Unter den Aktionären der Versandapotheke Zur Rose AG hat ein Bundesgerichtsurteil für Verunsicherung gesorgt. Denn das Bundesgericht hatte am 7. Juli 2014 im Rahmen einer öffentlichen Urteilsberatung entschieden, dass Zürcher Ärzte, die über keine Bewilligung für eine Praxisapotheke verfügen und elektronisch an Zur Rose rezeptieren, für bestimmte Aufwendungen nicht mehr entschädigt werden (siehe auch Beitrag aus dem Tagesanzeiger vom 7. Juli 2014). Zur Rose-CEO Walter Oberhänsli erklärt gegenüber schweizeraktien.net, welche Auswirkungen der Entscheid auf das Geschäftsmodell von Zur Rose hat. Er rechne aufgrund des Urteils nicht mit Umsatzeinbussen, so der CEO. Denn die elektronische Rezeptierung werde nicht eingeschränkt.
Herr Oberhänsli, was bedeutet der Bundesgerichtsentscheid im Klartext für Zur Rose?
Wir warten noch auf die schriftliche Urteilsbegründung. Klar sind im Moment nur zwei Aspekte: Erstens, Ärzte können im Auftrag ihrer Patienten weiterhin elektronisch an Zur Rose rezeptieren. Zweitens, das Urteil bezieht sich nur auf den Kanton Zürich, und damit sind 35 Ärzte ohne eigene Praxisapotheke betroffen. Die meisten Zürcher Ärzte tangiert das Urteil nicht, da diese von der Selbstdispensation, die seit dem 1. Mai 2012 im ganzen Kanton – vorbehältlich einer Bewilligung – erlaubt ist, Gebrauch machen und Medikamente in der eigenen Praxisapotheke abgeben.
Was erwarten Sie zusätzlich noch von der schriftlichen Urteilsbegründung?
In der öffentlichen Urteilsberatung wurde kontrovers diskutiert. Grundsätzlich geht es ja hier um die Frage, wie der Mehraufwand der Ärzte entschädigt werden soll, der bei dieser modernen, sicheren und kostensenkenden Art der Medikamentenversorgung anfällt. Dieser Mehraufwand ist übrigens im Heilmittelgesetz vorgeschrieben. Die Umsetzung, sprich die Entschädigung dafür, ist derzeit Gegenstand eines parallelen Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Befürchten Sie aufgrund des Urteils in Zukunft Umsatzeinbussen?
Nein, denn die 2001 von zur Rose entwickelte und eingeführte elektronische Rezeptierung wird nicht eingeschränkt. Sie wird heute bereits von über 1400 Ärzten angewendet, die jährlich mehrere hunderttausend Rezepte ausstellen. Wir gehen davon aus, dass auch die Patienten, die den sicheren und bequemen Versandservice von Zur Rose bereits kennen und schätzen gelernt haben, nicht darauf verzichten wollen.
Warum sollte ein Arzt weiterhin elektronisch rezeptieren, wenn sein Mehraufwand nicht kompensiert wird?
Das elektronische Rezept hat sich als sichere und bewährte Rezeptierungsart längst etabliert und die Vorteile gegenüber dem Papierrezept bekannt. Es lässt keinen Interpretationsspielraum zu, ist fälschungssicher und erhöht damit die Patientensicherheit. Es wird wohl eine politische Diskussion darüber geführt werden müssen, wer für den zweifelsohne sinnvollen Aufwand aufkommen soll.
Wieso soll ein Patient den Versandkanal der stationären Apotheke vorziehen?
Der Medikamentenversand entspricht einem Patientenbedürfnis und ist merklich günstiger als der stationäre Kanal. Vor allem für chronisch kranke, gehbehinderte oder altersschwache Personen erbringt Zur Rose wertvolle Dienste, indem sie diese periodisch mit den notwendigen Medikamenten versorgt und weitere Leistungen übernimmt. Überdies ermöglicht der Versand, auch Medikamente, die auf sensible Krankheiten hinweisen, diskret zu erwerben, ohne in die Öffentlichkeit treten zu müssen.
Sie sagen, der Versandkanal ist günstiger, aber die Krankenversicherer zahlen ja die Medikamente.
Den Hauptteil, richtig. Deshalb befürworten die Krankenversicherer das Modell Versandapotheke ja auch. Das Schweizer Gesundheitswesen spart dank den Versandapotheken jährlich rund 30 Mio. CHF durch Rabatte von bis zu 12% auf dem Publikumspreis und durch Verzicht auf Taxen ein. Der Versandkanal birgt ein enormes wirtschaftliches Einsparpotenzial und bietet überdies eine höhere Qualität aufgrund der durchgängig elektronischen Verarbeitung. Die heutigen Medienbrüche führen zu Mehrfacherfassungen von Daten, hohen Kosten und Fehlern.
Wie setzt sich das Aktionariat von Zur Rose heute zusammen? Sind es weiterhin fast ausschliesslich Ärzte, wie zur Gründungszeiten?
Die Zur Rose-Aktien werden rege an den OTC-Märkten gehandelt; die Gesellschaft hat heute ein breit diversifiziertes Aktionariat.
Nach einem hohen Verlust im Geschäftsjahr 2013 haben Sie an der diesjährigen Generalversammlung angekündigt, im laufenden Jahr wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Hat sich der positive Trend des 1. Quartals im 2. Quartal fortgesetzt?
Sowohl Umsatz und Ergebnis sind auf Kurs. Wir werden den operativen Betriebsgewinn – wie im April prognostiziert – bereits im ersten Halbjahr deutlich steigern können. Genaue Zahlen zum 1. Semester publizieren wir Ende August.
Nach den schwachen Geschäftszahlen für 2013 und dem Dividendenausfall klingt das Bundesgerichtsurteil wie eine weitere Hiobsbotschaft für die Aktionäre der Zur Rose AG. Die Stellungnahme von Walter Oberhänsli zu den Auswirkungen des Urteils auf die Umsatzentwicklung im Schweizer Markt sind daher beruhigend. Hinzu kommt, dass die Zur Rose AG schon zahlreiche Auseinandersetzungen mit der Apotheker-Lobby geführt und zu ihren Gunsten entschieden hat. Allerdings dürften solche Auseinandersetzungen auch in Zukunft nicht ausbleiben. Mit diesem Risiko muss der Aktionär auch künftig leben. Wichtiger ist allerdings die Frage, ob das Deutschlandgeschäft und hier insbesondere DocMorris weiterhin auf Kurs ist. Für Klarheit dürften erst die Halbjahreszahlen sorgen, die Ende August publiziert werden. Bei Aktienkursen von derzeit 21.50 CHF auf der Handelsplattform OTC-X der BEKB wird der Titel mit einem Abschlag auf den Buchwert von 22.54 CHF gehandelt. Sofern das Unternehmen die an der Generalversammlung kommunizierten EBITDA-Ziele von 16 bis 18 Mio. CHF in 2014 erreicht, könnte unter dem Strich ein Gewinn von 6 bis 8 Mio. CHF (1.84 bis 2.45 CHF je Aktie) resultieren. In diesem Fall wären die Aktien auf dem aktuellen Kursniveau günstig bewertet. Wir werden unsere Einschätzung nach Publikation der Semesterzahlen überprüfen.
[…] wird. Im Zusammenhang mit dem Bundesgerichtsurteil, das im Sommer gefällt wurde (siehe auch Interview vom 11. Juli 2014), erklärte Oberhänsli, dass es – nach Durchsicht der schriftlichen Urteilsbegründung – keine […]