Die Freude über den guten Jahresabschluss 2014 war Geschäftsleitung und Verwaltungsrat der Zur Rose-Gruppe an der Generalversammlung (GV) anzumerken. Denn im letzten Jahr ist dem Unternehmen der Turnaround gelungen: Bei einem Umsatz von 915.6 Mio. CHF schaffte die Versandapotheke wieder den Sprung in die schwarzen Zahlen (siehe Blog-Beitrag vom 9. April 2015). Der Reingewinn von 7.2 Mio. CHF reichte auch, um den Aktionären eine Dividende von 0.60 CHF zu beantragen. Diese stimmten nicht nur dieser Ausschüttung aus Kapitalreserven zu, sondern auch der Umfirmierung in „Zur Rose Group AG“ sowie einer Verlängerung des genehmigten Kapitals in Höhe von 5.175 Mio. CHF sowie eines bedingten Kapitals in Höhe von 1.15 Mio. CHF zur Schaffung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes. Mit dem genehmigten Kapital wolle sich die Zur Rose Group die Flexibilität bewahren, Opportunitäten bei Akquisitionen nutzen zu können oder die 2017 fällige Obligationenanleihe abzulösen, erklärte Walter Oberhänsli an der GV und im Interview mit schweizeraktien.net. Im laufenden Geschäftsjahr sollen die noch junge Sparte Specialty Care, die im Bereich von schwer kranken Patienten tätig ist, und das Geschäft mit den rezeptfreien Medikamenten (OTC) bei Doc Morris die Wachstumstreiber sein.
Herr Oberhänsli, wie hat für die Zur Rose Group AG das Geschäftsjahr 2015 begonnen?
Wir sind in allen Bereich gut gestartet. Das Ärztegeschäft in der Schweiz läuft stabil. Besonders erfreulich entwickelt sich das Specialty Care-Geschäft, mit dem wir erst vor drei Jahren begonnen haben. Obwohl wir für dieses Jahr in dem neuen Geschäftsfeld ursprünglich schon optimistisch mit Umsätzen im Bereich von 20 Mio. CHF geplant hatten, dürften wir mit mindestens 40 Mio. CHF mehr als doppelt so viel umsetzen.
Kommt es in diesem Markt nicht zu einer Kannibalisierung mit dem klassischen Ärztegeschäft?
Nein, im Primary Care-Bereich liegt der Fokus rein auf Hausärzten. Mit dem Specialty Care-Geschäft sind wir in den Facharztbereich vorgedrungen. Hier kooperieren wir mittlerweile mit fünf Herstellern und zehn Spitälern. Überraschend ist für uns, dass wir später als unsere Wettbewerber in diesen Bereich eingestiegen sind, aber dennoch so stark wachsen können. Diese Erfahrungen werden uns auch helfen, in Deutschland in das SC-Geschäft einzusteigen.
Wie entwickelt sich Zur Rose in Deutschland?
Bei zur Rose in Deutschland sind wir zufrieden. Das Geschäft mit der dm-Drogeriemarktkette entwickelt sich bekanntlich langsamer, als wir uns das erhofft hatten. Wichtiger ist, dass wir mit dem elektronischen Rezept weiter vorankommen. Nachdem wir die Pilotphase abschliessen konnten, bereiten wir nun den Roll-out vor. Möglicherweise bringt uns das in Deutschland diskutierte E-Health-Gesetz hier Vorteile.
Und wie sind die Perspektiven für die Onlineapotheke DocMorris im laufenden Geschäftsjahr?
Hier beschäftigt uns in diesem Jahr der Umzug in das neue Logistikzentrum in Heerlen. Wir sind auf Kurs und werden den Umzug Mitte Jahr abgeschlossen haben. Im Geschäft mit den nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten, dem OTC-Geschäft, verzeichnen wir ein hohes Wachstum. Das Geschäft mit den rezeptpflichtigen Medikamenten (RX) läuft hingegen seitwärts. Durch einen höheren Werbedruck wollen wir ab 2016 wieder mit einer neuen Wachstumsphase beginnen. Helfen könnte uns dabei der Entscheid des Europäischen Gerichtshofes, der ein Urteil fällen muss, ob das deutsche Festpreissystem für Arzneimittel mit europäischem Recht vereinbar ist. Gestern (am 6.5.) hat der Gerichtshof die Klage angenommen. Wir rechnen daher mit einem Entscheid in den nächsten zwölf Monaten.
Was passiert, wenn das Urteil zugunsten des deutschen Festpreissystems ausfällt?
Dann werden wir weiterhin mit der Qualität unserer Leistungen punkten müssen, ohne Rabatte anbieten zu können. Das Wachstum wäre dann weniger gross. Ansonsten rechnen wir mit zweistelligen Wachstumsraten im RX-Geschäft. In diesem Jahr werden Specialty Care und das OTC-Geschäft die Wachstumstreiber sein. Nächstes Jahr könnte dann bei DocMorris das RX-Geschäft einen zusätzlichen Schub geben.
Welchen Einfluss hat die Aufhebung der Wechselkursuntergrenze auf die konsolidierte Jahresrechnung der Zur-Rose-Gruppe?
In Lokalwährung erwarten wir eine Umsatzsteigerung. Im konsolidierten Abschluss wird es jedoch zu einer Umsatzreduktion von etwa 40 bis 50 Mio. CHF kommen, sofern der Euro auch zum Jahresende bei 1.05 CHF stehen sollte. Wir setzen alles daran, trotz der ungünstigen Wechselkurssituation das Ergebnis mindestens auf Vorjahresniveau halten zu können.
Sie haben Anfang Jahr die Mehrheitsbeteiligung an BlueCare übernommen. Wie sieht die Zusammenarbeit genau aus, und was versprechen Sie sich mittelfristig von der Kooperation?
Wir sind bereits seit 2000 an BlueCare beteiligt und haben nun mit 75% die Mehrheit übernommen. BlueCare ist ein Think Tank, der sich mit Innovationsmanagement und auch mit dem Medikationsmanagement beschäftigt. Ein grosser Teil der Kosten für die Medikation entstehen heute erst bei der Einnahme der Medikamente, denn diese wird nur vom Patienten kontrolliert. Die falsche oder unregelmässige Einnahme von Medikamenten führt zu einem geringeren oder gar dem Ausbleiben des Behandlungserfolgs. Mit unseren Entwicklungen und Services wollen wir den Patienten dabei unterstützen, die Medikamente auch richtig anzuwenden.
Also ist BlueCare künftig so etwas wie eine ausgelagerte Entwicklungsabteilung der Zur-Rose-Gruppe?
Das könnte man so sagen. Allerdings ist BlueCare auch ein eigenständiges Unternehmen, das Dienstleistungen für Dritte erbringt und seit Jahren profitabel arbeitet. Daher wird BlueCare auch einen Ergebnisbeitrag zum Gruppenergebnis leisten.
Sind in Zukunft weitere Akquisitionen geplant und wenn ja: in welchen Bereichen?
Wir haben an der Generalversammlung die Verlängerung des genehmigten Kapitals um zwei Jahre beschlossen. Dadurch möchten wir in der Lage sein, bei entsprechenden Opportunitäten zugreifen zu können. Allerdings haben wir derzeit keine konkreten Akquisitionspläne.
Wollen Sie mit einer möglichen Kapitalerhöhung auch die 50 Mio. CHF-Anleihe ablösen, wenn diese 2017 fällig wird? Immerhin zahlen Sie derzeit mit 4 1/8% angesichts der günstigen Zinssituation einen recht hohen Zinssatz.
Die Ablösung der bestehenden durch eine neue Anleihe wäre derzeit sicher günstiger, da nicht nur die Zinsen tiefer sind, sondern Zur Rose sich jetzt auch als Kapitalmarktteilnehmer etabliert ist. Eine vollständige Ablösung der Anleihe durch Eigenkapital würde wenig Sinn machen.
Die Zur Rose Group AG möchte die Phase der Integration von DocMorris und der Restrukturierung so rasch als möglich hinter sich lassen und wieder auf Wachstumskurs gehen. Dies wurde an der GV deutlich. Der Start in das Geschäftsjahr 2015 scheint gelungen zu sein. Obwohl die Wechselkurssituation das konsolidierte Ergebnis negativ beeinflussen könnte, ist dennoch ein Reingewinn – unter Ausschluss der einmaligen Steuergutschrift von 2.6 Mio.CHF – im Bereich von 4 bis 5 Mio. CHF denkbar. Bei einem Gewinn pro Aktie von 1.22 bis 1.53 CHF und Kursen um die 25.20 CHF, die auf der OTC-X Plattform gezahlt wurden, beträgt das Kurs/Gewinn-Verhältnis 16 bis 20. Die Dividendenrendite liegt bei 2.4%. Damit ist die Aktie auf dem aktuellen Kursniveau fair bewertet. Verglichen mit börsenkotierten Unternehmen, die im e-Commerce tätig sind, ist die Bewertung allerdings eher moderat. Sofern die Rückkehr auf den Wachstumspfad in den kommenden Jahren nachhaltig gelingt, sind daher weitaus höhere Kurse möglich. Anleger brauchen dabei allerdings noch etwas Geduld.