstand den Grossteil des High Ends in der Welt des Luxus. Prada liegt bei gerade 9 Mrd. Euro, Swatch bei unter 6 Mrd. CHF, Richemont bei knapp über 30 Mrd. CHF. Besser noch, denn trotz Pandemie haben die Kurse ihren Aufwärtstrend fortgesetzt. LVMH und Kering liegen nur um rund 12% unter ihren Hochs. Im Januar 2018 waren die Luxus-Aktien zuletzt auf schweizeraktien.net betrachtet worden. Seitdem haben die Market Caps beachtlich zugenommen. Bei LVMH um fast 100 Mrd. Euro, bei Hermès um 35 Mrd. Euro, bei Kering um immerhin 18 Mrd. Euro und bei l’Oréal um rund 50 Mrd. Euro. Das zeigt einmal mehr, dass Luxus eben nicht gleich Luxus ist und auch, dass Investments in ganze Branchen wie bei Indexfonds oder ETFs nicht dieselbe Performance bringen können, wie eine fundierte Auswahl der besten Einzeltitel.

Konsumenten in China und im Rest der Welt

Ein wesentlicher Grund für den Erfolg der Franzosen könnte schlicht darin liegen, dass französische Luxusprodukte, egal ob Champagner, Reiseaccessoires, Haute Couture oder Rotwein, eben nun mal den Inbegriff von Prestige darstellen – vor allem in Asien. Und das wiederum hat etwas mit dem Fetisch der Marken zu tun, der dort besonders ausgeprägt ist. Die französischen Luxusgüter-Konzerne sind vor allem Markenkonzerne, deren Produktserien deutlich mit wohlklingenden Namen wie „Chanel“ oder „Lagerfeld“ gekennzeichnet sind. Die Konsumenten in Europa oder Nordamerika sind demgegenüber inzwischen deutlich preissensitiver und zurückhaltender geworden. Luxus, ja, aber nicht zu jedem Preis und auch mit deutlich anderen Präferenzen, besonders bei Millennials und Gen Z. Diese sind im Hinblick auf Ausgabefreudigkeit die neue Zielgruppe in den traditionellen Ländern.

Fazit

Wachstumsimpulse für die Industrie als Ganzes kommen auf absehbare Zeit allenfalls aus China, weil dort die Beschränkungen relativ gering sind und die Wirtschaft wieder Tritt gefasst hat, sowie von jungen, gut verdienenden Konsumenten in den westlichen Ländern. Um diese zu erreichen und Kaufentscheidungen zu mobilisieren, werden bei geschlossener offline-Welt vermehrt digitale Kanäle für die personalisierte Werbung genutzt. Hierfür sind manche Produktkategorien besser, andere schlechter positioniert. Einstweilen dürften sich die divergierenden Verläufe mit Blick auf Geschäftsgang und Aktienkursentwicklung eher noch verstärken. Die Erholung dürfte sehr differenziert verlaufen. Weitere Übernahmen sind wahrscheinlich.

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