SIG Group: Stopp-loss aktiviert

Kurssturz und Dividendenstreichung

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Getränkeabfüllung mit Maschinen von SIG. Bild: sig.biz

Der Aktienkurs der SIG Group ist schon seit längerem auf Sinkflug. Die Wachstumsraten hatten sich abgeschwächt, und Besserung war aufgrund der nachlassenden Konsumlaune kurzfristig nicht zu erwarten. CEO Sigrist schied vor kurzem «einvernehmlich» aus. Jetzt kündigte der Verwaltungsrat eine Restrukturierung an. Und die Dividende für das laufende Geschäftsjahr soll gestrichen werden, so der Vorschlag für die nächste GV.

Am 18. September fiel der Kurs um 24,4% auf 9.50 CHF. Der Aktienumsatz belief sich auf hohe 14.2 Mio. Stück. Am Tag danach ging es weiter abwärts auf unter 9 CHF.  Das ist der tiefste Kurs seit dem IPO 2019. Nur Anfang 2019 bewegte sich der Kurs der SIG Group zweimal für kurze Zeit unterhalb der 10-CHF-Marke. Trotz des vorherigen plötzlichen Ausscheidens von Samuel Sigrist zeigte sich der Aktienmarkt dennoch stark geschockt von dem, was das Unternehmen am frühen Morgen publik gemacht hatte.

Der Aktienkurs von SIG ist mittlerweile unter das Niveau von 2019 gefallen. Chart: six-group.com

Transformationsprogramm

Laut Medienmitteilung ist das Unternehmen «strategisch sehr gut positioniert», um die Expansion «als weltweit führender Anbieter von nachhaltigen aseptischen Kartonverpackungen fortzusetzen». Über dieses im Grund unveränderte Statement hinaus wird ein «Transformationsprogramm» umgesetzt, das folgende Punkte nennt: Straffung und Fokussierung des Portfolios auf aseptische Geschäftsbereiche, Divestment kleinerer nicht aseptischer Geschäftsbereiche und Effizienzsteigerungen.

Restrukturierungskosten, Wachstum und Profitabilität

Dafür sollen Aufwendungen von 310 Mio. CHF bis 360 Mio. CHF vor Steuern anfallen. Das bereinigte EBITDA sowie der bereinigte Nettogewinn werden dadurch um 75 Mio. CHF bis 100 Mio. CHF belastet. Die Kosten des Transformationsprogramms sowie die «weiterhin herausfordernden Marktbedingungen» werden sich, so wird erwartet, negativ auf das Wachstum im zweiten Semester auswirken. Die Guidance für 2025 wird abermals gesenkt. Nun wird, bereinigt um Deviseneffekte und Kunststoffpreisschwankungen, ein leicht negatives bis stabiles Umsatzwachstum prognostiziert, zuvor 3% bis 5%. Die Bandbreite der erwarteten bereinigten EBITDA-Marge wird um einen halben Prozentpunkt auf 24% bis 24,5% abgesenkt. Inklusive der Sondereffekte durch das Transformationsprogramm soll die bereinigte EBITDA-Marge im Gesamtjahr 21% betragen.

Business as usual

So weit, so gut. Restrukturierungen und Effizienzsteigerungsmassnahmen sind Teil des Wirtschaftslebens, insbesondere, wenn die Konjunktur nachlässt. Dabei fallen Kosten an, welche die Profitabilität belasten. Das finden Investoren nicht unbedingt gut, kommen aber damit zurecht, wenn Licht am Ende des Tunnels erkennbar ist. Die SIG Group geht jedoch anders vor, wie der Schlussteil der Medienmitteilung zeigt. Dort heisst es, dass der Verwaltungsrat vorschlagen wird, die Dividende auszusetzen. Als knappe Begründung werden Kapitaldisziplin und der Abbau der Verschuldung genannt.

Dividendenkontinuität wird gebrochen

Seit dem Börsengang 2019 war die Dividende und deren jährliche Erhöhung ein ganz wesentlicher Bestandteil der Equity Story der SIG Group. Erklärtes Ziel war deren stetige Steigerung, was ja auch erfolgt ist. Ein solches Dividendenversprechen ohne echte Notwendigkeit plötzlich und unvermittelt zu brechen, zerstört das über Jahre hin aufgebaute asymmetrische Gut Vertrauen ebenso unvermittelt. Das dürfte einer der wichtigsten Gründe für den beschleunigten Kurszerfall sein. Schon der Akt, sich vom verdienten CEO so plötzlich zu trennen, liess vermuten, dass Unstimmigkeiten im Verwaltungsrat zu dem «Bauernopfer» führten. Ein neuer CEO ist nicht in Sicht. Die nun angeführte neue Priorität des Schuldenabbaus ist als Grund wenig überzeugend. Schliesslich hatte Sigrist die Akquisitionen nicht eigenmächtig vorgenommen, sondern die langfristige Wachstumsstrategie des Verwaltungsrates umgesetzt. Das Schuldenlevel ist eine direkte Folge davon, nicht etwa von schlechtem Wirtschaften. Erst am 30. Oktober wollen Verwaltungsrat und Management ein Update liefern.

Fehlgriffe im Verwaltungsrat

Derzeit sorgen mehrere CEO-Geschichten in der Schweizer Unternehmenswelt für Schlagzeilen. Nestlé ist wohl der prominenteste Fall. Erst musste Mark Schneider gehen, ein Jahr später sein vielgelobter Nachfolger. Die herumgereichten Erklärungen sind selten stichhaltig. So gilt Schneider in der Schweiz allgemein als «Fehlgriff», entsprechend der Version des Verwaltungsratspräsidenten, der nun selbst seinen Hut in höchster Eile nehmen muss. Unterdessen ist der seit 2023 im Roche-Verwaltungsrat vertretene Schneider Anfang 2025 auch in den Aufsichtsrat von Siemens eingezogen – und soll dort bis 2027 den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen. Ein weiterer Fehlgriff? Wohl kaum. Sowohl bei Nestlé und der SIG Group als auch bei Barry Callebaut scheint es eher so zu sein, dass die Probleme jenseits des C-Levels zu finden sind.

Streichung SIG Group und Barry Callebaut

Die Konsequenz ist, dass die SIG Group von der Favoritenliste gestrichen wird und ebenfalls aus der Dividendenstrategie, da die Ausschüttung ja gestrichen wird. Die Aktie von Barry Callebaut wird auch aus der Favoritenliste gestrichen. Sie hat in den letzten Wochen die Tiefstände hinter sich gelassen und war seit Mai eine der stärkste Aktien. Allerdings von sehr tiefem Niveau. Die Aussagen des Managements sind nicht wirklich überzeugend, was die weitere Strategie angeht. Die Marktbedingungen sind stark von Ernteunsicherheiten und inzwischen deutlich erhöhten Endkonsumentenpreisen geprägt.

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