Cendres+Métaux: «Die Implementierung der neuen Strategie ist erfolgreich abgeschlossen».

Interview mit Marco Zingg und Arne-Christian Faisst.

0
5244
Marco Zingg, VRP Cendres+Métaux, und Arne-Christian Faisst, VR-Mitglied. Bilder: zvg

Das Bieler Industrieunternehmen Cendres+Métaux Holding SA (CMSA) befindet sich seit rund drei Jahren in einem Totalumbau. Was früher einmal seine Wurzeln in der Verarbeitung von Edelmetallen für die Uhren- und Schmuckbranche hatte, ist heute ein diversifiziertes Unternehmen mit dem Fokus auf die Medtech- und Uhrenbranche. Ausserdem betreibt CMSA eine Edelmetallschmelze. Für das Geschäftsjahr 2016/17 schockierte CMSA seine Aktionäre mit einem Verlust auf Stufe EBIT von 25 Mio. CHF. Auch operativ rutschten die Bieler in die roten Zahlen. VR-Präsident Marco Zingg und sein VR-Kollege Arne-Christian Faisst halten unbeirrt an dem Umbau fest. Im Gespräch mit schweizeraktien.net erklären sie die Hintergründe für das Verlustjahr, blicken aber auch sehr zuversichtlich in die Zukunft. Allerdings bleibt auch in den kommenden Jahren noch einiges zu tun, um die Marktposition gerade in der Dentalprothetik auszubauen und vor allem die Innovation Vivax Liva zur Marktreife zu bringen.

Die Cendres+Métaux Holding hatte im Dezember über den Geschäftsverlauf im abgeschlossenen Geschäftsjahr 2016/17 berichtet. Könnten Sie bitte das Wesentliche für unsere Leser nochmals kurz zusammenfassen? Vielleicht mit Blick auf das operative Geschäft, das bei den zahlreichen Wertberichtigungen, Abschreibungen sowie der Reservenbildung und -auflösung nur schwer fassbar scheint.

Arne-Christian Faisst: Das Geschäftsjahr 2016/17 hat unser ganzes Team nochmals gefordert. Das war notwendig, um die Strategie Implementierung nun abzuschliessen. In der Medtech-Division ist diese Neuausrichtung bereits abgeschlossen. Erfreulicherweise konnten wir auch bereits in den Bereichen, in denen wir als Zulieferer tätig sind, die Umsätze erstmals wieder steigern. Und dies gleich um mehr als 30%. Allerdings hatten wir gerade im Bereich der Dentalprothetik Schwierigkeiten mit der CE-Zulassung unserer zahlreichen neuen Produkte, was uns auf der Umsatzseite in diesem Bereich blockiert hat. Es gibt zwar eine Vielzahl von Bestellungen für unsere neuen Produkte in der Dentalprothetik, die wir aber bisher aus regulatorischen Gründen noch nicht ausliefern durften. Auch wenn man es daher in der Entwicklung des Gesamtumsatzes noch nicht sehen kann, so hat sich das EBITDA in der Medtech-Division gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessert. Schwierig war für uns allerdings besonders der starke Umsatzrückgang in der Luxus- und Industriedivision. In der Vergangenheit hatte diese auch in schwierigen Jahren noch den Ausweis eines positiven Ergebnisses möglich gemacht. Das war 2016/17 nicht der Fall. Daher mussten wir ein operatives Minus auf Stufe EBITDA von 1,8 Mio. CHF ausweisen.

Auffällig sind auch noch die Abschreiber auf Immobilienanlagen in Höhe von 15 Mio. CHF, die das EBIT dann mit minus 25 Mio. CHF tiefrot ausfallen lassen. Waren die Wertberichtigungen in dieser Höhe überhaupt notwendig oder konnten Sie so wieder stille Reserven bilden?

Leider nein. Wir haben uns zu diesem Schritt entschlossen, da wir auch aufgrund unabhängiger Bewertungsgutachten feststellen mussten, dass wir am Hauptsitz in der Vergangenheit viel zu teuer gebaut haben. Eine Investition in Höhe von 28 Mio. CHF wäre nicht notwendig gewesen und ist betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen. Daher mussten wir die Wertberichtigung vornehmen.

Wann ist denn die scheinbar nicht enden wollende Phase der Reorganisation abgeschlossen?

Marco Zingg: Die Implementierung der neuen Strategie ist für beide Divisionen mittlerweile erfolgreich abgeschlossen und zeigt auch schon Wirkung im Markterfolg der beiden Bereiche. Dennoch bleibt noch einiges zu tun, da wir nun alle Prozesse der neuen Organisationsform anpassen müssen. Zudem werden wir nun eine neue juristische Struktur schaffen. Es wird künftig die Cendres + Métaux Holding mit den drei Tochtergesellschaften CMSA Medtech, CMSA Luxus + Industry sowie der Diavantis AG geben. Die Reorganisation hat also in der Zwischenzeit eher den Charakter eines Aufbaus bekommen. Dies zeigt sich auch darin, dass wir bereits jetzt einen deutlichen Einfluss des Fachkräftemangels spüren, der uns die Besetzung dringend benötigter Positionen zunehmend schwer macht.

Wie hat die neue Strategie das Unternehmen in den letzten Jahren konkret verändert?

Arne-Christian Faisst: Das Unternehmen war bisher im klassischen Materialgeschäft tätig. Das bedeutet, dass Materialien wie Metalle und später im Dentalbereich auch Kunststoffe verarbeitet und verkauft wurden. In Zukunft wird CMSA im Bereich Zulieferer ein Komplettanbieter für die Uhren- und Medtech-Industrie sein. Wir werden nicht nur einzelne Teile fertigen, sondern uns entlang der gesamten Wertschöpfungskette unserer Partner und Kunden aufstellen. Dasselbe gilt natürlich auch für den Bereich Dentalprothetik, in dem wir unsere eigenen Produkte direkt im Markt verkaufen.

Herr Zingg, das neue Geschäftsjahr von CMSA hat Anfang Oktober 2017 begonnen. Die Uhrenindustrie spricht bereits wieder von Rekordverkäufen. Wie ist Ihr Unternehmen in das verlängerte Geschäftsjahr gestartet, das erstmal bis Ende 2018 dauern wird?

Marco Zingg: In der Luxusdivision hat das Geschäft seit August 2017 ganz klar gedreht. Der Umsatzzuwachs im 1. Quartal des neuen Geschäftsjahres lag bei über 25%. Auch bei den Dentalimplantaten und Medical Devices konnten wir zweistellige Zuwachsraten verzeichnen. In der Dentalprothetik haben wir hingegen immer noch mit den Zulassungsproblemen zu kämpfen. Wir versuchen dieser Tatsache mit einer verstärkten geografischen Durchdringung der Märkte vor allem in Asien und Amerika zu begegnen. Gerade unsere in 2016 gegründete Tochtergesellschaft in China hilft uns hier im Moment sehr.

Dann sprechen wir zuerst über den Hoffnungsträger Diavantis. Herr Faisst, im Juli 2015 schätzten Sie, dass die Markteinführung der Innovation Bone-Anchored Port für Dialyse-Patienten im Idealfall in 2 bis 3 Jahren erfolgen könne. Wie schätzen Sie den Zeithorizont bis zur Markteinführung heute ein?

Arne-Christina Faisst: Bisher wurde es erst an fünf Patienten getestet. Mit den gewonnen Informationen konnten wir den ersten Teil der klinischen Studie mit sehr guten Resultaten abschliessen. Nun starten wir Tests in sechs weiteren Kliniken. Erst wenn diese erfolgreich sind, können wir mit einer CE Zertifizierung rechnen. Diese wird nicht vor Ende 2018 erfolgen. Insgesamt dürfte es bis zu einer möglichen Markteinführung noch mindestens 18 Monate dauern.

Die von Ihnen an der Generalversammlung genannten Finanzierungsvolumina von 6 Mio. CHF in einem ersten Schritt und weiteren 14 bis 16 Mio. CHF im zweiten Schritt erscheinen auf den ersten Blick sehr niedrig für Tests, Registrierung und FDA-Zulassung?

Da es sich bei Diavantis um ein Hochrisikoprojekt handelt, werden wir es in eine separate Tochtergesellschaft auslagern und so auch die teilweise Fremdfinanzierung dieses Spin-off ermöglichen. Unsere bestehenden Aktionäre können sich daran beteiligen, wenn sie möchten. Ansonsten bleibt auf diese Art das Risiko aber für die Cendres+Métaux SA kalkulierbar. Wir werden aber nur die Stufe 1 selber finanzieren. Für die 2. Stufe suchen wir einen oder mehrere strategische Partner, so dass wir hier Synergien nutzen können. Wir gehen davon aus, dass diese Synergien das benötigte Investitionsvolumen effektiv begrenzen können.

Sie wollen die Distribution über einen Partner organisieren. Wird dabei nicht zu viel von der Upside aufgegeben?

Das glauben wir nicht. Die Produktentwicklung für Vivax Liva wurde bereits komplett abgeschrieben. Nun müssen wir noch die klinischen Studien und den Marktzugang in Form der Registrierung und der Dokumentation für die Rückerstattung durch die Gesundheitssysteme finanzieren, was wir mit Hilfe unserer bestehenden Aktionäre schaffen werden. Der Aufbau einer eigenen Distribution würde ein Vielfaches davon kosten. Das können wir nicht so einfach stemmen. Gemeinsam mit einem Partner, der bereits im Markt etabliert ist, können wir in der 2. Stufe daher viel schneller und effizienter agieren. Wir werden allerdings mit Sicherheit die Mehrheit an Diavantis so lange wie nötig behalten.

Würden mögliche Partner nicht damit die eigenen Umsätze kannibalisieren? Könnte so ein Interessenkonflikt nicht, wie schon so oft, zu einer Einfrierung der neuen Technologie führen?

Nein. Egal wie ein Partner aus dem Dialyseumfeld heisst: Wir werden diesen nicht kannibalisieren. Denn das Kerngeschäft von diesen Firmen liegt im Betrieb der Dialysemaschinen und der Lieferung von Verbrauchsmaterialien, wie beispielsweise den Schläuchen. Wir stellen mit Vivax Liva eine Alternative zum Katheter zur Verfügung. Unsere bisherigen Gespräche zeigen, dass das Interesse an diesem neuartigen Zugang sehr gross ist. Seit mehr als 40 Jahren erfolgte der Zugang immer über tägliches Stechen und Katheter. Unser innovatives Vivax Liva ist ein neuartiges Ventil, dass nur einmal implantiert werden muss. Es handelt sich daher um einen revolutionären Ansatz in der Nephrologie, der eine grosse Erleichterung im täglichen Leben eines Dialyse-Patienten darstellt.

Welches Marktpotenzial könnte sich Ihrer Einschätzung nach Diavantis über 5 Jahre erschliessen?

Dies ist schwierig zu sagen. Der Dialysemarkt ist ein Millardenmarkt, kennt aber im Moment im Sinne von Vivax Liva noch keine Implantate. Daher ist eine Schätzung schwierig. Wir setzen allerdings nicht nur ausschliesslich auf den Verkauf des Zugangs, sondern auch auf den Verkauf von Verbrauchsmaterialen, die unsere Partner nicht konkurrenzieren.

Herr Zingg, kommen wir zum Edelmetallgeschäft, das ja leider stetig an Bedeutung zu verlieren scheint. Wie gehen Sie mit der durch die Währungssituation der letzten Jahre zweifellos verschärften Wettbewerbssituation um?

Marco Zingg: Das Uhrenzuliefergeschäft hat nach wie vor eine grosse Bedeutung für uns. Dies zeigt sich auch darin, dass wir immer weitere Teile der Wertschöpfungskette abdecken. Durch den Zukauf der Momoplus AG können wir Uhrwerke auch in kleinen Stückzahlen herstellen. Auch haben wir mit PRG Manufacture einen Gehäusehersteller gekauft, der es uns ermöglicht, künftig unsere Partner bei der Herstellung der kompletten Uhren zu unterstützen. Allerdings gehen wir weiterhin von einer Konsolidierung in der Uhren-Zulieferbranche aus. Dies dürfte für uns auch weitere interessante Möglichkeiten bieten.

2015 entfielen ein Drittel Ihres Geschäfts auf die Uhren- und Schmuckindustrie und zwei Drittel auf Dental, wovon wiederum zwei Drittel auf das Ausland ging. Wie sind die Relationen heute, und, wichtiger noch, wo wollen Sie hin?

Die Möglichkeiten der geografischen Diversifikation im Medtech-Geschäft sind wesentlich grösser als im Bereich Uhren und Refining. Daher werden wir in Zukunft wohl stärker im Ausland und hier mit dem Dentalgeschäft wachsen.

Der Buchwert von C+M ist in den Jahren der Reorganisation ein wenig auf zuletzt 3’360 CHF je Aktie zurückgegangen. Wie sieht es mit den stillen Reserven aus; hat C+M nach den schwierigen Jahren immer noch eine „goldgeränderte“ Bilanz?

Um Schwankungen bei den Edelmetallpreisen auszugleichen, gehört es zur Geschäftspolitik von CMSA, hier eine Reserve von 20 bis 30% zu bilden. Durch eine Neubewertung der Reserven konnten wir 2016/17 einen ausserordentlichen Ertrag verbuchen. Grundsätzlich hat aber die Buchungspraxis der Vergangenheit immer wieder die operativen Ergebnisse zu wenig transparent wiedergegeben. Wir möchten aber operativ Geld verdienen und nicht durch die Auflösung von stillen Reserven. Denn der Wert der Firma wird in den kommenden Jahren durch die Performance im operativen Geschäft steigen, nicht durch die goldgeränderte Bilanz. Allerdings konnten wir dank dieser soliden Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Dividende zahlen, was aus dem operativen Geschäft nicht möglich gewesen wäre. Da wir aber für das laufende Geschäftsjahr wieder mit einem positiven operativen Ergebnis rechnen, war auch die Dividendenzahlung gerechtfertigt. Sie zeigt, dass wir an das zukünftige Potenzial glauben.

Sie sagten in der Vergangenheit, dass Sie offener mit den Aktionären und der Öffentlichkeit kommunizieren wollen. Sind Sie da nach eigener Einschätzung weitergekommen? Was haben Sie noch vor?

Für uns war es wichtig, erst einmal das Geschäft zu entwickeln und die Organisationsstruktur anzupassen. Hier sind wir auf gutem Weg. Nach diesem internen Umbau können wir uns jetzt auch der Kommunikation widmen. Eine Erneuerung der Website von CMSA ist in Arbeit. Ausserdem werden wir den Geschäftsbericht 2017/18 erstmals ausschliesslich in englischer Sprache publizieren, denn auch das erhöht die Transparenz. Denn wir verstehen uns als internationales Unternehmen und wollen auch künftig so wahrgenommen werden.

Die Aktien der Cendres+Métaux Holding AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden Kurse von 9’000 CHF für eine Aktie gezahlt. Die Marktkapitalisierung liegt auf diesem Kursniveau bei 119 Mio. CHF. Sollte für das Langgeschäftsjahr 2017/18 auch wieder die Ausschüttung einer Dividende in Höhe von 180 CHF möglich sein, würde die Rendite bei 2% liegen. Angesichts der umfassenden Neuausrichtung des Unternehmens ist eine Bewertung derzeit nicht seriös möglich. Sollten die zahlreichen Projekte im laufenden und in den kommenden Jahren erfolgreich umgesetzt werden, dürfte das Potenzial für die CMSA-Aktie gross sein. Investoren brauchen hier, wie bei vielen auf OTC-X gehandelten Titeln, vor allem Geduld.

Kommentar verfassen