Im Brennpunkt: Soll der SNB-Gewinn für die AHV angezapft werden?

Ein wiederkehrendes Politikum

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Eine bunte Mischung von Vertretern des Schweizerischen Gewerschaftsbundes, SP- und SVP-Politikern will an die Milliarden der Schweizerischen Nationalbank, die diese durch die Erhebung von Negativzinsen als Einnahmen verbucht. Bild: snb.ch

Eine gemeinsame Kampagne führender Köpfe des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, der SP und der SVP will an die SNB-Milliarden. Konkret geht es um die ca. 2 Mrd. CHF, welche die SNB durch die Erhebung von Negativzinsen als Einnahmen verbucht. Diese sollen der AHV zugeführt werden. Denn unter den Negativzinsen leiden vor allem die AHV und die Pensionskassen. Ein Politikum – aber eben doch nichts Neues, denn die SNB-Gewinne haben seit den 1990er Jahren immer wieder Begehrlichkeiten geweckt.

Neu ist allerdings die Argumentation mit den Negativzinsen, die vor allem Versorgungseinrichtungen treffen, die monatlich hohe Auszahlungen an Rentner, Pensionäre und Hinterbliebene vornehmen müssen. Die Negativzinsen werden genau auf diese notgedrungen vorzuhaltende Liquidität erhoben. Damit, so die Argumentation weiter, seien die Empfänger, also das Schweizer Volk, die Geschädigten der SNB-Politik.

Konsequenzen des Tiefzinsniveaus

Aus Sicht der Empfänger und Einzahler des Pensionssystems ist die Argumentation einleuchtend und mag auch schlüssig erscheinen. Die Pensionskassen haben das Jahr 2018 mit Anlageergebnissen von durchschnittlich -4% bis -5% abgeschlossen. Angesichts des andauernden Tiefzinsregimes entwickelt sich ganz allmählich eine Schieflage mit absehbar zunehmender Unterdeckung. Bereits 2031, so die Sorge, könnte das AHV-Vermögen gänzlich aufgezehrt sein. Das alarmiert! Und bildet eine Plattform für populistische Kampagnen. Als einer der Schuldigen an der Misere ist die SNB scheinbar leicht auszumachen.

Das Währungsmanagement der SNB

Bestimmt gibt es verschiedene Punkte, die man an der SNB-Politik kritisieren kann. Tatsache ist jedoch, dass die SNB unter der Leitung von Thomas Jordan exzellente Arbeit leistet und die Schweizer Volkswirtschaft durch zugleich kühne wie besonnene Massnahmen vor den negativen Auswirkungen der globalen Verwerfungen vor allem an den Devisenmärkten wirkungsvoll schützt. Der alles entscheidende Punkt dabei ist – die Unabhängigkeit!

Das Mandat der SNB

Die Aufgabe, die kleine, doch souveräne Schweiz wettbewerbsfähig zu halten und ein stabiles Preisniveau zu gewährleisten trotz der immensen und fortgesetzten Kapitalzuflüsse, ist nicht leicht und sollte nicht dadurch erschwert werden, dass nun auch noch die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme zu den Pflichten dazu kommt. Es wäre ganz simpel gesagt ein unnötiger Zielkonflikt, der das bisher ausserordentlich gut funktionierende Währungsmanagement zum Wohle der gesamten Schweiz unterminieren könnte. Vielleicht fehlt es denen, die von den Milliarden der SNB geblendet sind, einfach an Verständnis für das Ausmass der die Schweiz erreichenden Kapitalströme. Noch immer werden geschätzt nahe 35% der weltweiten Finanzaktiva in der Schweiz gehalten. Dabei geht es nicht um ein paar Milliarden, sondern um das Tausendfache davon. Das Problem der AHV-Unterfinanzierung könnte dagegen relativ einfach durch einen Staatsfonds gelöst werden – ohne die SNB in Interessenkonflikte zu bringen.

Signalwirkung

Zudem wäre eine Einschränkung der Unabhängigkeit der SNB ein falsches Signal zum falschen Zeitpunkt. Die Schweiz als Erfolgsmodell basiert langfristig und insbesondere in den letzten 10 Jahren nicht unwesentlich auf der klugen Notenbankpolitik, die wiederum nur durch ihre Unabhängigkeit möglich ist. Länder, bei denen die Währungspolitik zum Spielball (partei-)politischer Interessen verkommen ist, zeigten schon in der Vergangenheit und zeigen auch heute Verfallserscheinungen. Deshalb haben seit den 1980er Jahren alle wichtigen und der freien Marktwirtschaft verpflichteten Länder unabhängige Notenbanken etabliert, nach dem Vorbild von Bank of England, Fed, Deutsche Bundesbank und SNB.

SNB weckt schon lange Begehrlichkeiten

Im Übrigen sollte die aktuelle Kampagne auch im historischen Kontext gesehen werden. Der Normalbürger liest einmal im Jahr von Milliardengewinnen oder auch -verlusten der SNB. Das weckt Begehrlichkeiten und bietet auch eine Plattform zur Profilierung von Politikern und Organisationen. Ob es so klug war, die Goldbestände der SNB als Folge von Initiativen zu reduzieren, bleibt bislang noch offen.

KOSA-Initiative

Vielleicht schon in Vergessenheit geraten ist die 2002 eingereichte Initiative „Nationalbankgewinne für die AHV“, bekannt als KOSA-Initiative (Komitee sichere AHV). Diese verlangte, dass die Gewinne aus den Goldverkäufen der SNB in die AHV fliessen sollen und ebenso „alle zukünftigen Gewinne“ abzüglich einer Mrd. CHF für die Kantone. Schon damals waren SGB und Vertreter verschiedener Parteien und Organisationen im Kreis der Initianten. Die KOSA-Initiative war 2002 von 58% des Stimmvolks verworfen worden. Die liquidierten Goldbestände der SNB führten dann 2005 zu einer Ausschüttung in Höhe von 21.1 Mrd. CHF, neben der ordentlichen Gewinnausschüttung, an Kantone und Bund.

Forderungen damals und heute

Im Vergleich dazu fallen die Forderungen heute relativ bescheiden aus. 2017 hatte die SNB einen Gewinn von 54.4 Mrd. CHF ausgewiesen. Davon entfielen 2 Mrd. CHF auf erhobene Negativzinsen. Und nur auf diese Position bezieht sich die aktuelle Kampagne, was zumindest einen Lernprozess dokumentiert. Der Zeitpunkt ist aber auch schlecht gewählt, weil die SNB schon angekündigt hat, dass der Nationalbankgewinn 2018 bei ca. -15 Mrd. CHF liegen wird. Eine Folge der Devisenentwicklungen und der scharfen Korrektur an den Kapitalmärkten im vierten Quartal 2018. Die genauen Zahlen werden am 4. März veröffentlicht.

Bilanzsumme seit 2005 verzehnfacht

Die Entwicklung der markant gestiegenen Bilanzsumme von rund 85 Mrd. CHF Ende 2005 auf 843 Mrd. CHF Ende 2017 und auch die im Zeitverlauf stark schwankenden Nationalbankgewinne und -verluste zeigen klar, dass die SNB anders als eine private Geschäftsbank nicht auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet ist, sondern dass Gewinne und Verluste eine Folge der auf die Erhaltung der Preisstabilität in der Schweiz ausgerichteten Notenbankpolitik sind. Und das verkennen die Initiatoren der diversen Initiativen, die an die SNB-Gewinne wollen.

STAF-Abstimmung am 19. Mai

Dass die Ausgleichsfonds von AHV/IV/EO nicht zuletzt wegen des Tiefzinsszenarios, vor allem aber wegen der demografischen Entwicklung ein gravierendes strukturelles Problem haben, ist besorgniserregend und bedarf einer nachhaltigen Lösung. Ein erster Schritt dazu ist die Volksabstimmung am 19. Mai zu dem vorgelegten Entwurf des Bundesgesetzes über die Steuerreform und die Finanzierung der AHV (STAF). Es kombiniert eine Steuerreform, nachdem 2017 die Unternehmenssteuerreform III gescheitert war und führt der AHV zusätzliche Mittel in Höhe von 2 Mrd. CHF zu. Wenn STAF angenommen wird, fallen Steuerprivilegien für Holdinggesellschaften und das Kapitaleinlageprinzip bei der Dividendenzahlung wird eingeschränkt. Auf der anderen Seite zahlen alle anderen Unternehmen weniger Steuern. Der positive Nettoeffekt sind geschätzte 2 Mrd. CHF, die der AHV zufliessen sollen.

Fazit

Auch die SNB ist trotz ihrer hervorragenden Arbeit nicht sakrosankt und kann durchaus kritisiert werden. Die aktuelle Kampagne durch Protagonisten von SGB, SP und SVP argumentiert jedoch falsch und in scheinbarer Unkenntnis des Primats der Geldpolitik, das die SNB-Politik bestimmt. Ohne das unkonventionelle und effektive Währungsmanagement der SNB könnte der Franken aufgrund des langfristigen Kapitalzustroms sehr viel stärker sein, und dadurch die Industrie zur Abwanderung zwingen, Arbeitsplätze vernichten und das Steueraufkommen reduzieren. Der Wohlstand wäre gefährdet und eine hartnäckige Deflation und Depression wäre die Konsequenz. Die Unabhängigkeit der SNB sollte daher gewahrt bleiben.

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