Mega-Trend Intra-Logistik: Warum die Perspektiven für Interroll und Kardex besser werden

Automatisierungsdruck, Fachkräftemangel und Produktivitätssteigerungen als Wachstumstreiber

0
67
Der Pflegebereich und die Spitallogistik sind Wachstumsmärkte für Kardex. Bild: kardex.com

Nach dem Covid-Boom kam auch für die Intra-Logistik-Aktien an der SIX ein tiefer Fall. Der damalige Börsenliebling Interroll drittelte sich vom 2021 erreichten Höchstkurs von 4800 CHF auf unter 1700 CHF. Bei Kardex sieht das Chartbild zwar inzwischen weniger dramatisch aus, aber die Aktie liegt dennoch 20% unter dem Hoch. Doch Mega-Trends wie Automatisierung, Roboterisierung und Arbeitkräfteknappheit verstärken die Nachfrage für intelligente, logistische Problemlösungen.

Ob in der Industrie, in Krankenhäusern, im E-Commerce, bei Paketdiensten oder auf Flughäfen – Intra-Logistik-Lösungen sparen den Kostenträgern viel Geld, sorgen für maximale Raumnutzung und beheben den Mangel an Fachkräften spürbar. Wie das im Einzelfall aussehen kann, zeigen die Systeme von Kardex für die Gesundheitswirtschaft. Diese eliminieren die Betten, die Gänge blockieren, und reduzieren dadurch auch die Infektionsgefahr für Patienten, Besucher und medizinisches Personal. Sie vermindern die langen Wartezeiten an den Aufzügen und sorgen auch dafür, dass das Pflegepersonal nicht bis zu vier Stunden am Tag mit Besorgungsgängen und Warten verbringt, sondern diese Zeit den Patienten widmen kann. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Fachkräftemangel in der Gesundheitsindustrie

Im EU-Raum fehlen 4 Mio. Fachkräfte im Gesundheitswesen, Tendenz steigend. Noch 2020 lag der Vergleichswert bei unter 1 Mio. Das Problem ist, vor allem aus Sicht der Patienten, mehr als gravierend. Wie in der Schweiz, so ist auch in allen EU-Ländern, Amerika, Afrika und Asien die Krise der Gesundheitssysteme eines der grössten Risiken überhaupt.

Primat der Effizienz

Auch unter rein ökonomischen Betrachtungen drängen sich in Hospitälern zeitgemässe Prozesse und Systeme geradezu auf. Bis zu 90% der zahlreichen Lagerräume für Verbandsmaterialien, Medikamente, Spritzen, Katheder, Rollstühle usw. können mit automatisierten und roboterisierten Zentral-Lagern eingespart werden. Alle Klinikbereiche können in Minuten durch Shuttles mit dem versorgt werden, was gerade benötigt wird. Die Präzision beträgt 99%. Gleichzeitig werden die Lagerbestände optimiert und die Aufzüge, die eigentlich für Patienten- und Personentransporte geschaffen sind, werden dafür wieder frei – entsprechend ihrer Bestimmung. Im Idealfall kann die Produktivität um mehrere Hundert Prozent gesteigert werden. Die Anreize für Klinikbetreiber sind hoch, denn Arbeitsüberlastung und antiquierte Materialflusspraktiken sorgen im Gesundheitswesen für anhaltend hohe Defizite.

Kardex wächst im Healthcare-Sektor

Der Marktführer bei Storage- und Materialfluss-Systemen, Autostore, ist globaler Partner von Kardex. Das Unternehmen bietet standardisierte und kundenspezifische Lösungen für die Intra-Logistik sowie Life-Cycle-Services. Ein besonderes Gewicht hat die Gesundheitswirtschaft, da hier zahlreiche spezifische Anforderungen gestellt werden. Beispiele sind Reinraumtechnik, Infektionsschutz, sachgerechte und sichere Lagerung und Hygienevorschriften. Kunden finden sich in zahlreichen Ländern, darunter auch Thailand, Südkorea, die Philippinen, Neuseeland und Australien. Die wichtigsten Märkte sind Deutschland und die USA. Seit 2021 wurden in 20 Ländern 120 Projekte gewonnen, die 3284 Roboter beinhalten.

Schweizer Referenzkunden

Prominente Schweizer Beispiele sind das neue Logistikzentrum des Universitätsspitals Basel, das 10 Spitäler in Basel mit medizinischem Bedarf beliefert. Das Logistikzentrum wurde im September 2025 in Betrieb genommen. Auch im Universitäts-Kinderspital Zürich hat Kardex eine wesentliche Rolle bei der Integration des Zentral-Lagers gespielt. Ein komplexes Lagersystem für Roche Diagnostics in Mannheim ging bereits im März an den Start. Die Expertise zahlt sich aus, weitere Kunden kommen u.a. aus der Dentalmedizin und der Veterinärmedizin.

Kardex-Zahlen im ersten Semester 2025 und Ziele

Im ersten Halbjahr 2025 belief sich der Auftragseingang auf 454.3 Mio. Euro, ein Plus von 18,7%. Der Auftragsbestand erhöhte sich zum Vorjahresende um 7,8% auf 512.7 Mio. Euro. Der Umsatz stieg um 12,4% auf 415.7 Mio. Euro, der Semestergewinn allerdings ging leicht auf 36.1 Mio. Euro zurück. Seit Januar 2025 ist Jens Hardecke CEO. Die Chancen durch Automatisierung, Roboterisierung, Re-Shoring, Fachpersonalmangel und zeitgemässe Trends wie Urbanisierung und E-Commerce sollen genutzt werden, um das Wachstum zu beschleunigen und die Profitabilität zu steigern. Ziel ist ein jährliches Umsatzwachstum von 10% bis 14% auf einen Jahresumsatz von 1.5 Mrd. Euro bis 2030 und eine gruppenweite EBIT-Marge von 10% bis 14%. Die Dividend Policy sieht eine Ausschüttung von bis zu 75% des Nettogewinns vor. Seit 2020 ist der Gewinn je Aktie von 6.04 Euro auf 10.65 Euro in 2024 gestiegen. Der Kurs befindet sich seit 2011 in einem Aufwärtstrend, der die Aktie von 10 CHF auf über 300 CHF ansteigen liess. Aktuell bewegt sich der Kurs bei 270 CHF, rund 20% unter dem Hoch.

Die Kardex-Aktie befindet sich nur 20% unter ihren Höchstständen. Chart: six-group.com

Interroll nimmt Perspektivenwechsel vor

Interroll ist schwerpunktmässig in anderen Sektoren aktiv, vor allem in der Airport-Logistik, im E-Commerce, im Postbetrieb sowie in der Nahrungsmittelindustrie. Dazu kommen weitere grosse Konzerne, Anlagenbauer und Ingenieur-Gesellschaften. Insgesamt zählt Interroll 18’000 Kunden. In den USA wird seit über einem halben Jahrhundert produziert, weswegen die Zoll-Thematik nur eine marginale Rolle spielt. Aufgrund der Grösse vieler US-Unternehmen wird dort das Intra-Logistik-Feld immer stärker von sogenannten Systemintegratoren dominiert. Das Business Development wird anspruchsvoller, weshalb Interroll zunehmend «customer-centric» geführt wird. Die Refokusierung auf die unterschiedlichen Kundebedürfnisse verlangen dezentralisierte Herangehensweisen, die von Innovationen und Performance gelenkt werden. Das ist die Transformationsleistung, die der seit März amtierende CEO Markus Asch realisieren will.

New Business

Der Markt wird aus Interroll-Perspektive auf längere Sicht von Automatisierung, Roboterisierung und dem Fachkräftemangel bestimmt werden. Keine Wettbewerbsfähigkeit ohne nachhaltige Produktivitätssteigerungen. Anders als Kardex bilanziert Interroll in CHF. Aufgrund der Stärke des Frankens an den Devisenmärkten kostet die Umrechnung mehrere Prozentpunkte Wachstum. Im ersten Semester 2025 stieg der Umsatz um 0,1% auf 247.7 Mio. CHF, der Auftragseingang ging dagegen um 0,8% auf 284.1 Mio. CHF zurück. Zu den Highlights zählen Projekte im Bereich Batterieproduktion sowohl in China wie in den USA. In Thailand wurde ein Auftrag des Airports gewonnen, die Aussichten auf weitere Airport-Projekte in Brasilien, Mexiko und den USA sind positiv einzuschätzen.

Rückblick und Ausblick

Trotz des zuletzt gebremsten Wachstums bleibt die Profitabilität hoch. Das EBITDA im ersten Halbjahr lag bei 38.6 Mio. CHF, was einer Marge von 15,6% entspricht. Der Halbjahresgewinn erreichte 21.2 Mio. CHF, eine Nettogewinnmarge von 8,6%. Der Free Cash-Flow erhöhte sich um 6 Mio. CHF auf 17.1 Mio. CHF. Der Gewinn je Aktie lag bei 25.46 CHF. Aufs Jahr hochgerechnet ergibt sich beim aktuellen Kurs von 2120 CHF somit ein KGV 2025 von 20. Das kann als angemessen betrachtet werden, wenn auf die jüngere Historie zurückgeblickt wird. Richtet sich jedoch der Blick in die Zukunft, erscheint ein anderes Bild. Die Mega-Trends wie Paketdienste, Fachkräftemangel sowie die Optimierung der Nutzung von Raum, Arbeitszeit und Kapitaleinsatz lassen den betroffenen Industrien kaum eine Wahl, wollen sie langfristig wettbewerbsfähig bleiben. Der Automatisierungsdruck fällt mit dem sprunghaftem Technologiewandel und dem schnell wachsenden Einsatz von KI zusammen. Schnelle Produktivitätssteigerungen sind in der Wirtschaft zur Existenzfrage schlechthin geworden.

Über einen Zeitraum von drei Jahren weist die Interroll-Aktien eine schwache Entwicklung auf. Chart: six-group.com

Kurshistorie von Interroll

Der Perspektivenwechsel, den der neue CEO entschlossen umsetzt, sendet die richtigen Signale an die Kunden, aber auch an Investoren. Deren Urteilsvermögen ist nicht unbedingt durch die gängigen Jahresschluss-Empfehlungslisten getrübt. Die Interroll-Aktie hat eine Historie höchster Volatilität. 2019/2020 stürzte die Aktie bis zum Covid-Tief um über 50%, nur um sich dann bis Ende 2021 zu vervierfachen. Im April 2025 wurde das Tief unter 1700 CHF erreicht. Die bisherige Erholung ist noch mässig.

Kursperspektiven mit Fragezeichen

Zunächst bleiben die Zahlen für das zweite Halbjahr 2025 abzuwarten. Hier sollten sich bereits erste Hinweise auf neue prestigeträchtige Grossaufträge finden lassen. Kommt es dann im neuen Jahr und darüber hinaus zu der kräftigen Belebung, die aus den zuvor genannten Gründen zu erwarten ist, dürfte die Aktie von Interroll wohl erneut zu einem Liebling der Investoren an der SIX werden.

Fazit

Trends und Mega-Trends gewinnen in aller Regel stetig an Bedeutung und setzen sich fort – bis sie dann von neuen abgelöst werden. Wie mächtig diese auch die Börsen bestimmen, zeigen KI und GLP-1 Medikamente zur Gewichtsreduktion. Noch 2022 handelte es sich bei beiden um Spezialthemen, die bei der breiten Anlegerschaft nur wenig Beachtung fanden. Für andere Probleme wie die Krise der Gesundheitssysteme und die wachsenden Waren- und Personenströme braucht es andere Lösungen. Die Intra-Logistik-Spezialisten Kardex und Interroll bieten unterschiedliche Lösungen für die hohen Anforderungen der betroffenen Industrien. Diese sind so umsatz- und wachstumsstark, dass sich Investitionen in Logistik-Lösungen schnell amortisieren und die Produktivität erhöhen. Eine Win-Win-Situation, an der auch Investoren mit Weitblick partizipieren können.

Kommentar verfassen