Peter Schnürer, CEO daura: «Digitale Vermögenswerte sind jetzt keine Spinnerei mehr von Nerds»

Schrittweise Einführung der DLT-Vorlage per 1. Februar 2021 ermöglicht die Ausgabe von Registerwertrechten.

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In der Schweiz ist in den letzten Jahren ein wachsendes Fintech- und Blockchain-Ökosystem entstanden. Der zunehmende Einsatz der Distributed Ledger Technologie (DLT) in der Finanzbranche erfordert eine punktuelle Anpassung der bestehenden Gesetze. Der Gesetzgeber erhöht mit dem im September 2020 vom Parlament verabschiedeten Bundesgesetz, der sogenannten DLT-Vorlage, die Rechtssicherheit. Per 1. Februar 2021 werden diejenigen Elemente der DLT-Vorlage in Kraft gesetzt, welche die Ausgabe von Registerwertrechten ermöglichen. Das vollständige Mantelgesetz tritt voraussichtlich per 1. August 2021 in Kraft.

Peter Schnürer, CEO der daura, zeigt im Interview mit schweizeraktien.net die Auswirkungen der DLT-Vorlage auf und erklärt die Unterschiede von Registerwertrechten zu den bereits bestehenden Bucheffekten oder einfachen Wertrechten.

Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Elemente der DLT-Vorlage, die im September 2020 vom Parlament verabschiedet wurde?

Die DLT-Vorlage bringt vor allem drei wesentliche Anpassungen mit sich. Erstens schafft sie mit dem Registerwertrecht einen neuen Wertpapiertyp, also eine Art digitale Aktie. Zweitens gilt neu im Schuldbetreibung- und Konkursgesetz eine Aussonderung dieser Registerwertrechte im Fall eines Konkurses. Drittens wird eine Bewilligungspflicht für DLT-Handelssysteme geschaffen.

Welche Teile der DLT-Vorlage werden per 1. Februar 2021 in Kraft gesetzt?

Am 1. Februar 2021 werden die Gesetze angepasst, welche die Einführung von Registerwertrechten ermöglichen. Die übrigen Elemente der DLT-Vorlage treten voraussichtlich per 1. August 2021 in Kraft.

Welche Auswirkungen hat dies für daura?

Für daura und dessen Ökosystem ist die Einführung der Registerwertrechte das bedeutendste Element der DLT-Vorlage. Dies ermöglicht es Unternehmen, auf der Plattform von daura Registerwertrechte zu emittieren. Bisher war es nur möglich, einfache Wertrechte herauszugeben.

Was ist der genaue Unterschied von Registerwertrechten und einfachen Wertrechten?

Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich bei einfachen Wertrechten um Aktien, welche in Form von Wertrechten ausgegeben wurden, aber das Aktienbuch zentral in Papierform oder in Excel geführt wird. Bei Registerwertrechten wird das Aktienbuch dezentral in der Blockchain geführt.

Weshalb braucht es die Einführung von Registerwertrechten, wenn bereits vor Einführung der DLT-Vorlage einfache Wertrechte auf der Plattform von daura herausgegeben werden konnten?

Registerwertrechte ermöglichen es auf der zugrundeliegenden Plattform, Aktien «Peer-to-Peer» zu übertragen. Bis anhin war dies nur mittels Zession möglich. Neu können die Aktionäre ihre Aktien ohne Schriftformerfordernisse über die DLT-Plattform von daura übertragen. Durch die automatische Führung des Aktienbuches ist dieses stets aktuell und korrekt. Somit wird die Handhabung sowohl für den Aktionär als auch für den Emittenten massgeblich erleichtert.

Worin besteht genau der Unterschied zwischen Registerwertrechten und den heute bereits bekannten Bucheffekten?

Bucheffekten sind auch Wertrechte, welche jedoch unter Einbezug eines Intermediär herausgegeben werden. Dabei werden die Wertpapiere bei einer Bank oder der zentralen Verwahrstelle SIX SIS eingelagert. Dies ermöglicht es dem Emittenten, Wertrechte in Form von Bucheffekten herauszugeben. Das Wertrecht kann übertragen werden, ohne dass das eigentliche Wertpapier physisch bewegt werden muss. Jede Übertragung der Bucheffekte muss mit der Verwahrstelle synchronisiert werden und im Wertrechtebuch nachgeführt werden. Dieses System funktioniert soweit gut in Bezug auf Rechtssicherheit und Aktualität des Wertrechtebuchs. Allerdings verliert dieses System durch den Einbezug von Intermediären an Flexibilität. Zudem wollen die Intermediäre für die Erbringung ihrer Dienstleistung entschädigt werden. Im Gegensatz dazu ermöglichen die Registerwertrechte auf Basis der Distributed Ledger Technologie die Nutzung einer sicheren und zuverlässigen Plattform mit einer gleichzeitig hohen Flexibilität bei tiefen Kosten.

Für welche Unternehmen eignen sich Registerwertrechte?

Um diese Frage zu beantworten, hilft es, sich die Evolutionskette anzuschauen. Zuerst wurden Aktien gedruckt, später Bucheffekten eingeführt und nun Registerwertrechte. Gerne vergleiche ich dies mit der Entwicklung vom Brief zum Fax zur E-Mail. Der Briefverkehr war, als es nichts anderes gab, sicher eine tolle Sache, aber von der Handhabung und der zeitlichen Verzögerung her umständlich. Die Erfindung des Fax machte die Nachrichtenübermittlung schon einiges einfacher. Es wurde jedoch ein spezifisches Gerät benötigt, und die Übermittlung war mit Kosten verbunden. Danach kam die E-Mail, welche es ermöglichte, von jedem Gerät mit Internetzugang Nachrichten zu versenden – von überall in der Welt an jede Person. So ist es nun auch für viele Unternehmen attraktiv, Wertschriften herauszugeben und als Registerwertrechte zu führen, da die Handhabung sehr einfach ist, die Kosten sinken und auch kein Finanzintermediär mehr benötigt wird.

Wo überall können diese nun eingesetzt werden?

Hier sehe ich viele Anwendungsmöglichkeiten für Registerwertrechte. Ein Unternehmen kann beispielsweise eine Milliarde Partizipationsscheine mit einem Nennwert von einem Rappen emittieren und so seine Partner intensivieren. Dies ist nun unkompliziert möglich, da die Anzahl ausgegebener Aktien als Registerwertrechte nur noch eine untergeordnete Rolle aufgrund des Technologieeinsatzes der DLT spielt, ähnlich wie dies bei der E-Mail der Fall war. Daraus lässt sich auch ableiten, für welche Unternehmen Registerwertrechte sinnvoll sind: Für alle Unternehmen, welche ihr Aktionariat vergrössern möchten, ist es klug, Registerwertrechte auszugeben, da diese ähnlich wie bei der E-Mail problemlos übertragen werden können, ohne dass ein komplexes Finanzsystem benötigt wird. Dadurch wird es ein leichtes, ein breites Publikum anzusprechen.

Öffnet dies nicht Tür und Tor für Betrug?

Bloss, weil es ein neues Medium ist, bedeutet dies nicht, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht mehr gelten. Diese bestehen weiterhin. Es wird natürlich einfacher, Aktien auszugeben, aber wie bei jeder Investition braucht es von Anlegerseite her ein Verständnis des Geschäftsmodells des Emittenten und eine seriöse Prüfung, in was genau investiert wird.

Welche Systemteilnehmer führen zum kryptografischen Konsensmechanismus bei der Aktienregisterführung von daura?

Grundsätzlich gibt es bei DLT-Plattformen zwei Philosophien. Zum einen sind dies die Public Blockchains wie Ethereum oder Tezos und zum anderen Private Permissioned Blockchains. Mit der Swiss Trust Chain hat sich daura für eine Private Permissioned Blockchain entschieden. Somit wird diese nicht auf irgendwelchen Servern auf der Welt betrieben, sondern die Netzwerkknoten, die sogenannten Nodes, werden von der Schweizerischen Post und Swisscom bereitgestellt.

Weshalb hat sich daura für eine Private Permissioned Blockchain entschieden?

Hierfür gibt es zwei Hauptgründe. Zum einen ist dies die Privatsphäre. Aktionärsdaten sollen nicht überall auf der Welt einsehbar sein, sondern nur für die Berechtigten. Zum anderen liegt der Grund in der Weiterentwicklung des Systems. Wer entscheidet, welche Releases auf die Blockchain-Plattform kommen sollen? Da es sich um sensible Daten handelt, muss die Weiterentwicklung besonders gut abgestimmt werden können, was mit der Swiss Trust Chain der Fall ist. Ich bin mit dieser Entscheidung weiterhin sehr glücklich.

Wer kann das Aktienregister bei der Lösung von daura einsehen?

Auf das gesamte Aktienbuch kann nur der Emittent zugreifen. Die Aktionäre sehen jeweils nur ihren Aktienbuch-Ausschnitt.

Was passiert, wenn der Zugriff auf das Wertrechtregister technisch nicht möglich ist? Und was geschieht bei einem Konkurs des Anbieters?

Grundsätzlich verlangt der Gesetzgeber, dass der Zugriff auf das Register unabhängig vom Anbieter sichergestellt wird. Bei einer Public Blockchain ist dies einfacher zu handhaben. Solange diese läuft, kann jeder darauf schauen und notfalls einen Node selbst herunterladen. Bei einer Private Permission Chain, wie dies bei der Swiss Trust Chain der Fall ist, müssen spezielle Mechanismen implementiert werden. Sollte daura aus irgendeinem Grund eines Tages nicht mehr weiterbestehen, gibt es immer noch die Swiss Trust Chain, wo das Wertrechtregister gespeichert ist. Solange die Schweizerische Post und Swisscom weiterbestehen, wird der Zugriff auch ohne daura möglich sein.

Gibt es Elemente, welche in der DLT-Vorlage noch nicht geklärt wurden?

Ich denke, es gibt einige Themen, die sich erst in der Praxis zeigen werden. Beispielsweise äussert sich der Gesetzgeber bei bestehenden Unternehmen zur Umstiegsphase von gedruckten Zertifikaten zu Registerwertrechten nur teilweise.

Welche Auswirkungen hat die DLT-Vorlage auf den Blockchain-Standort Schweiz?

Es darf nicht unterschätzt werden, welche Signalwirkung von dieser Gesetzgebung ausgeht. Der Gesetzgeber zeigt, dass er digitale Vermögenswerte auf Basis der Distributed Ledger Technologie als keine Spinnerei von irgendwelchen Nerds, sondern als innovative Zukunftslösung ansieht.

Ist es sinnvoll, das Registerwertrecht gleichzeitig bei einer Verwahrungsstelle als traditionelle Bucheffekte registrieren zu lassen?

Dies ist sinnvoll, wenn der Emittent seinen Aktionären auch die Möglichkeite anbieten will, ihre Registerwertrechte ins Depot einer Bank einzubuchen. Ich denke, zurzeit will nicht jeder Investor sein eigenes Wallet verwahren. Diesen dualen Weg sehe ich aber eher als Übergangslösung, um ins neue System zu kommen. Längerfristig, mit der Möglichkeit, Token auch ins Wallet von Banken einbuchen zu können und der Verbreitung von DLT-Handelssystemen, entfällt die Notwendigkeit, eine Bucheffekte auf Basis eines Registerwertrechts zu schaffen.

Bedeutet dies langfristig das Aus für Bucheffekten, wenn sich diese Technologie durchsetzt?

Wenn der Prozess irgendeinmal durchgängig auf Registerwertrechten auf der Distributed Ledger Technologie basiert, also von Register, Verwahrung bis hin zu Sekundärmärkten, wird es vermutlich keine Bucheffekten, wie wir sie heute kennen, mehr geben. Soweit sind wir heute aber noch nicht. Dies ist sicherlich eine Transformationsphase. Deshalb ist die Möglichkeit, ein Registerwertrecht als Bucheffekte zu verwahren, zurzeit eine sehr elegante Art und Weise, Aktien, welche als Registerwertrechte emittiert werden, ins aktuelle Bankensystem zu bringen.

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