Datacolor: Noch ein Rückzug von der Börse

Hauptaktionär bietet 760 CHF je Aktie

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Mit Farbmanagement-Tools und -Software von Datacolor lassen sich weltweit die richtigen Farben bestimmen. Quelle: datacolor.com

Der Name klingt unauffällig, und an der SIX hat die selten gehandelte Aktie kaum für Aufsehen gesorgt. Dennoch ist Datacolor ein Weltmarktführer mit klaren Alleinstellungsmerkmalen und einer hohen Gewinnspanne. Jetzt unterbreitete der Hauptaktionär ein freiwilliges öffentliches Kaufangebot für alle ausstehenden Aktien zu 760 CHF. Der Kurszettel der SIX wird um ein weiteres KMU kürzer.

Der Hauptaktionär, der alle ausstehenden Aktien kaufen will, ist Werner Dubach. Der Unternehmer wird dieses Jahr 80 Jahre alt und ist in der Schweizer Börsen-Community durch seine Rolle als CEO und Verwaltungsratspräsident bei der Luzerner Brauerei Eichhof und deren Verkauf an den Global Player Heineken 2009 in Erinnerung geblieben. Dubach verbrachte 38 Jahre bei der Brauerei und war bereits in den 1960er Jahren an Diversifikationsbestrebungen der Brauerei, zunächst im Labor-Bereich und bei Grossküchen, beteiligt.

Wie Datacolor aus Bierschaum geboren wurde

Daraus wurde Ende der 1970er Jahre dann das Farben-Metrik Unternehmen Datacolor. Als die seit 1998 kotierte Brauerei Eichhof 2009 von der SIX dekotiert wurde, blieb der Börsenmantel, der mit Datacolor neu belebt wurde. Der Kurs von Datacolor lag nach der Brauerei-Transaktion Anfang 2009 bei 200 CHF. Das ist eine ganz beachtliche Performance auf die nun gebotenen 760 CHF. Dubach hatte immer wieder Aktienpakete von alten Eichhof-Aktionären aufgekauft und hält per 3. Juli 2023 volle 83,74% des Aktienkapitals.

Chart Datacolor
Stetiger Aufwärtstrend bei der Aktie von Datacolor nach der Brauerei-Transaktion 2009. Chart: six-group.com

Finanzielle Eckdaten

Im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr 2021/2022 belief sich der Umsatz von Datacolor auf 87.4 Mio. USD. Das EBITDA erreichte beachtliche 12.9 Mio. USD. Im ersten Geschäftshalbjahr 2022/2023 lag der Umsatz bei 45.4 Mio. USD. Der Umsatz verteilt sich zu 25% auf Amerika, zu 31% auf Europa und zu 44% auf Asien. Abgesehen von dem Covid-Knick verläuft die Geschäftsentwicklung stetig und mit moderaten Zuwachsraten. Die EBITDA-Marge bewegt sich in der Regel zwischen 10% und 15%.

Breites Anwendungsspektrum

Das Unternehmen bietet digitale Farbmanagement-Lösungen sowohl für Industrie- wie Privatkunden. Die farbliche Abstimmung von Textilien, Deko-Farbtönen, Lacken etc. stellte zwischen Koloristen und Auftraggebern stets eine Schmerzzone dar. Abweichungen und Unterschiede zu Mustern oder bei Folgeaufträgen waren selbst mit Beginn des digitalen Zeitalters aufgrund von nicht einheitlichen Systemen oft ein gewichtiges Problem mit zum Teil weitreichenden Konsequenzen, etwa bei Mode-Kollektionen.

Durch Innovationen zur Marktführerschaft

Datacolor ist es jedoch gelungen, diese Probleme durch Hochleistungs-Spektralphotometer und eine proprietäre Farbmanagement-Software zu überwinden. Die Anwendungsbereiche sind breit: Garne, Kunststoffe, Dentalkeramiken, Flüssigkeiten und sogar Sicherheitsdruckfarben zur Bekämpfung von Banknotenfälschungen. Dadurch wurde die Datacolor-Technologie quasi zum Industrie-Standard. Datacolor ist in 65 Ländern aktiv. Und diese starke Stellung als Markt- und Technologieführer wiederum ermöglicht die nachhaltig hohen Gewinnspannen. Zuletzt lag die EBITDA-Marge bei 14,8%.

Eine lange gereifte Entscheidung

Bereits vor fünf Jahren hatte Dubach Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Kotierung von Datacolor in einem NZZ-Beitrag geäussert. Jetzt hat die weiter gereifte Entscheidung letztlich zur Unterbreitung des Kaufangebots an die freien Aktionäre geführt. 2017 und 2018 hatte die Aktie ihre Rekordstände bei bis zu 890 CHF gesehen. Im vierten Quartal 2020 wurde ein Tief von 505 CHF erreicht. Im laufenden Jahr bewegte sich die Aktie meist unter 700 CHF, sprang jedoch mit der Voranmeldung des Kaufangebots Anfang Juli auf 750 CHF. Der volumengewichtete Durchschnittskurs der letzten 60 Handelstage vor dem 3. Juli 2023 lag bei 660.50 CHF.

Ist der Angebotspreis fair?

Ist das Angebot angemessen und spiegelt den Marktwert von Datacolor wider? Um diese Frage zu klären, wurde am 2. Juli 2023 das Corporate Finance Beratungsunternehmen IFBC vom unabhängigen Verwaltungsratsausschuss von Datacolor mit der Erstellung einer unabhängigen Fairness Opinion beauftragt. Diese wurde nach Prüfung der historischen Daten, des langfristigen Business Plans und Gesprächen mit dem Management erstellt. Es handelt sich nicht um eine aktienrechtliche Revision oder Due-Diligence-Prüfung. Die Fairness Opinion stützt sich auf die Analyse des Geschäftsmodells, des Marktumfeldes und der Finanzkennzahlen. Für die Bewertung wurden das DCF-Modell sowie die Analyse der Multiples von vergleichbaren börsenkotierten Unternehmen und von vergleichbaren Unternehmens-Transaktionen herangezogen. Einbezogen werden auch die Nettoliquidität von 44.7 Mio. CHF sowie das bilanzielle Eigenkapital von 52.7 Mio. CHF.

Kapitalkosten

Die Annahmen von IFBC zu Wachstum und Gewinnmargen sind plausibel. Die Kapitalkosten werden mit 13,7% kalkuliert. Diese entfallen zu 95% auf Eigenkapital. Hierbei wird ein währungsgewichteter risikoloser Zinssatz von 3,15% zugrunde gelegt. Dazu kommt eine Risikoprämie von 6,26% sowie eine «Microcap» Size Prämie von 4,83%. Nach der DCF-Methode errechnet IFBC einen operativen Unternehmenswert von 89.7 Mio. USD. Inklusive der nicht operativen Aktiva wird der Wert des Eigenkapitals auf 128.3 Mio. USD bestimmt.

Bewertungsbandbreiten

Bereinigt um die vom Unternehmen selbst gehaltenen Aktien ergibt sich ein Wert je Aktie von 798.20 USD oder umgerechnet zu den Wechselkursen vom 3. Juli von 715.60 CHF. Die Sensitivitätsanalysen ergaben eine Bandbreite für den Wert je Aktie von 673.30 CHF bis 762.70 CHF. Eine höhere Bewertung ergibt die Multiple-Analyse der Peer-Group mit 846.50 CHF. Hier liegt die Bandbreite für den Wert pro Aktie zwischen 722.80 CHF und 973.10 CHF. Da nur wenige Unternehmen mit Datacolor im weiteren Sinn vergleichbar sind, wurden nur sechs geeignete Transaktionen in den vergangenen 20 Jahren gefunden. Die Aussagekraft ist daher beschränkt. Nach den bei Transaktionen bezahlten EBITDA-Multiples liegt der Wert je Aktie bei 649.60 CHF. Die Bandbreite beträgt 587.60 CHF bis 811.10 CHF.

Die Prämie liegt mit 15,1% auf den Durchschnittskurs der letzten 60 Handelstage vor Veröffentlichung des freiwilligen öffentlichen Kaufangebots unter dem historischen Median in der Schweiz seit 2011. Wie IFBC errechnet hat, lagen die Prämien im Mittel bei 21,9%. Das Angebot mit 760 CHF ist aus Sicht von IFBC als fair einzustufen.

Fazit

Mit Datacolor verschwindet somit ein weiteres KMU von der Kursliste der SIX. Dem gehen Schaffner Holding und Von Roll voraus. Es handelt sich um drei sogenannte Micro-Caps, sowohl nach Market Cap wie auch nach Handelsvolumen. Alle drei Titel führten an der Börse ein Schattendasein. In den Finanzmedien fand selten eine Berichterstattung statt. Das Handelsvolumen blieb gering. Angesichts der direkten und indirekten Kosten einer Börsenkotierung sowie des gesteigerten Aufwands für Investor Relations und die Berichtspflichten ist das Going Private durchaus schlüssig. Während bei Schaffner und Von Roll industrielle Käufer zum Zug kommen, wird Datacolor nun vollständig vom Hauptaktionär übernommen.

Die Botschaften sind unterschiedlich, aber alle drei Gesellschaften erscheinen als gemeinsamer Nenner an der Börse unterbewertet gewesen zu sein. Bei Schaffner ist die Prämie mit fast 80% überdurchschnittlich hoch. Hier lag auch der Free-Float bei über 60%. Sowohl von Roll als auch Datacolor hatten dagegen lange etablierte kontrollierende Hauptaktionäre, was die Kursfantasie an der Börse zwangsläufig einschränkt.

Dass aktuell für eine Datacolor-Aktie an der SIX mit 770 CHF sogar mehr bezahlt wurde als der Angebotspreis beträgt, könnte darauf hinweisen, dass es einen Käufer gibt, der eine Nachbesserung erwartet. Nach öffentlichen Kaufangeboten muss der Hauptaktionär mindestens 98% der Aktien halten, um einen Squeeze-out mit richterlicher Kraftloserklärung der ausstehenden Aktien durchzuführen. Technisch betrachtet werden die ausstehenden Aktien dann ungültig, und die Aktionäre werden entschädigt. Bei Fusionen liegt der Schwellenwert für einen Squeeze-out dagegen bei 90%.

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