Neues Energiegesetz (EnG) seit Januar 2018 in Kraft – Steht die Gebäudetechnik vor einem Wachstumsschub?

BKW, CKW, Holdigaz, Poenina, Arbonia, Zehnder, Belimo – Aktien mit Kursphantasie?

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Energieverbrauch senken mit effizienter Gebäudetechnik. Quelle: buildster.ch

In der Schweiz wird der Klimawandel ernst genommen. Mit der „Energiestrategie 2050“ ist auch im breiten Konsens der Bevölkerung eine Road-Map entstanden, die nun Schritt für Schritt umgesetzt wird. Dazu zählt auch das neue Energiegesetz, das seit Anfang Januar in Kraft ist. Ziele sind vor allem der Ausbau regenerativer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden. Was bringt das EnG für Investoren?

Volle 40% des Gesamtenergieverbrauchs in der Schweiz entfallen heute auf Gebäude. Dabei spielt Heizen die grösste Rolle, aber auch Warmwasser, Klima- und Belüftungsanlagen sowie Energieverluste durch schlechte Isolierung fallen ins Gewicht. Das Potenzial für Optimierungsmassnahmen bei bestehenden Gebäuden im Rahmen von Sanierung oder Renovationen ist enorm. Je nach Fall sind mit entsprechenden Investitionen Energieeinsparungen im deutlich zweistelligen Prozentbereich zu realisieren. Diese Investitionen, etwa in hocheffiziente Heizsysteme, Wärmepumpen und Solarpanele, amortisieren sich für Eigentümer sehr schnell. Teilweise werden sinnvolle Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden sogar bezuschusst.

Liberalisierung beim Endkunden angekommen

Die Liberalisierung des Strommarktes ist zudem mittlerweile auch beim Endkunden angekommen. Damit ist nicht nur die freie Wahl der Lieferanten gemeint, sondern auch, dass nicht nur Unternehmen, sondern nun auch Privatpersonen mit Solarinstallationen erzeugten Strom verkaufen und ins Netz einspeisen können. Im Sinne der Dezentralisierung der Energieversorgung bilden sich Peer-to-Peer-Netzwerke für den Vertrieb innerhalb der Nachbarschaft! Eine App des Start-ups In Situ Energy AG mit Namen change38 macht es möglich.

Champion bei sauberer Energie dank Wasserkraft

Der Strom wird in der Schweiz zu 60% aus erneuerbaren Energien gewonnen, hauptsächlich aus Wasserkraft. Das ist ein Spitzenwert, der in den entwickelten Ländern von niemandem erreicht und international nur von wenigen Ländern überboten wird. Doch beim Gesamtenergieverbrauch inkl. Wärme und Mobilität entfallen nur 22% auf Wind, Sonne, Biogas und Wasser.

Energiestrategie 2050 stellt Weichen

Die Energiestrategie 2050 der Schweiz setzt mit der Priorisierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudepark genau an den richtigen Stellen an, denn hier ist die grösste Hebelwirkung mit Blick auf die Reduzierung der schädlichen Emissionen von Treibhausgasen zu erzielen.

Unternehmen nutzen Chancen

Eine entsprechende Ausrichtung zur Nutzung der Chancen haben Unternehmen aus verschiedenen Branchen in ihren Geschäftsplänen zum Teil seit Jahren forciert. Nahezu alle Unternehmen der Energiewirtschaft haben ein Beratungs-, Dienstleistungs- und Installationsgeschäft aufgebaut. So wird die Nähe zum Endkunden gezielt zur Verlängerung der Wertschöpfungskette genutzt, allerdings auch unter dem Druck der schwachen Strompreise und des intensivierten Wettbewerbs im Energiemarkt, was Umsätze und Gewinne seit Jahren erodieren lässt.

Prototyp BKW

Beispielhaft ist die Entwicklung beim grössten Schweizer Energie-Unternehmen BKW. Im ersten Halbjahr 2017 stiegen die Dienstleistungsumsätze um 37% auf 332 Mio. CHF und steuerten damit bereits 25.5% zum Konzernumsatz bei. Der grösste Teil entfällt zwar auf Akquisitionen, doch die entschiedene Vorwärtsstrategie zeigt, dass die Gebäudetechnik im Zentrum des Umbruchs steht, der durch die Konvergenz der Technologien wohl erst beginnt.

Vernetzung einer Immobilie mit Temperatursensoren. Quelle: alphasol.ch

Kein Mangel an Informationsmöglichkeiten

Gebäudetechnik ist ein komplexes Thema, denn auch hier hält die Automation Einzug. Allein durch die intelligente Steuerung von Heizung, Licht und Elektrogeräten lässt sich viel Energie einsparen. Moderne hocheffiziente Küchen- und Haushaltsgeräte sind ein weiteres Feld. Was alles relevant ist, darüber gibt energieSchweiz.ch eine breite und gut verständliche Übersicht, auch zu den finanziellen Fördermöglichkeiten für Gemeinden, Unternehmen und Private. Von 16. Januar bis 20. Januar findet weiterhin die Swissbau 2018 Messe in Basel statt, bei der die Gebäudetechnik ein Schwerpunkt sein wird. Auch energieSchweiz, Minergie und viele weitere relevante Organisationen und Unternehmen sind präsent.

Chancen und Risiken für Anleger  

Aus Anlegersicht bietet die Gemengelage aus technologischen Innovationen, dem neuen gesetzlichen Rahmen sowie der Verschmelzung von Bau, baunahen Dienstleistungen und Produkten sowie der Liberalisierung der Energiemärkte ein zweifellos interessantes Betätigungsfeld. Tatsache ist aber, dass eigentlich alle relevanten Unternehmen, deren Aktien börsenkotiert oder auf OTC-X gehandelt werden, in irgendeiner Form unter Druck stehen und dass das nun so enthusiastisch bearbeitete wieder entdeckte Geschäftsfeld „Gebäudetechnik“ unter einem regelrechten Angebotsüberhang zu leiden scheint.

Gebäudetechnik wird von vielen Seiten bearbeitet

So war die Umsatzentwicklung im Dienstleistungsbereich bei CKW und Holdigaz zuletzt rückläufig. Romande Energie trennte sich sogar von grossen Teilen der Servicesparte, allerdings mit dem Ziel, die Verschuldung abzubauen und so das Investment Grade-Ranking zu retten. Unterdessen hat der Bauzulieferer Arbonia sich von vielen marginalen und für die neue Strategie unpassenden Aktivitäten getrennt und fokussiert nun auf europäischer Ebene auf die Segmente Fenster, Innentüren und Gebäudetechnik inkl. Sanitär, Heizung- und Belüftungssysteme. Die Gebäudetechnik trägt 38% zum Konzernumsatz bei, allerdings ist die Schweiz mit 31% Umsatzanteil nach dem Konzernumbau nur noch zweitwichtigster Markt nach Deutschland mit 39%. Die Vorteile grosser Konzerne wie BKW und Arbonia sind die Skaleneffekte, die breite Palette integrierter Angebote sowie die Fähigkeit, auch grosse Immobilienbesitzer und Bauherren als Auftraggeber zu gewinnen.

Pure Play Poenina mit erfolgreichem IPO

Eher von der baunahen handwerklichen Seite kommt dagegen der SIX Neuzugang Poenina Holding. Weil die entsprechenden Märkte regional fragmentiert sind, positioniert sich Poenina als Konsolidator, der durch Akquisitionen wächst und eine immer grössere Präsenz aufbaut. Da das Thema „Gebäudetechnik“ an der Börse trendy ist, wurde die Aktie am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne bei 46 CHF zugeteilt – und legte seit dem ersten Handelstag weiter auf 60 CHF am Jahresultimo zu. Die Bewertung erschien bereits beim Börsengang sehr ambitioniert für ein im Grunde langsam wachsendes Unternehmen mit beschränktem Potenzial zur Margenausweitung. Das Beispiel zeigt aber, dass Anleger „Pure Plays“ auf bestimmte trendy Mega-Themen mögen und sogar bereit sind, irrational hohe Prämien zu bezahlen, um dabei zu sein.

Fazit

Das Querschnittsthema Gebäudetechnik ist auch aus Anlegersicht interessant, denn wo schneller Fortschritt durch neue und konvergierende Technologien Hand in Hand mit einer breiten Liberalisierung einhergeht, bieten sich zwangsläufig auch Opportunitäten. Gegenwärtig gibt es jedoch wenige Möglichkeiten, konzentriert in die erwartete dynamische Entwicklung in der Gebäudetechnik zu investieren. Die Energie-Unternehmen, ob kotiert oder ausserbörslich gehandelt, hängen nach wie vor in erster Linie vom Strompreis ab. Erholt er sich nachhaltig, stimmt die Welt für die Netzbetreiber und Energieerzeuger wieder. Unter Anlageaspekten erscheint die BKW wegen der marktführenden Stellung, der soliden Bilanz und dem bereits erfolgten Ausbau der Service-Sparte interessant, doch ohne Strompreiserhöhung bleibt die Ertragskraft zu geschmälert für weitere nachhaltige Kursavancen. Holdigaz dagegen scheint weiterhin überdurchschnittliche Wachstumsperspektiven zu bieten. Gas dürfte in der Schweiz weiterhin an Bedeutung im Energie-Mix gewinnen. Trotz der deutlich gestiegenen Kurse bleibt die Aktie attraktiv bewertet. Mehr zum Thema Energie-Aktien findet sich in der im November veröffentlichten OTC-X Studie. Poenina erscheint dagegen überbewertet, Arbonia zumindest ambitioniert bewertet.

Rückblick auf Empfehlungen im Oktober 2016

Bereits Ende Oktober 2016 war in einem Artikel auf interessante Aktien aus dem Bereich Energieeffizienz hingewiesen worden. Belimo ist seitdem von 3’200 CHF bis auf 4’380 CHF geklettert. Die Ausnahmeaktie bleibt interessant, die hohe Bewertung ist begründet. Zehnder allerdings befindet sich seit geraumer Zeit in einer Restrukturierung, deren Ende zwar absehbar scheint, aber nicht gesichert ist. Ohne nachhaltige Rückkehr in die Gewinnzone erscheint die Fantasie bezüglich der Aktie sehr beschränkt. Denkbar erscheint zwar eine Kombination mit einem anderen Anbieter, doch wahrscheinlich ist das bei der Familiengesellschaft nicht. Metall Zug ist zwar mit den marktführenden V-Zug-Geräten ein weiterer Profiteur des Trends zur Energieeffizienz, doch bei der Holding mit mittlerweile vier Geschäftsbereichen ist die Küchensparte nicht mehr dominant. Aussichtsreich ist die Aktie dennoch. Trotz Rückschlag kletterte der Kurs seit Oktober 2016 von unter 3’200 CHF auf 3’700 CHF. Mehr Informationen zu der angekündigten Akquisition im Bereich Medizintechnik kurz vor Weihnachten findet sich hier.

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