Martin Lehmann, 3V Asset Management: «Wir sind Partner für unsere Portfoliogesellschaften»

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Der 3V Invest Swiss Small & Mid Cap Fonds investiert in Schweizer Nebenwerte und misst sich am SPI Small & Middle Companies Index. Maximal 20% des Fondsvermögens werden in grosskapitalisierte Werte aus dem Swiss Market Index (SMI) investiert.

Bei der Auswahl der Unternehmen fokussiert sich 3V Invest auf Markt-, Technologie- und Kostenführer in den jeweiligen Märkten. Die Spezialität des Fonds ist das Übergewicht in Investments in Technologiefirmen. Das Fondsvermögen ist seit Anfang Jahr durch Netto-Zuflüsse von 121 Mio. CHF wieder auf ein Volumen von über 150 Mio. CHF gestiegen und in einem Mix aus Value- und Growth-Aktien in 25 bis 30 Gesellschaften angelegt.

Herr Lehmann, das Jahr 2022 war auch für Ihren Fonds ein schwieriges Jahr, das Nettovermögen des Fonds sank getrieben von einem fast 20% tieferen Gesamtmarkt von 156 Mio. auf 121 Mio. CHF. Sie schreiben aber im Jahresbericht, dass Sie für 2023 zuversichtlich gestimmt seien. Kann es nach dem Crash-Jahr 2022 nur noch aufwärts gehen? Und was könnte die gute Stimmung trüben?

2022 war effektiv ein sehr schwieriges Jahr für den Aktienmarkt und somit für alle Fonds, die doch stark unter den steigenden Zinsen litten. Eine Aussage, dass es «ab jetzt nur noch aufwärts geht», ist aber nicht nur gewagt, sondern schlichtweg unseriös. So etwas werden Sie von mir nie hören. Mit unserer Einschätzung hatten wir in den ersten vier Monaten 2023 aber recht und sind mit einer Performance von aktuell über 15% sehr erfolgreich gestartet. Durch zusätzliche Neugelder liegen wir mit dem Fondsvermögen schon wieder über den 150 Mio. CHF.

Die Halbjahresergebnisse 2023 werden aufgrund der hohen Vergleichsbasis aus dem Vorjahr sehr anspruchsvoll, und einige Unternehmen werden im Sommer wohl enttäuschen. Marktführer können aber ihre Preise und somit die Margen verteidigen und nutzen teilweise die realistischeren Bewertungen des Vorjahres für strategische Zukäufe. Insbesondere für die zweite Jahreshälfte sind wir dann aufgrund des deutlich tieferen Basiseffekts weiterhin positiv.

Was bedeutet das Bankenbeben in der Schweiz für Ihre Investments?

Wir investieren nicht in Grossbanken, daher war keine Position direkt betroffen. Der Schweizer Markt hat sich nach dem ersten Schock doch sehr rasch wieder erholt und schloss auch im April wieder positiv. Wichtiger ist es, wie es mit der wirtschaftlichen Gesamtsituation weitergeht und welche Regionen in eine Rezession kommen.

Sie haben 2023 begonnen, eine Position in der Digitalbank Swissquote aufzubauen. Ist das auch eine Folge der oben genannten Vorgänge? Was überzeugt Sie vom Geschäftsmodell von Swissquote im Allgemeinen?

Wir verfolgen Swissquote schon lange und konnten die kurzfristige Korrektur als Einstiegschance nutzen. Swissquote verfügt über rund 6.7 Mrd. CHF an Bareinlagen und profitiert in ihrem Zinsergebnis somit stark von den steigenden Zinsen. Zudem sollte sich die zunehmende Normalisierung der Finanzmärkte, insbesondere gegenüber dem schwierigen Jahr 2022, in gestiegenen Handelsaktivitäten widerspiegeln. Im Kryptogeschäft ist die Basis ebenfalls sehr tief, da man 2022 ja als «Kryptowinter» charaktierisiert. Und schliesslich ist aus unserer Sicht die Guidance des Unternehmens übermässig vorsichtig ausgefallen. Zudem, ja, auch Swissquote profitiert indirekt sicherlich von den Mittelabflüssen bei der CS.

Bleiben wir kurz noch bei Ihren Engagements im Finanzsektor. Cembra Money Bank ist eine Ihrer grössten Positionen, auch in Temenos sind Sie seit geraumer Zeit investiert. Ist es ein Zufall, dass mit den steigenden Zinsen Ihre Investitionen in diesem Sektor zunehmen?

Cembra profitiert weniger von den steigenden Zinsen, vielmehr war für uns die Korrektur nach dem Verlust der Migros-Kreditkarte viel zu heftig ausgefallen. Eine Normalisierung mit der Certo!-Karte bot eine gute Chance. Zudem bietet Cembra eine ausgezeichnete Dividendenrendite von 5,6%, was die Aktie gegen unten gut absichert. Temenos haben wir erhöht, da das Unternehmen unseres Erachtens zu stark für nicht erreichte Ziele und schlechte Finanzmarktkommunikation abgestraft wurde. Der CEO-Wechsel war hier der entscheidende Auslöser und auch, dass das Board explizit bestätigte, sich mit möglichen Übernahmeangeboten konkret auseinanderzusetzen. Diese Fantasie, der CEO-Wechsel und auch die besser als erwartet ausgefallenen Zahlen im ersten Quartal 2023 haben dazu geführt, dass der Kurs seit Ende 2022 um über 40% gestiegen ist.

Stark zugenommen haben auch Ihre Investments in den Nahrungsmittelsektor. Aryzta ist zurzeit Ihre mit Abstand grösste Position. Lindt & Sprüngli bewegt sich in Ihrem Portfolio schon seit einiger Zeit unter den Top Ten. Ist es nicht ein Armutszeugnis für die Schweiz, dass ein technologiegetriebener Fonds wie 3vam in Brötchenbäcker und Schokoladengiesser investieren muss, anstatt in Technologieunternehmen, während in den USA die Nasdaq gerade durch die Decke geht? Das müsste Sie doch schmerzen!

Vorweg fassen wir den Begriff «Schokoladengiesser» einfach mal als Kompliment für ein erstklassiges Unternehmen wie Lindt & Sprüngli auf – sie giessen quasi feines, braunes «Schoko-Gold». Unser Fonds-Ansatz ist zudem nicht «technologiegetrieben». Vielmehr investieren wir in Unternehmen mit einem «quality growth»-Profil. Häufig sind solche Kandidaten dann eben Technologie- oder Medtech-Unternehmen. Aber auch Lindt ist ein Paradebeispiel für eine solche «quality growth story». Das Unternehmen steigert den Cashflow Jahr für Jahr und verfügt weiterhin global über exzellente Wachstumschancen in China, Indien, Brasilien und vielen weiteren Regionen, die bisher noch nicht wirklich aggressiv bearbeitet wurden.

Aryzta ist ein klassisches Beispiel für unseren opportunistischen «Arm» und bäckt schon längst keine kleinen «Brötchen» mehr. Das Unternehmen kam aus einer Restrukturierungssituation, und das neue Board und Management hat uns sehr davon überzeugt, dass sie einen erfolgreichen Turnaround schaffen. Als wir investierten, war die Position 3% unseres Fondsvermögens. Die Aktie ist seit Ende September 2022 um fast 60% gestiegen. Auch dank dieser exzellenten Kursperformance ist sie jetzt unter den grössten Positionen im Fonds. Wir sind darüber also alles andere als unglücklich. Für uns ist die Bewertung gemäss unserem Modell bzw. Ansatz entscheidend, nicht, ob wir ein Häkchen bei «High Tech» setzen können.

Im Bereich Health Care sind Sie in Titel wie Siegfried, Straumann oder auch Bachem investiert. Besonders Bachem heben Sie in Ihrem März Bericht hervor. Welche Kursfantasie hat dieser Titel und warum?

Bachem produziert synthetische Peptide und sollte mittel- und langfristig massiv von der extremen Nachfrage und Knappheit der neuen Wundermittel für Diabetes bzw. zur Reduktion der Fettleibigkeit profitieren. Dieser Markt wird global auf enorme rund 150 Mrd. USD geschätzt. Auch die aktuelle Knappheit bei der Medikamentenversorgung in Europa mit dem Bestreben, die Produktion wieder zu lokalisieren, verdeutlicht den Wert solcher Anlagen. Bachem investiert aktuell massiv in den Ausbau der Kapazitäten, profitiert von einer Schwächephase des Wettbewerbs und ist exzellent geführt, um von diesem langfristigen Trend hin zu den neuen Wundermitteln von Novo Nordisk und Eli Lilly zu profitieren.

Lassen Sie uns über das Biotechunternehmen Evolva sprechen, eine eher exotische Position in Ihrem Portfolio. Warum halten Sie nach der Kursentwicklung der vergangenen beiden Jahre an Evolva fest?

Für uns war entscheidend, dass sich das Board des Unternehmens in den vergangenen beiden Jahren verändert hat und insbesondere, dass die Gesellschaft ein neues Führungsteam erhielt. Der neue CEO Christian Wichert überzeugt uns. Das Unternehmen selbst ist als «Food Biotech» geradezu ideal positioniert im Sweetspot «Sustainability». Evolvas Produkte Vanillin oder Resveratrol sind vielversprechend. Das neue Führungsteam hat seine Hausaufgaben im Bereich der notwendigen Verbesserung der Produktions- und Entwicklungskosten gemacht, und zudem wurden neue Kunden und Partner gewonnen. Die grösste Herausforderung bleibt jedoch, dass das Unternehmen sowohl von der personellen als auch finanziellen Basis eine unterkritische Grösse aufweist. Für uns wäre hier eine nachhaltige Partnerschaft mit einem industriellen oder strategischen Partner wünschenswert. Aber ja, Evolva ist ein «Exot» in unserem Portfolio – wie dies notabene vor einiger Zeit auch noch Aryzta war – und erfordert Geduld. Aber wir sind auch hier Partner für unsere Portfoliogesellschaften und kein kurzfristig denkender und agierender Aktivist.

Kursentwicklung der an der SIX gehandelten Evolva-Aktie im vergangenen Jahr. Quelle: six-group.com

Welche Titel in Ihrem Portfolio möchten Sie positiv herausstreichen?

Unser Ansatz fokussiert auf Unternehmen, die von langfristigen Wachstumstreibern profitieren, sich vom Wettbewerb differenzieren, ein stabiles, breites Fundament haben, exzellent geführt und im Vergleich attraktiv bewertet sind. Hier kann man verschiedene Unternehmen wählen. Bachem haben wir bereits erwähnt. Andere Unternehmen wie Sika sind differenzierte Marktführer, die auch im aktuellen Umfeld wieder zurückgehender Preise und rückläufiger Nachfragen ihr erhöhtes Preisniveau halten und somit ihre Margen steigern können. Exzellent geführte Unternehmen wie Sika oder Tecan können auch grössere Akquisitionen erfolgreich integrieren und somit ihr Wachstum anorganisch beschleunigen. Interroll beispielsweise besticht aktuell auch durch ihre Innovationsfähigkeit: Mit den in der vergangenen Woche von Interroll vorgestellten innovativen Sortierweiche können die Amazons dieser Welt ihre Pakete doppelt so schnell sortieren. Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil und somit ein Kaufargument für Interrolls Produkte und daher Aktien.

Welche Titel haben Sie in den vergangenen Monaten reduziert?

Wir sind von den Unternehmen überzeugt, die wir gemäss unserem Ansatz für unser Portfolio ausgewählt haben. Da wir erfreulicherweise zudem in den vergangenen Monaten Nettozuflüsse in den Fonds verzeichnen konnten, mussten wir auch nicht einzelne Positionen reduzieren oder uns von diesen trennen. Einzig unsere Sonova-Position haben wir devestiert, aber aus einem rein technischen Grund: Sonova ist nach der Aufnahme in den SMI schlichtweg nicht mehr in unserem Small&Midcap-Universum.

Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Lehmann. 

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