Stefan Schulthess, CEO SGV Holding: «Von der Traufe in den Regen»

Das Schifffahrtsunternehmen schreibt im zweiten Jahr in Folge Verluste

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«Es geht wieder aufwärts», so macht VR-Präsident Hans-Rudolf Schurter im Geschäftsbericht den Aktionärinnen und Aktionären, den Kunden und den Geschäftspartnern Mut nach zwei von der Pandemie geprägten Jahren, die für die Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee AG (SGV) mehrheitlich zwei Jahre zum Vergessen waren.

Zwar konnte der Verlust in 2021 etwas reduziert werden, auch dank Härtefallgeldern, aber unter dem Strich können die Verantwortlichen mit dem operativen Ergebnis EBIT mit -5.5 Mio. CHF nicht zufrieden sein.

Im Gespräch mit schweizeraktien.net nimmt CEO Stefan Schulthess Stellung zum Geschäftsgang im vergangenen Jahr, freut sich über die überraschend hohe Frequenz von Überseetouristen und setzt ein Zitat von Aristoteles als Handlungsmaxime.

Stefan Schulthess, CEO der Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee, blickt vorsichtig zuversichtlich in die Zukunft. Bild: Linda Pollari

Herr Schulthess, 2021 sei kein annus horribilis gewesen, schreiben Sie im Geschäftsbericht. Dennoch bebildern Sie den Geschäftsbericht des vergangenen Jahres mit einem See in strömendem Regen. Ihr VR-Präsident spricht von einem unerfreulichen Jahr. Könnte man sagen, Sie sind von der Traufe, dem annus horribilis 2020, in den Regen gekommen?

(Lacht) Wortspiele gefallen mir eigentlich, obwohl die Gefahr besteht, dass damit auch Missverständnisse auftreten könnten. Der Ausdruck «annus horribilis» führt meines Wissens auf die englische Königin zurück, welche diesen im Zusammenhang mit dem Feuer in Windsor Castle 1992 verwendet hatte. Diesen Ausdruck hat der Journalist für das Interview mit mir als Metapher für ein unseres Erachtens den Umständen entsprechend gar nicht so schlechtes Jahresergebnis 2021 verwendet. Die von Ihnen angesprochene Umkehr «von der Traufe in den Regen» gefällt mir gut. Im zweiten Pandemiejahr 2021 folgte tatsächlich ein kleineres Übel auf das grosse Übel des Jahres 2020. Und das regnerische Titelbild auf unserem Geschäftsbericht illustriert dies bestens.

Titelbild des SGV-Geschäftsberichts 2021.

Im Frühjahr 2021 hatten Sie einen Liquiditätsengpass zu vergegenwärtigen, den Sie mit einem Bankkredit abwehren konnten. Wie nervös waren Sie da, es muss ja der schlimmste Moment in Ihrer Historie bei der SGV gewesen sein?

Wir waren nicht nervös, da es in der fernen Vergangenheit immer wieder vorgekommen war, dass wir im Frühling für eine kurze Zeit einen Bankkredit benötigt hatten.

Dank Härtefallgeldern für die Tavolago von CHF 2.6 Mio. konnten Sie den Verlust 2021 im Gesamtunternehmen auf CHF 1.6 Mio. verringern. Allerdings müssen Sie beim operativen Erfolg EBIT einen weiteren herben Dämpfer von CHF -5.5 Mio. verbuchen. Welche Schwierigkeiten waren dafür ursächlich?

Hauptsächlich die gleichen Ursachen wie im ersten Pandemiejahr 2020, als sich das konsolidierte EBIT auf CHF -12 Mio. belief. Im Gegensatz zum Geschäftsjahr 2020 waren im letzten Jahr die Gastronomiebetriebe während fünf Monaten zu Land und auf dem Wasser behördlich geschlossen und zu einem späteren Zeitpunkt nur mit einem Covid-Zertifikat benützbar.

VR-Präsident Schurter schreibt im Geschäftsbericht, dass infolge der ungenügenden Erträge die Investitionskraft der SGV in den kommenden Jahren eingeschränkt sei. Was bedeutet das konkret?

Es gibt nicht einzelne grosse Investitionsprojekte, die nicht oder verzögert umgesetzt werden können. Aber die Liste der vielen kleinen und grösseren Wünsche – egal ob SGV AG oder Tavolago AG – war auch schon kürzer. Am Prinzip der hohen Eigenfinanzierung für neue Projekte bzw. Investitionen halten wir jedoch fest. Die Krise hat exemplarisch gezeigt, dass dieser Weg nicht ganz falsch war und die Gefahr einer Überschuldung dadurch geringer sowie die Unabhängigkeit von Banken und der eigene Handlungsspielraum grösser waren.

Zwei Ihrer drei Geschäftsbereiche, die Schifffahrt und die Gastronomie, litten im vergangenen Jahr einerseits unter Pandemie-Einschränkungen, anderseits unter dem Wegbleiben der internationalen Touristenströme. Einen Teil der daraus entstandenen Verluste konnten Sie mit Schweizer Touristen ausgleichen. Wie sieht das in diesem Jahr aus, wo die Schweizer wieder vermehrt ins Ausland reisen wollen und gleichzeitig der Überseetourismus noch nicht wirklich in die Gänge gekommen ist?

Wir sind aktuell positiv überrascht, sowohl vom Anteil ausländischer Gäste (v.a. aus Amerika, Indien, Südkorea und Europa – einzig die chinesischen Gäste fehlen) als auch von der inländischen Nachfrage. Inwieweit auch das bisher freundliche Wetter bei den Schweizer Gästen zu einer höheren Nachfrage geführt hat, können wir nicht abschliessend beziffern. Einen positiven Beitrag für die Nachfrage hat das warme und sonnige Frühlingswetter sicher geleistet.

Sie seien froh, dass der Verwaltungsrat vor 10 Jahren entschieden habe, nicht nur auf den Tourismus, sondern auch auf den industriellen Schiffbau zu setzen, schreiben Sie im Geschäftsbericht. Tatsächlich hatte die Shiptec im letzten Jahr die grössten Umsatzzuwächse zu verzeichnen. Wie sieht die Auftragslage gegenwärtig aus?

Der Grossauftrag für zwei neue Kursschiffe im Umfang von knapp CHF 60 Mio. für die Compagnie générale de navigation sur le Lac Léman (CGN) dauert noch bis Anfang Jahr 2024. Die Shiptec AG hat also volle Auftragsbücher und dürfte zusätzlich vom Trend nach klimafreundlichen Schiffsantrieben profitieren.

Wie wollen Sie mit der Shiptec weiterwachsen, wenn Ihre Investitionskraft eingeschränkt ist?

Glücklicherweise ist das Businessmodell der Shiptec AG nicht übermässig investitionslastig. Zudem müssen die drei Tochtergesellschaften SGV AG, Tavolago AG und Shiptec AG vom Grundsatz her ihre Investitionen selbst finanzieren. Diesbezüglich hat die Shiptec AG momentan glücklicherweise ja keine Probleme.

Ihre Eigenkapitalquote ist im vergangenen Jahr deutlich auf 24.4% gesunken. Gibt es Überlegungen, dem mit einer Kapitalerhöhung entgegenzuwirken? Oder wollen Sie den Aktionären, die wegen der Annahme der Härtefallgelder in den nächsten Jahren keine Dividende erhalten, weitere Belastungen ersparen?

Wir erachten eine Kapitalerhöhung aktuell als nicht nötig, dementsprechend ist auch keine Kapitalerhöhung geplant. Die Eigenkapitalquote der konsolidierten Bilanz ist im 2021 auch deshalb deutlich gesunken, weil die Bilanzsumme infolge des laufenden Grossprojektes der Shiptec AG temporär gestiegen ist.

Welches sind Ihre Hoffnungen, welches Ihre Befürchtungen für das laufende Geschäftsjahr?

Dass wir in einem Jahr nicht wieder über Redewendungen wie in Frage 1 philosophieren (lacht).

Gibt es in diesen Zeiten ein Motto, mit dem Sie sich selbst, aber auch Ihre Mitarbeitenden motivieren?

Kein Motto, aber das von uns im Geschäftsbericht 2021 verwendete über 2000-jährige Zitat von Aristoteles: «Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen».

Herr Schulthess, herzlichen Dank für dieses Gespräch. 

Die Aktie der SGV AG wird überOTC-X der BEKB gehandelt. Zuletzt kostete die Aktie 259 CHF. Quelle: otc-x.ch

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