Im Jahr 2015 wurde bereits einer von sechs von institutionellen Anlegern investierten USD nach ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) allokiert. Zwischen 2005 und 2012 wuchsen die Assets under Management (AuM) von „verantwortlichen“ Vermögensverwaltern durchschnittlich um 34% p.a. gegenüber lediglich 3% bei allen andern.
Das heisst im Umkehrschluss, dass Unternehmen, die „verantwortlich“ wirtschaften, auch besseren Zugang zu Eigen- und Fremdkapital haben. Aus Investorensicht ist es eindeutig so, dass Unternehmen transparenter werden und besser rapportieren, wenn sie die 17 „Sustainability Development Goals“ der UN umsetzen. Damit gewinnen die Unternehmen an Reputation, werden als Arbeitgeber attraktiver und zeigen, dass sie ernst meinen mit dem Corporate Citizenship. Das bessere Reporting beseitigt auch Informationsasymmetrien und erschliesst somit neue Anlegerkreise für die Unternehmen.
Nachhaltigkeit reduziert Risiken …
Folge ist, dass die Risiken aus Investorensicht deutlich sinken. Wo zeitgemässe Governance-Richtlinien in Kraft sind und auch dokumentiert umgesetzt werden, sind Betrug und Veruntreuung kaum noch zu erwarten. Wo Umwelt- und Naturschutz nicht nur Lippenbekenntnisse sind, sondern erkenntlich die Geschäftspolitik prägen, sind keine Prozesse und Schadenersatzansprüche aus der Kontamination oder Belastung von Mensch und Umwelt wahrscheinlich.
… und senkt Kapitalkosten
Das höhere Vertrauensniveau senkt die Kapitalkosten und erhöht somit die Wettbewerbsfähigkeit. Das schätzen die Investoren, und es zeigt sich auch in diversen Studien, dass Aktien von verantwortlich geführten Unternehmen besser performen als andere. Damit ist die Nachhaltigkeit inzwischen auch auf dem CEO/CFO-Level angekommen, oder sollte es zumindest sein. Nachhaltigkeit ist heute nicht mehr etwas Beiläufiges, wie bislang, sondern etwas, was die Investoren und andere Stakeholder fordern.
ESG-Leader sind Market Leader
Es ist auch ein immer wichtiger werdendes Merkmal der Differenzierung, denn die Best-in-Class Unternehmen der unterschiedlichen Industrien zeichnen sich durch umfassende Anwendung der ESG-Prinzipien aus. Ein gutes Beispiel ist der Jeanshersteller Levi Strauss, der den Chemikalien- und Wasserverbrauch durch intelligente und nachhaltige Abläufe signifikant reduziert hat und das gewonnene Know-how zum Wohl des Planeten sogar kostenfrei den Wettbewerbern zur Verfügung stellt. Das gefällt den Jeansträgern, die, wie Levi Strauss herausfand, die Welt durch nachhaltiges Verhalten und Wirtschaften verbessern wollen.
Sustainability als Wachstumsstrategie
Oder Unilever, deren CEO Paul Polman Massstäbe setzt bei der konsequenten Realisierung der 17 Sustainability-Ziele. Unilever hat vor zwei Jahren als Eisbrecher in der Kosmetikindustrie die schädlichen Micro-Perlen aus Plastik verbannt, die heute weitgehend aus den unterschiedlichen Produktkategorien in den Regalen des Einzelhandels verschwunden sind. Unilever gilt nicht zu Unrecht als No. 1 Arbeitgeber im Bereich Packaged Goods mit mehr als 1.8 Mio. Bewerbungen p.a. Der Schlüssel zum Erfolg ist laut Polman, die SDGs zum Kernstück der Unternehmensstrategie zu machen und sich so die neuen Märkte in Billionenvolumen zu erschliessen.
Die weitsichtigen Unternehmen erkennen auch, dass sie Wettbewerbsvorteile in ihren Märkten gewinnen, z.B. wollen immer mehr Konsumenten „saubere“ Produkte, und wer die bietet, gewinnt auch Marktanteile. Die Umsetzung der SDG-Prinzipien kann regelrecht zur Marketingstrategie werden, weil die Käufer zunehmend solche Produkte und Dienstleistungen nachfragen.
Banken hissen Nachhaltigkeitsflagge
Diese Faktoren und der bessere und günstigere Zugang zu Kapital ergeben kombiniert einen Wettbewerbsvorsprung, der sich in höheren Wachstumsraten und einer verbesserten Profitabilität niederschlägt. So ist es nicht verwunderlich, dass auch die grossen Banken das Feld für sich entdeckt haben. Ob Credit Suisse, BNP-Paribas oder Morgan Stanley: Responsible Investment ist auch in der Finanzwirtschaft ein grosses Thema geworden.
Big money on the move
Die in verschiedenen Institutionen organisierten institutionellen Investoren, die sich für die SDGs oder ESG-Kriterien, ethisches oder Impact Investment engagieren, repräsentieren insgesamt 70 Billionen USD-Anlagevermögen, von denen immer grössere Anteile entsprechend den verfolgten Prinzipien ausgerichtet werden. Inzwischen gibt es auch zahlreiche massgeschneiderte Indizes, u.a. von Dow-Jones, Thomson-Reuters, Bloomberg, die es möglich machen, bspw. in Indizes ohne Öl&Gas-Aktien zu investieren.
Wer kennt die Agenda 2030?
So sinnvoll die gemeinsame weltweite Anstrengung zur Realisierung der Ziele bei Beschränkung der Treibhausgase, Reduzierung von Hunger, Armut, Ungleichheiten, Wasser- und Luftverschmutzung etc. ist: Bei den weitaus meisten Entscheidungsträgern, Meinungsführern und Medien – und damit auch der breiten Bevölkerung – sind Existenz, Inhalt und Forderungen der „Agenda 2030“ weitgehend unbekannt.
Automobile als Killer
Diejenigen, die gerne so weitermachen wollen wie bisher, sind träge und bequem, oft mächtig und wohl auch in der Überzahl. Sie erhalten Bestätigung für ihre Sichtweise durch die Rückschritte der neuen amerikanischen Regierung, die die Ergebnisse der Klimaforschung negiert, aus dem Pariser Abkommen austreten will und gerade die eigene Umweltbehörde EPA demontiert. Weniger drastisch, aber genauso schädlich sind die Bekenntnisse von Daimler-CEO Zetsche, der einerseits zwar den Umbau von Daimler zum E-Car Unternehmen verkündet, aber gleichzeitig die Diesel-Technologie weiter ausbauen will. Aktuelle Studien zeigen, dass gerade wegen der Luftverschmutzung in den Innenstädten rund 5.5 Mio. Menschen pro Jahr verfrüht sterben und viele Millionen mehr an chronischer Bronchitis und anderen respiratorischen Beschwerden leiden. Laut Weltbank fallen die aus der Lustverschmutzung resultierenden Kosten von jährlich 5 Billionen USD überproportional auf die Entwicklungsländer. Sollten Städte für Maschinen wie Autos optimiert sein – oder doch eher für die zunehmend seltsam überflüssig erscheinenden biologischen Einheiten mit ihren Bedürfnissen nach Regeneration in Ruhe und frischer Luft?
Verbrennungsmotoren vor dem Ende
Der Grossteil der Treibhausgase stammt aus Verbrennungsmotoren. Eine für das 21. Jahrhundert primitiv anmutende Energiequelle. Allerdings sind die Öl- und Automobil-Industrien im 20. Jahrhundert ins Zentrum der Modernisierung und Mobilisierung von Wirtschaft und Gesellschaft gerückt, eine mächtige Position, die sie nicht aufgeben wollen. Innovationen, die Alternativen für Energie und Mobilität bedeuten, werden allen Lippenbekenntnissen zum Trotz ausgebremst. Die Verbraucher, die ja auch Wähler sind, können über entsprechende Gesetzgebungsverfahren darauf hinwirken, Verbrennungsmotoren früher als 2025 oder 2030, wie in den skandinavischen Ländern und Deutschland angekündigt, nicht mehr zuzulassen und von den Strassen zu verbannen.
Rinder heizen Atmosphäre auf
Den zweitgrössten Anteil an den anthropogenen Treibhausgasen steuert die Landwirtschaft bei, inklusive den Effekten aus Düngemittelproduktion und -einsatz sowie der Entwaldung sind es 24%. Laut UN-Prognose ist bis 2050, in 33 Jahren, mit einer Weltbevölkerung von 9.6 Mrd. Menschen zu rechnen. Das entspricht einem jährlichen Nettozuwachs von etwa 1.1% von der heutigen Basis aus – oder 80 Mio. Münder. Etwa im Jahr 1800 wurde die 1 Mrd.-Schwelle bei der Weltbevölkerung genommen, 1960 die 3 Mrd.-Marke.
Theoretisch könnte jeder satt werden, doch der sogenannte Fortschritt der letzten Jahrzehnte hat vor allem dazu geführt, dass die industrielle Fleischproduktion zugenommen hat. Bekanntlich benötigt ein Kilo Rindfleisch 8 Kilo Getreide o.ä. an „Input“. Den grössten Anteil hat Soya. Zwischen 1996 und 2015 wurde die jährliche Erntemenge von 130 Mio. auf 270 Mio. Tonnen gesteigert, wovon 80% in die Tiermast gehen. Das Spiegelbild zu der schönen Wachstumskurve ist die fortschreitende Vernichtung des Amazonas-Regenwaldes, der Lunge der Welt. Während die sauerstoff-produzierenden Wälder vernichtet werden, kommen ständig neue Rinder dazu. Heute dürften es rund 1.5 Mrd. Rinder sein. Für das Klima gibt es kein schädlicheres Tier, denn die Wiederkäuer unterliegen der „Enterischen Fermentation“, was zur Freisetzung immenser Mengen von Methangasen führt. Wissenschaftler schätzen recht zuverlässig, dass Rinder die Ursache von 27% der anthropogenen Methangasemissionen sind.
Biodiversität gegen Soya und Burger
Nicht nur in den Ländern der industrialisierten Welt wird weit mehr Fleisch gegessen als der Gesundheit zuträglich ist, sondern inzwischen auch in Ländern, die sich bis vor kurzem noch weitgehend vegetarisch ernährten wie Indien. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Wohlstand kommen auch westlicher Lebensstil, Fast Food und einseitige Ernährung auf, was sich in Adipositas (Fettleibigkeit), Diabetes und weiteren Zivilisationskrankheiten niederschlägt. Die waren zu Zeiten Mahatma Gandhis nahezu unbekannt. Die Folge dieses Nachfragetrends ist, dass noch mehr Regenwald weichen muss, damit mehr Getreide für noch mehr Rinder angebaut wird, die noch mehr Methangase produzieren.
Fleischproduktion der Zukunft
Einen Ausweg aus dieser letztlich selbstzerstörerischen Spirale bietet die Biotechnologie, die heute in der Lage ist, aus wenig echtem Fleisch und Hefekulturen Burger und Steaks zu produzieren, die selbst nach dem Urteil von Gourmets den herkömmlichen Fleischprodukten in nichts nachstehen. Während der erste so produzierte Burger noch 250’000 USD kostete, sinken die Kosten bei entsprechenden Skaleneffekten auf ein marktkonformes Niveau. Zu den Vorteilen zählt, dass keine Methangase emittiert werden, keine Wasserverschmutzung eintritt und die Biodiversität nicht weiter dezimiert wird.
Sauerstoff oder Mikroben?
Pro Jahr gehen durch Deforestation, Umweltverschmutzung und sonstige menschliche Aktivitäten geschätzte 140’000 Spezies verloren. Das liegt um den Faktor 100x bis 1’000x über der „natürlichen Rate“. Wissenschaftler sprechen mit Blick auf das Artensterben vom „Sechsten Massenaussterben“, das allerdings im Gegensatz zu allen früheren Ursachen wie Asteroideneinschlägen, kosmischen Kollisionen und Gammastrahlenblitzen anthropogen sei, d.h. vom Menschen als „Super-Raubtier“ verursacht. Die SDG-Initiative kommt zwar spät, aber vielleicht doch nicht zu spät, denn der Planet überrascht auch immer wieder mit seiner erstaunlichen Fähigkeit zur Anpassung und Regenerierung. In einer Welt ohne Sauerstoff werden allerdings wie in den frühen Erdzeitaltern lediglich Mikroben prosperieren.