Jungfraubahn: Deutlicher Rückgang der Gäste um 66%

Deutliche Kurserholung nach den Tiefstständen in 2020. Keine Dividendenzahlung

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Das war zu erwarten: Die Jungfraubahn-Gruppe schreibt 2020 erstmals in der Geschichte des Unternehmens mit 9.7 Mio. CHF einen Verlust. In der sorgenfreien Vor-Pandemie-Zeit hatte der Gewinn 2019 noch bei 55.3 Mio. CHF gelegen.

363‘000 Besucher wollten im letzten Jahr aufs Jungfraujoch, 2019 waren es noch knapp über eine Million.  Damit ging das Besucheraufkommen um 65,6% zurück; man muss bis in die 1980er Jahre zurückblättern, um auf solche Zahlen zu stossen.

Benchmark Jungfraujoch-Besucher und Logiernächteentwicklung Schweiz indexiert. Quelle: jungfrau.ch

Zwei Faktoren waren für den Rückgang verantwortlich: Einerseits blieben die Anlagen an 83 Tagen corona-bedingt geschlossen, andererseits brachen der Bergbahn die vorwiegend aus Asien anreisenden internationalen Touristen praktisch vollkommen weg.  Immerhin konnte im Markt Schweiz beim Jungfraujoch ein Wachstum von über 200% erzielt werden. Aber das reicht bei Weitem nicht aus, um die Verluste im internationalen Geschäft zu kompensieren.

In normalen Jahren 90% ausländische Gäste

In normalen Jahren sind über 90% auf dem Jungfraujoch internationale Gäste, davon 70% aus verschiedenen asiatischen Ländern. Auf den Erlebnisbergen First, Harder und Winteregg/Mürren verzeichnet das Unternehmen traditionell stärker ein inländisches Publikum, wobei diese Berge und Bahnen ebenfalls vom Cross-Marketing mit dem Jungfraujoch profitieren und 2019 auch mehr internationale Gäste begrüssen konnten. Genaue Zahlen zur Verteilung von Schweizern vs. Ausländern gibt die Jungfraubahn nicht bekannt.

Zum unterschiedlichen Buchungsverhalten der Ausländer und Schweizer äussert sich auf Nachfrage Kathrin Nägeli, Leiterin Corporate Communications: „Schweizerinnen und Schweizer entscheiden kurzfristiger über einen Besuch. Ausschlaggebend sind meist die Wetterprognosen. Dieses Phänomen, das wir bereits aus den Wintersaisons kannten, hat sich auch letzten Sommer und Herbst bestätigt“. Deshalb sei der Betrieb erstmals in der Geschichte der Jungfraubahnen ebenfalls kurzfristig und nach den Wetterprognosen ausgerichtet und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch das Rollmaterial entsprechend jeweils zwei Tage im Voraus eingeplant worden, so Nägeli.

Dass sich die Jungfraubahnen in Zukunft auf die geänderten Buchungsfristen umstellen müssen, sieht Nägeli nicht: „Wir haben bereits seit mehreren Jahren ein Sitzplatzreservationssystem für die Besucherinnen und Besucher des Jungfraujochs – Top of Europe. Somit können individuell reisende Gäste – gleich ob aus der Schweiz oder aus dem Ausland – ihre Reservationen direkt vornehmen.“

Positive Auswirkung des Lockdowns

Im Vorwort zum Geschäftsbericht machen Verwaltungsratspräsident Thomas Bieger und Urs Kessler, Vorsitzender der Geschäftsleitung, Parallelen von heute zur Ursprungszeit der Jungfraubahn aus. Denn kurz nach dem Bau der Jungfraubahn 1912 war der Erste Weltkrieg ausgebrochen, und die damit einhergehende Wirtschaftskrise hätte wohl den Bau verunmöglicht, hätte man geahnt, was da auf einen zukommt.

2020 war es die Realisierung des Generationenprojekts V-Bahn, die erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Das gesamte Projekt vom Baustart bis zur offiziellen Eröffnung im Dezember 2020 in nur 908 Tagen fertigzustellen, sei eine Meisterleistung aller Beteiligten, schreiben die Verantwortlichen der Jungfraubahn. „Hier zeigte der Lockdown im Frühjahr eine positive Wirkung, denn unter diesen Umständen konnte mit Blick auf den Zeitplan Boden gutgemacht und die Eröffnung letztlich sogar um eine Woche vorgezogen werden.“

Pandemie beschleunigt Nachfragetrends

Hinter der Idee der V-Bahn stehe die Überzeugung, dass Stillstand und ein Ausruhen auf Lorbeeren im internationalen Wettbewerb keine Option seien. Die Corona-Pandemie stelle die Jungfraubahnen vor neue Herausforderungen, doch gerade die V-Bahn mache die Jungfraubahn-Gruppe an vorderster Front in hohem Masse konkurrenzfähig und bilde damit eine wichtige Grundlage, mit deren Hilfe auch die gegenwärtige Krise überwunden werden könne. „Die Pandemie beschleunigt wichtige Nachfragetrends wie eine kurzfristige Buchung, den Wunsch nach schnellen Reisen und vor allem Raum. Den Gästen wird mit der V-Bahn mehr Platz, eine angenehmere Besucherführung und insgesamt ein qualitativ besseres Reiseerlebnis geboten“, so Bieger und Kessler im Vorwort zum Geschäftsbericht.

Zunächst im Hier und Jetzt muss aber noch der aktuelle Gästerückgang verdaut werden, der zu einem deutlich gesunkenen Betriebsertrag von 126 Mio. CHF (im Vorjahr 223 Mio. CHF) führt. Gleichzeitig sind die Betriebsaufwendungen um 14% deutlich auf 103 Mio. CHF zurückgegangen. Das Management führt das auf die rasche Lancierung von Sparmassnahmen und die Nutzung des Instruments der Kurzarbeit zurück. Das Unternehmen erhielt 2020 6 Mio. CHF an Kurzarbeitsentschädigungen, womit der Personalaufwand von 62 Mio. CHF (2019) auf 57 Mio. CHF gesenkt werden konnte.

Unter dem Strich weist die Jungfraubahn ein positives EBITDA von 22 Mio. CHF aus, nach 123 Mio. in 2019. Die Abschreibungen, mit 33 Mio. CHF in ähnlichem Umfang wie 2019, sind nicht zuletzt auf die Investitionen in die V-Bahn zurückzuführen und führen zu einem negativen EBIT von -11 Mio. CHF, nach +68 Mio. in 2019.

Ausblick

Eine hohe Qualität der Dienstleistungen, Treue in der Beziehung zu den Tour Operators und den Agenturen sowie die konsequente Pflege und Stärkung der Marke seien äusserst wichtig, um rasch in einen von einer Krise betroffenen Markt zurückkehren zu können, schreibt die Jungfraubahn im Geschäftsbericht.

„Wir sind regelmässig in Kontakt mit unseren Vertreterinnen und Vertretern in Asien. Die Leute sind erpicht darauf, so bald als möglich wieder zu reisen. Dazu braucht es aber eine grosse Durchimpfung der Bevölkerung, sowohl in der Schweiz und in Europa als auch im Rest der Welt. Das wird der Game Changer sein, dann können auch die Fluggesellschaften ihren Betrieb wieder hochfahren“, präzisiert Kathrin Nägeli auf Anfrage von schweizeraktien.net.

Für Vontobel Research liegt der Reinverlust mit 9 Mio. CHF etwas höher als erwartet, der Ausblick für das Geschäftsjahr 2021 ist verhalten. Mit Lockerungen und damit einer Rückkehr der internationalen Besucher sei 2021 noch nicht zu rechnen. Der Turnaround komme dank der V-Bahn aber 2022, so die Analysten.

Fazit

Die Jungfraubahn gilt neben der Titlisbahn als Pionierin auf den fernöstlichen Märkten. Diese Ausrichtung birgt aber auch ein Risiko, das sich jetzt mit der Pandemie manifestiert hat. Die Schweizer Touristen können die Ausfälle des internationalen Tourismus zwar etwas abmindern, aber nicht kompensieren.

Mit dem hohen Eigenfinanzierungsgrad von 72.9% will man sich vor der Volatilität der Tourismusbranche schützen. Die Finanzierung der Grossinvestitionen in die V-Bahn wurde so ausgestaltet und geplant, dass das verzinsliche Fremdkapital mit 45 Mio. CHF möglichst klein gehalten wird.

Kursentwicklung der Jungfraubahn-Aktie in den letzten zwei Jahren. Quelle: six-group.com

Die Region, die die Jungfraubahn bedient, ist und bleibt eine der führenden europäischen Touristendestinationen. Mit dem Ende der Pandemie dürften auch die internationalen Besucher wieder auf das Jungfraujoch strömen. Die Anleger teilen die Hoffnung des Unternehmens auf eine Normalisierung 2022. Die auf SIX kotierte Aktie hat sich von Tiefstständen um 100 CHF im März und November 2020 verabschiedet und notiert zurzeit bei 146 CHF. Damit ist sie dem Alltime-High von knapp 180 CHF näher als den Corona-bedingten Tiefstständen in 2020. Das Unternehmen zahlt für 2020 keine Dividende.

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