Jungfraubahn: Zahlreiche strategische Projekte warten auf eine erfolgreiche Umsetzung

Zweitbestes Ergebnis in 2024 ermöglicht Dividendenerhöhung auf 7.50 CHF

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«You never get a second chance to make a first impression», sagt der CEO der Jungfraubahn, Urs Kessler. Daher soll das Berghaus auf dem Jungfraujoch in den kommenden Jahren umgestaltet werden. Bild: jungfrau.ch

«Servir et disparaître.» Das ist das Motto, mit dem der noch amtierende CEO der Jungfraubahnen Holding, Urs Kessler, im Juni das Berner Oberländer Tourismusunternehmen nach 17 Jahren an der Spitze verlassen wird. Zum Abschluss präsentierte er mit einem Gewinn von 76.5 Mio. CHF nicht nur das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte und hinterlässt seinem Nachfolger Oliver Hammel damit eine hohe Messlatte. Kessler hat auch zahlreiche strategische Projekte aufgegleist, die sein Nachfolger nun erfolgreich zu Ende führen muss. Ob dies gelingt, davon hängt auch teilweise der künftige Erfolg des Unternehmens ab. Kessler jedenfalls, will man seinen Worten Glauben schenken, wird «dienen und dann abtreten». Er steht für die Jungfraubahn ab Juni nicht mehr zur Verfügung. Stattdessen wird er sich wohl um die Zukunft des Kursaal Interlaken kümmern, dessen designierter Präsident er ist.

Die Erfolgsfaktoren der Jungfraubahn

Seine letzte Medienkonferenz nutzte der scheidende CEO noch einmal, um die Faktoren aufzuzeigen, die zum Erfolg der Gruppe während der letzten 15 Jahre beigetragen haben: die frühzeitige Internationalisierung und der Aufbau eines Vertreternetzes, die «glasklare» Positionierung des Jungfraujoch als «Top of Europe», die Integration der «Erlebnisberge» Harder, First, Winteregg-Mürren und Schynige Platte in das Angebot der Gruppe und natürlich den Bau der V-Bahn. Deren Vollendung fiel mitten in die Corona-Pandemie. Diese Punkte trugen auch im Geschäftsjahr 2024 zum Erfolg der Jungfraubahnen bei. «Alle Experten haben gesagt, dass das Gruppenreisegeschäft nach der Pandemie nicht mehr im gleichen Ausmass zurückkommen wird», erinnerte sich Kessler an der Bilanzmedienorientierung.

Rekordumsatz zum Abschied

Doch das Jahr 2024 belehrte die Experten eines Besserns. Die Anzahl der Gruppenreisenden lag nur noch 6% unter dem Rekordjahr 2019, die Frequenzen auf dem Aushängeschild «Jungfraujoch» mit 1’058’600 sogar wieder auf Vorkrisenniveau. Der Umsatz mit der Bahn zum Joch erreichte den Wert von 136.7 Mio. CHF (+0,2%). Auch das Segment Erlebnisberge steigerte den Umsatz um 25,3% auf 46,4 Mio. CHF, im Wintersportgeschäft erhöhte sich der Umsatz leicht um 0,5% auf 30.1 Mio. CHF. Insgesamt stieg der Nettoumsatz um 6,0% auf 294.7 Mio. CHF.

Kessler könnte also zufrieden sein und mit einem Rekordumsatz abtreten. Doch zwei Dinge störten ihn, sodass er nur von einem «zufriedenstellenden Ergebnis» spricht: der tiefere Durchschnittsertrag beim Segment Jungfraujoch, der wegen der Nutzung touristischer Pässe wie der Swiss Half Fare Card um 5.90 CHF auf 132.20 zurückgegangen ist. Und vor allem die deutlich höheren Kosten.

56 Vollzeitstellen neu geschaffen

Der Betriebsaufwand legte um 15,6% auf 160.4 Mio. CHF zu. Neben dem höheren Warenaufwand waren es vor allem gestiegene Personalkosten, was auf 56 neu geschaffene Vollzeitstellen zurückzuführen ist. Um zwei Drittel höher ausgefallen sind auch die Energiekosten. Ebenso legte der sonstige Betriebsaufwand u.a. wegen Nachholdbedarf im Unterhalt und steigenden IT-Kosten zu, sodass bereits das Betriebsergebnis auf Stufe EBITDA um 3,6% auf 134.4 Mio. CHF zurückging. Trotz leicht tieferer Abschreibungen und eines besseren Finanzergebnisses lag der Jahresgewinn nur bei 76.5 Mio. CHF (-4,0%).

Gästezahlen auf dem Jungfraujoch 2025 höher erwartet

Auch wenn Urs Kessler das laufende Geschäftsjahr 2025 nicht mehr als CEO beenden wird, so zeigte er sich angesichts der Entwicklung in den ersten Monaten sehr zuversichtlich. Bis Ende März verzeichnete die Jungfraubahn im Wintersport rund 3,7% mehr Gäste. «Das ambitiöse Ziel von mittelfristig 1.4 Mio. Gästeeintritten und 50 Mio. CHF Umsatz ist machbar», so Kessler. Dabei helfen soll auch der neu lancierte AlpsPass, der das bisherige Top4 Skiabo in der kommenden Wintersaison ersetzen soll. Auch beim Jungfraujoch lagen die Gästezahlen bis Ende März um 4,4% über dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Die Nachfrage aus dem Raum Asia-Pacific bleibe weiterhin hoch, die Gruppenreservationen würden bisher sogar über dem Rekordjahr 2019 liegen.

Firstbahn und vier weitere Projekte

Somit scheint der CEO zumindest für den Rest des Jahres operativ die Weichen schon richtig gestellt zu haben. Hinzu kommen die fünf strategischen Projekte: die neue digitale Vertriebsplattform «Top of Travel», die Erneuerung der Firstbahn, die Sanierung des Berghauses auf dem Jungfraujoch, das Erlebnisangebot «Top of Eiger» an der Eigernordwand, das Hotel Interlaken Ost mit rund 200 Zimmern und direktem Zugang zum Bahnhof sowie die BOB, die als erste «S-Bahn der Alpen» im 15-Minuten-Takt von Interlaken Ost nach Grindelwald und Lauterbrunnen fahren soll. «Das Potenzial der V-Bahn ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft», so Kessler. 2024 wurde nur an 15 Tagen die Obergrenze von 5’000 Besuchern auf dem Jungfraujoch erreicht. Vom 1. Mai bis 31. August ist ab diesem Jahr die Fahrt aufs Jungfraujoch nur mit Sitzplatzreservation möglich.

In Bezug auf die weiteren Projekte macht sich Kessler keine Sorgen, dass diese nicht umgesetzt werden können, wenn er nicht mehr das Ruder in der Hand hält. Die Projekte seien gut aufgegleist, die jeweiligen Projektleiter hätten diese gut im Griff. Von daher kann der CEO der Jungfraubahnen nach der Generalversammlung am 12. Mai beruhigt abtreten. Auch die Aktionäre dürfen sich freuen: Obwohl es nur das «zweitbeste» Ergebnis der Bahn ist und weitere Investitionen in der Höhe von mehreren hundert Millionen Franken anstehen, wird eine höhere Dividende von 7.50 CHF beantragt.

Fazit

Urs Kessler übergibt im Sommer 2025 ein sehr gut aufgestelltes Unternehmen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn der neue CEO Oliver Hammel ein Augenmerk auf die Kostenentwicklung haben sollte. Allerdings dürfte die Steigerung der Energiepreise künftig nicht mehr so stark ausfallen, da einerseits die Marktpreise zurückgegangen sind und die Jungfraubahn nach Aussagen des Finanzchefs gestaffelt eingekauft hat. Anderseits sollte die geplante Solaranlage Hintisberg schon in wenigen Jahren den Anteil der Eigenproduktion gerade im Winter erhöhen.

Am Schluss wird sich der neue CEO daran messen lassen müssen, ob er die angestossenen Projekte zum Erfolg führen kann. Und ob es ihm gelingt, die ambitiösen Steigerungen bei den Gästezahlen zu erreichen. Das Wintergeschäft, das bisher schon nicht gerade eine Cashcow war, könnte angesichts des Klimawandels noch herausfordernder werden. Im internationalen Reisegeschäft bleiben es vor allem die geopolitische Lage und weitere Risiken, wie eine Pandemie, welche die Reisetätigkeit wieder einschränken könnten.

Die Aktien der Jungfraubahn Holding notiert immer noch unter den Höchstständen von 2024. Chart: six-group.com

An den finanziellen Zielsetzungen der Jungfraubahn Gruppe hat sich nicht viel geändert: Die Umsatzrendite (Return on Sales) soll mindestens 20% betragen, die EBITDA-Marge 43%. Zudem will das Unternehmen zwischen 2024 und 2028 einen Free-Cashflow von mindestens 200 Mio. CHF erarbeiten. Sämtliche Ziele wurden 2024 übertroffen; auch mit 83 Mio. CHF Free Cashflow in 2024 ist das Unternehmen auf der Zielgeraden. Die Payout Ratio wurde auf 40-60% des Reingewinns festgelegt. Mit einer Eigenkapitalquote von 76,0% ist die Jungfraubahn Gruppe auch für die anstehenden Investitionen gut gerüstet.

Die Aktien der Jungfraubahn Holding wurden zuletzt, nach einem kurzen Einbruch aufgrund des US-Zollschocks, bei 191.60 CHF gehandelt. Auf dieser Basis ergibt sich ein Kurs-/Gewinn-Verhältnis von 14 und eine Dividendenrendite von knapp 4%. Damit sind die Aktien nicht zu teuer. Angesichts des guten Starts in das laufende Geschäftsjahr können für 2025 nochmals bessere Zahlen erwartet werden. Daher ist mittelfristig weiter mit steigenden Ausschüttungen und höheren Kursen zu rechnen.

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