Der Schweizer Detailhandel hat derzeit viele Gründe zum Klagen: den starken Franken, den Einkaufstourismus und den Vormarsch des Onlinehandels. Auch die traditionsreiche Berner Warenhaus- und Immobiliengruppe Loeb blieb von diesen Einflüssen im Geschäftsjahr 2015 nicht verschont. Der Nettoertrag ging um 2.6 % auf 99.8 Mio. CHF (Vorjahr: 102.5 Mio. CHF) zurück. Das Betriebsergebnis auf Stufe EBITDA lag mit 12 Mio. CHF um 13.2% unter dem Vorjahreswert. Die schwache Entwicklung an den Finanzmärkten führte schlussendlich zu einem Rückgang des Gruppengewinns auf 2.1 Mio. CHF. Die Aktionäre erhalten eine Dividende in Höhe von 1.50 CHF pro Partizipationsschein und Namenaktie B sowie eine steuerlich begünstigte Nennwertrückzahlung in gleicher Höhe.
Im Gespräch mit schweizeraktien.net macht Firmenchefin Nicole Loeb deutlich, dass es auch in den kommenden Jahren im Detailhandelsgeschäft nicht so rasch aufwärts gehen werde. Dennoch sieht sie die Zukunft von Loeb als Detailhandelsunternehmen. An der Strategie mit den zwei Sparten Warenhäuser und Immobilen will Nicole Loeb daher festhalten. Ausserdem nimmt sie Stellung zur Kursentwicklung von Aktien und PS in den letzten Jahren.
Frau Loeb, Ihr Unternehmen hat in den vergangenen zwanzig Jahren durch eine sehr unstete Entwicklung von sich reden gemacht. Kursmässig waren die Aktien und PS alles andere als Raketen. Wie ist das zu erklären?
Nicole Loeb: Da muss ich etwas ausholen. Zwischen 2000 und Sommer 2007, kurz vor dem Beginn der Bankkrise, hat sich der PS-Kurs parallel zum Swiss Performance Index entwickelt, und der Börsenkurs lag zeitweise über 300 Franken, also auf der Höhe des Buchwertes. Ab Herbst 2007 bildete sich der Kurs aber sukzessive bis auf 175 Franken zurück. Dies, obwohl sich die Rentabilität der Loeb-Gruppe bis Ende 2014 massiv verbesserte.
Was sind die Gründe dafür?
Ich sehe zwei Gründe: das spürbar verminderte Interesse der Anleger für Nebenwerte und der Ausstieg von internationalen Investoren. Wegen der massiven Aufwertung des Schweizer Frankens konnten diese durch den Verkauf der PS substanzielle Kursgewinne realisieren.
War diese Entwicklung auch der Grund, die Titel von der Börse zu nehmen?
Ja. Anfang Oktober 2015 haben wir den Wechsel der PS von der Schweizer Börse zur Ausserbörsenplattform der Berner Kantonalbank (BEKB) vollzogen. Trotz Dekotierung ist der Kurs seither stabil geblieben. Die Volumina sind praktisch gleich gross wie zuvor an der Schweizer Börse. Bereits seit 2014 haben die Minderheitsaktionäre die Möglichkeit, ihre B-Aktien an der OTC-X zu veräussern. Der Handel ist aber gering.
Erstmals seit mehreren Jahren müssen sich Aktionäre und PS-Inhaber für das Geschäftsjahr 2015 mit einer tieferen Dividende begnügen.
Wir lassen unsere Teilhaber seit Jahren angemessen am Erfolg teilhaben. Der Verwaltungsrat beantragt die Höhe der Dividende aber jährlich neu, vor allem basierend auf dem Gewinn. Und weil dieser 2015 zurückging, ist es nur natürlich, dass nun auch die Dividende etwas schmäler ausfällt. Durch die steuerlich begünstigte Nennwertrückzahlung können wir jedoch einen Teil der Dividendenkürzung kompensieren.
Keine Naturaldividende als «Zückerli»?
Wir laden unsere PS-Inhaber und -inhaberinnen traditionsgemäss zur PS-Versammlung mit anschliessendem Apéro ein. Dieses Jahr am 2. Mai 2016 ins Stade de Suisse. Unsere Gäste erhalten dort am Ende der Veranstaltung eine Tagesrabattkarte geschenkt.
Geht es in den nächsten beiden Geschäftsjahren wieder aufwärts?
Wohl nicht sofort. Das Jahr 2016 wird anspruchsvoll bleiben. Ich rechne mit einer weiterhin stagnierenden Kundennachfrage, nicht zuletzt wegen dem nach wie vor überteuerten Franken. Der Einkaufstourismus ins Ausland dürfte sich also fortsetzen. Und auch der Onlinehandel wird an Bedeutung zunehmen. An den Finanzmärkten ist mit einer anhaltend hohen Volatilität zu rechnen. Eine Erholung der Ertragssituation dürfte also frühestens im 2. Halbjahr 2016 eintreten.
Wie sehen Sie die mittel- und langfristigen Perspektiven der beiden wichtigsten Standbeine Immobilien und Detailhandel?
In der Sparte Immobilien gehen wir für die nächsten zwei Jahre von stabilen Erträgen aus, da wir praktisch keine Leerbestände haben. Ein Teil der Liegenschaften ist intern vermietet. Dadurch besteht eine gewisse Abhängigkeit der beiden Sparten. Im Detailhandel wird das laufende Geschäftsjahr schwierig bleiben, die Umsätze bleiben unter Druck. Eine Effizienzsteigerung wird dank der Einführung einer neuen Software in der Warenbewirtschaftung möglich sein. Dies aber erst ab 2017.
Der weitherum bekannte Name Loeb und die absolute Toplage im Detailhandel sind doch Trümpfe, die besser stechen müssten.
Gewiss, die Warenhäuser Loeb sind in der Region Bern gut verankert. Nichtsdestotrotz sind wir wie unsere Mitbewerber den allgemeinen Entwicklungen des Detailhandels ausgesetzt.
Was für Pläne hat Loeb im Immobilienbereich? Sind Sie nur an Gewerbeliegenschaften interessiert oder kommen auch Wohnimmobilien in Frage?
Gemischt genutzte Liegenschaften mit Büro,- Laden-, und Wohnanteil im Espace Mittelland werden laufend evaluiert. Die Preise für Liegenschaften an zentraler Lage sind aber weiterhin prohibitiv hoch. Deswegen wurden seit 2012 keine Akquisitionen mehr getätigt. Reine Wohnliegenschaften stehen nicht zur Debatte, diese gehören nicht zum Kerngeschäft der Loeb-Gruppe.
Welche Anlagestrategie verfolgen Sie im Wertschriftenbereich?
Wir investieren ausschliesslich in passive Anlagen. 60 Prozent sind in Aktienfonds angelegt, 40 Prozent Obligationen in Schweizer Franken.
Sucht Loeb nach einem dritten oder vierten Standbein?
Oder steht die Abspaltung einer Sparte im Vordergrund?
Nein, wir halten an unserer Strategie der Immobilien- und Detailhandelssparte fest. Innerhalb der Loeb AG konzentrieren wir uns auf die vier Geschäftsfelder Warenhäuser, MAGGS- und Markenstores sowie das Onlinegeschäft. Unser Kerngeschäft bildet dabei nach wie vor der Betrieb der Warenhäuser.
Und Sie sind überzeugt davon, dass Loeb als Detailhandelsunternehmen auch langfristig überleben kann?
Ganz klar ja. Loeb ist und bleibt ein Detailhandelsunternehmen. Der stationäre Handel in den Innenstädten wird auch in Zukunft seine Daseinsberechtigung haben. Auch wenn die Herausforderungen gross sind. Zum Beispiel durch den Onlinehandel, der seinen Marktanteil in den kommenden Jahren noch weiter ausbauen wird. Doch neueste Studien zeigen, dass die heutigen Konsumenten zwar das bequeme Einkaufen im Netz schätzen, dass sie deshalb aber nicht auf den stationären Handel verzichten wollen. Denn dieser bietet einige Vorteile wie den persönlichen Service oder die sofortige Verfügbarkeit der Ware. Als grösstes Plus würde ich aber die sinnliche Wahrnehmung der Produkte betrachten. Der Artikel kann befühlt und von allen Seiten betrachtet werden.
Die Ware einfach nur ins Regal stellen, wird aber nicht mehr ausreichen.
Sicher nicht. Aber auf die Inszenierung der Produkte verstehen wir uns seit je. Auch stehen der Kunde und seine Bedürfnisse seit immer im Zentrum unseres Handelns. Verstärkt gefragt sind Erlebnisse, soziale Kontakte, Mehrwerte und spannende Gastrokonzepte. Hier wollen wir ansetzen.
Die ganze Branche klagt über die massive Frankenaufwertung und die Zunahme des Online-Handels. Wie stark sind Sie davon betroffen?
Den Preisdruck spüren wir in erster Linie im Modebereich. Die Abwanderung ins Ausland ist massiv. Gemäss einer Studie der Credit Suisse hat die Schweizer Bevölkerung im grenznahen Ausland rund 11 Milliarden ausgegeben. Und dieselbe Studie belegt, dass der Onlineanteil im Segment Bekleidung über 13 Prozent erreicht. Es gibt aber auch weitere Faktoren, die wir spüren, wie die jährlichen wachsenden Verkaufsflächen oder vertikale Anbieter, die ihre Ware direkt vertreiben. Das Angebot wächst – der Konsument gibt aber nicht automatisch mehr Geld aus. Das heisst, der Kuchen bleibt gleich gross, aber die Stücke werden kleiner.
Und was können Sie dagegen unternehmen?
Im Bereich Online fokussieren wir uns auf die Bereiche Haushalt, Küche und Gedeckter Tisch. Wir haben uns ganz bewusst für diesen Schritt entschieden, da es sich im Online-Business einerseits um einen Nischenbereich handelt. Zudem sind die Retourenquoten wesentlich tiefer als beispielsweise bei den Textilien. Seit neuestem bieten wir unser Online-Sortiment zusätzlich auf dem Online-Marktplatz siroop an. Dadurch erreichen wir eine höhere Reichweite.
Was sind die wichtigsten langfristigen Grossprojekte der Loeb-Gruppe?
Wir werden in den nächsten fünf Jahren stark in unsere Warenhäuser in Bern, Biel und Thun investieren. Bereits dieses Jahr führen wir ein neues Warenbewirtschaftungssystem ein. Dank neuer ERP-Software vereinfachen und vereinheitlichen wir künftig die internen Abläufe, was mittelfristig zu tieferen Betriebskosten führen wird.
Nach Schätzungen von Analysten liegt der Substanzwert der Loeb-Titel gut doppelt so hoch wie die derzeitigen Kurse. Können die Aktionäre und PS-Inhaber auf eine Angleichung hoffen?
Tatsächlich ist der Abstand zwischen Buchwert und Kurswert erheblich. Dies hat damit zu tun, dass der Kurswert eher dem Ertragswert der Loeb-Gruppe entspricht. Der Substanzwert ist wegen des Immobilienportfolios jedoch deutlich höher. Eine Angleichung beider Werte wäre wünschenswert, würde aber entweder eine massive Verschuldung des Konzerns oder eine massive Erhöhung der Jahresgewinne voraussetzen. Ersteres streben wir selbstverständlich nicht an, um die Unabhängigkeit der Gruppe nicht zu gefährden. Letzteres ist aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation nicht realistisch.
Planen Sie eine Änderung der komplizierten Titelstruktur?
Nein, unter der heutigen Aktionärsstruktur und -zusammensetzung ist eine Einführung der Einheitsaktie nicht vorgesehen. Loeb ist seit nunmehr 135 Jahren ein substanzstarkes Familienunternehmen. Die Stimmrechtsaktien helfen mit, das Familienunternehmen vor unfreundlichen Übernahmeversuchen zu schützen und diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Die aktuelle Struktur ermöglicht eine kontinuierliche Umsetzung der langfristig orientierten Strategie. Dies ist gerade in einem konjunktursensitiven Geschäft wie dem Detailhandel ein sehr grosser Vorteil. Und zwar für alle Aktionäre und Partizipanten.