René Grieder, CFO Zehnder Group: «Der Trend zum energieeffizienten und gesunden Bauen ist ungebrochen»

Zur Belüftungs-Marktführerschaft durch Innovationen und Akquisitionen

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René Grieder, CFO Zehnder Group
René Grieder, hier am Branchentalk Industrie 2025, ist seit 2015 CFO der Zehnder Group und Mitglied der Gruppenleitung. Zuvor war er seit 2009 in verschiedenen Funktion im Controlling des Unternehmens tätig. Bild: schweizeraktien.net/Luc Uloth

Seit Jahresbeginn überrascht die Aktie des Belüftungsspezialisten Zehnder mit einem sensationellen Lauf. Der Kurs zog von 45 CHF auf aktuell 69.20 CHF an. Damit scheint der Abwärtstrend der vergangenen Jahre umgekehrt worden zu sein. Noch 2021 hatte die Aktie kurzzeitig bei über 100 CHF gelegen. Der langjährige CFO René Grieder erläutert im Interview mit schweizeraktien.net, wie sich Zehnder den veränderten Marktbedingungen anpasst, wie das China-Geschäft läuft, warum die US-Zölle keinen grossen Einfluss haben und wie das Schweizer Traditionsunternehmen vom Heizkörperhersteller zum Innovations- und Marktführer in der globalen Lüftungsindustrie geworden ist.

Seit Jahresbeginn legten die Aktien von Zehnder rund 50% an Wert zu. Chart: six-group.com

Herr Grieder, im Geschäftsjahr 2024 gingen die Umsätze in beiden Geschäftsbereichen Lüftung und Heizkörper leicht zurück. Im zweiten Semester belebt sich die Nachfrage. Was können Sie unseren Lesern am Ende des ersten Semesters 2025 zum Geschäftsgang und den weiteren Perspektiven sagen?

Im Jahr 2024 erreichte der Neubau von Wohngebäuden in Europa einen historischen Tiefstand, und Renovierungsarbeiten waren ebenfalls rückläufig. Erfreulicherweise konnten wir den Umsatz im Lüftungssegment im zweiten Halbjahr 2024 wieder leicht steigern. Dieser Trend hat sich in den ersten Monaten im Jahr 2025 im Lüftungssegment in Nordamerika und Europa positiv weiterentwickelt. Wir rechnen daher – wie Mitte Mai angekündigt – für das erste Halbjahr 2025 mit einer deutlich besseren Ergebnisentwicklung als im Vorjahreszeitraum.

Bei unserem letzten Interview im März 2017 sagten Sie: “Unsicherheiten sind nie gut, denn sie hemmen Investitionsentscheidungen.” Das war zu Beginn der ersten Amtsperiode Trump. Wie stellt sich die Situation heute dar? Zehnder hat ja Produktion in den USA und dürfte somit zumindest von der Zollpolitik wenig betroffen sein, oder?

Dank unserer Produktionsstätten in den USA und Kanada verfügen wir über einen gewissen Spielraum. Bei Bedarf können wir die Produktion anpassen, da wir in beiden Ländern vertreten sind. Unser Ansatz lautet: Produkte für Nordamerika werden in Nordamerika hergestellt, Produkte für Europa werden in Europa hergestellt. Daher produzieren wir mehrheitlich vor Ort. Einige Komponenten und Rohstoffe stammen jedoch aus anderen Regionen und könnten von Zöllen betroffen sein. Grundsätzlich gilt weiterhin, dass Unsicherheiten nie gut sind und Investitionsentscheidungen hemmen. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die US-Zollpolitik zukünftig entwickeln wird.

2017 hatten Sie gerade die innovativen Heizkörper aus Biopolymeren am Markt eingeführt. Die ersten Nachfrageimpulse waren ermutigend. Was ist daraus geworden mit Blick auf die gesetzten Absatz- und Umsatzziele? Und mit welchen Innovationen wird Zehnder den Markt jetzt überraschen?

Dabei handelte es sich um einen Heizkörper aus Kunststoff, dessen Markteinführung sich jedoch langfristig nicht bewährt hat. Deswegen wurde die Produktion bereits vor einigen Jahren eingestellt. Deutlich positiver entwickelt sich der Bereich der Kühllösungen. Wir verzeichnen eine stetig wachsende Nachfrage nach kombinierten Lüftungs- und Kühlsystemen und arbeiten aktiv daran, unser Produktportfolio in diesem Segment weiter auszubauen.

Seit kurz nach der Jahrtausendwende hat Zehnder im Bereich Belüftung eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Durch eine ganze Reihe von Übernahmen ist Zehnder zum Markführer avanciert. Die Sparte trägt inzwischen über 60% zum Gruppenumsatz bei. Was sind die weiteren Ziele und mit welcher Trendwachstumsrate rechnen Sie? Was können Sie zur Wettbewerbssituation sagen?

Es ist klar unser Ziel, den Weg zur führenden Anbieterin für Raumklimalösungen mit Fokus auf Innenraumklimasystemen weiter zu beschreiten, und sowohl organisch als auch durch passende Add-on-Akquisitionen zu wachsen. Die Zehnder Group steht für Gesamtlösungen für komfortables, energieeffizientes und gesundes Raumklima. Wir haben daher in jüngster Vergangenheit mehrere strategisch wichtige Massnahmen umgesetzt, um unsere Marktposition auszubauen. Bezüglich der Wettbewerbssituation sehen wir in einzelnen regionalen Märkten lokale Marktbegleiter, aber keinen überregionalen Player, der, wie wir, in Europa und Nordamerika eine führende Position hat.

Wie hat sich der geografische Mix bei Zehnder über die Jahre verändert? Welche Rolle spielen Nordamerika, China und die europäischen Märkte heute?

Durch die Akquisition des kanadischen Lüftungsanbieters Airia im Jahr 2022 haben wir den nordamerikanischen Markt in den Fokus genommen. Ziel ist es, den US-amerikanischen Markt verstärkt zu bearbeiten. Hier herrscht ein grosses Potenzial und auch ein Bewusstsein und Bedarf für ein gesundes Raumklima. Europa trägt weiterhin zum Grossteil des Umsatzes bei. Auch hier gibt es noch viel Potenzial. Die Übernahme der spanischen Anbieterin für Wohnraumlüftungen Siber im letzten Jahr ermöglicht es uns, unsere Aktivitäten in den wichtigen Wachstumsmärkten in Süd- und Osteuropa auszubauen. Unsere Aktivitäten in China sind aufgrund der anhaltenden Immobilienkrise seit mehreren Jahren rückläufig und derzeit von untergeordneter Relevanz.

Der chinesische Markt war schon 2017 schwierig. Allerdings lastete damals noch keine Immobilienkrise über dem Markt. Wie stellen sich die Geschäftsbedingungen für Zehnder 2025 dar?

Die Bauaktivitäten in China sind weiterhin tief. Das betrifft sowohl das Lüftungs- als auch das Heizkörpersegment. Wir haben auf diese Entwicklung reagiert und die Heizkörperproduktion in China ausgelagert und die Strukturen angepasst. Wir fokussieren auf Nischen, wie energieeffiziente Gebäude nach Passivhaus-Standard oder kommerzielle Lüftungen, wo wir im aktuellen Umfeld mehr Potenzial sehen.

Im Geschäftsjahr 2024 waren die Umsätze in den wichtigen Märkten Deutschland, Frankreich, Niederlande und Schweiz rückläufig. Inzwischen sind die Zinsen gesunken, die Bau- und Renovierungskonjunktur scheint anzuspringen. Wie sind Ihre Erwartungen bezüglich der Investitionsneigung in den europäischen Kernmärkten?

Die bisherigen Indikatoren deuten darauf hin, dass in verschiedenen Märkten die Talsohle durchschritten ist – das deckt sich mit unseren Beobachtungen – dennoch erwarten wir für Märkte wie Deutschland und Frankreich für das laufende Jahr weiterhin Unsicherheiten. Wir arbeiten aktiv daran, unsere Abhängigkeit vom Neubauzyklus zu reduzieren. Unter anderem bauen wir unser Servicegeschäft aus und fokussieren uns verstärkt auf das Ersatzteilgeschäft.

Wie ist Ihre Strategie für das eher stagnierende und margenschwache Heizkörpergeschäft? Refokussierung ist “en vogue”. Zehnder hat ja auch Devestitionen vorgenommen, wenn auch nicht mit dem Zweck der Konzentration auf das Kerngeschäft wie bei Oerlikon oder Ypsomed. Ist die Trennung von den Heizkörpern eine Option, Herr Grieder?

Unsere Strategie sieht vor, dass das Heizkörpergeschäft zum Cashflow der Gruppe beiträgt. Dies war in letzter Zeit nicht der Fall. Daher haben wir entsprechende Anpassungsmassnahmen vorgenommen und die Produktion in der Schweiz und China eingestellt. Grundsätzlich besteht ein Bedarf an Heizkörpern für Renovierungen in bestehenden Gebäuden, in denen keine Fussbodenheizung verbaut werden können. Die Frage ist, wieweit die Nachfrage und damit das Volumen im Heizkörpersegment wieder anziehen werden.

Bei der Betrachtung des Zahlenwerks sticht ins Auge, dass Zehnder über die Jahre trotz schwankender Umsätze die EBIT-Marge insgesamt kräftig erhöhen konnte. Allerdings ist die EBIT-Marge jetzt drei Jahre in Folge von 9,9% auf 7,1% gefallen. Wie steuern Sie gegen? Was ist das mittelfristige Ziel?

Die Zehnder Group hat im Geschäftsjahr 2024 mehrere strategisch wichtige Massnahmen umgesetzt, mit dem Ziel, das zukünftige Wachstum und die Rentabilität zu verbessern. Gleichzeitig haben wir die Investitionen in Innovation und Marktbearbeitung hochgehalten. Wir sehen, dass die Massnahmen greifen. Ziel ist ein profitables Umsatzwachstum. Mittelfristig wollen wir ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von 5% und eine EBIT-Marge von 9–11% erreichen.

Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten hat Zehnder bisher auf eine Guidance für 2025 verzichtet. Die Unsicherheiten haben zwar nicht abgenommen, aber nach sechs Monaten sehen Sie vielleicht doch, wie sich die Auftragseingänge entwickeln und ob Ihre Initiativen zur Wachstumsbeschleunigung etwas bewegen?

Wie bereits mit unserer positiven Gewinnwarnung Mitte Mai erwähnt, planen wir zusammen mit der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen am 25. Juli 2025 auch den Ausblick für das Gesamtjahr 2025 zu kommunizieren.

Wie bewerten Sie das Zurückrudern von USA und EU bei der klimabezogenen Regulierung? Das war ja in den letzten Jahren ein nicht unwichtiger Faktor für die HKL-Industrie?

Auch wenn es derzeit in einzelnen Ländern zu einer Abschwächung oder Verzögerung bei klimabezogenen Regulierungen kommt, sehen wir den Trend hin zu energieeffizientem und gesundem Bauen als ungebrochen. Die Notwendigkeit, Gebäude nachhaltiger zu gestalten, ist langfristig nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch alternativlos.

Neben der Energieeffizienz gewinnt das Thema gesundes Innenraumklima weiter an Bedeutung – unabhängig von regulatorischen Vorgaben. Eine gute Raumluftqualität trägt direkt zum Wohlbefinden, zur Leistungsfähigkeit und zur Gesundheit der Menschen bei – insbesondere in einer Zeit, in der Allergien, Feinstaubbelastung und städtische Verdichtung zunehmen. Für viele Nutzer und Bauherren ist dies bereits heute ein entscheidendes Kriterium. Zum Beispiel nimmt der auch Stellenwert von Kühlen losgelöst von jeder Regulierung zu.

Das heisst Sie bleiben Ihrer Strategie treu?

Für Zehnder steht die Entwicklung intelligenter, effizienter und benutzerfreundlicher Innenraumklima-Lösungen im Mittelpunkt. Wir sehen in jeder Veränderung – auch in regulatorischen Unsicherheiten – die Chance, durch Innovation und Kundennähe Mehrwert zu schaffen.

Bitte geben Sie unseren Lesern zum Abschluss noch einen mehrjährigen Ausblick zu dem, was sie von Zehnder trotz schwierigem Umfeld erwarten können?

Trotz eines herausfordernden wirtschaftlichen Umfelds blicken wir mit Zuversicht in die Zukunft. Die fundamentalen Treiber für unsere Lösungen – Energieeffizienz, gesundes Raumklima und Nachhaltigkeit – bleiben langfristig intakt. Die Transformation zur international führenden Anbieterin für Innenraumklimasysteme führen wir konsequent weiter.

Vielen Dank, Herr Grieder, für das erhellende Gespräch.

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