Zur Rose Group: Auf der Zielgeraden zum IPO und 3 Gründe, warum das Zur Rose-IPO 2017 nicht mit dem DKSH-Börsengang 2012 vergleichbar ist

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Die Logistik der Zur Rose Gruppe hat alle Hände voll zu tun. Bild: Zur Rose Group AG

In zwei Tagen ist es soweit. Die Zur Rose Group AG wird als Neuzugang an der Schweizer Börse gelistet sein. Die auf der Zielgeraden sogar noch verkürzte Bookbuilding-Periode endet bereits am heutigen 4. Juli 2017 um 12.00 Uhr (MESZ) für Retail- und Private-Banking-Kunden und um 14.00 Uhr (MESZ) für institutionelle Anleger. Die Erstnotiz an der SIX Swiss Exchange ist für den 6. Juli 2017 geplant.

Die jüngsten Meldungen von Unternehmensseite deuten auf eine sehr starke Investoren-Nachfrage hin, was entsprechend bereits zu einer Einengung der Zeichnungsspanne auf 135 bis 140 CHF geführt hat. Die letzten Kurse auf OTC-X liegen mit 144 CHF (Kurs vom 3.7.2017) leicht oberhalb dieser Spanne und indizieren ebenfalls ein erfolgreiches IPO. Wenn bis dahin nichts Gravierendes mehr passiert, schlägt Zur Rose am Donnerstag in einem für „wachstumsorientierte Geschäftsmodelle“ sehr freundlichen Marktumfeld ein neues Kapitel in ihrer Unternehmensgeschichte auf.

Der OTC-X-Handel verliert damit einen wichtigen Titel. Insbesondere im letzten Jahr war die Zur Rose-Aktie DER „Performance-Star“ im OTC-Sektor und brachte dem gesamten ausserbörslichen Aktienmarkt viel Aufmerksamkeit.

Die Geschichte der bereits seit 2008 auf OTC-X gehandelten Zur-Rose-Aktie zeigt bei allem Wehmut über den OTC-X-Abschied und bei aller Neugier auf den Neubeginn an der SIX aber auch auf, welche Erfolgsgeschichten am ausserbörslichen Aktienmarkt der Schweiz mit etwas Geduld und aufmerksamer Marktbeobachtung über gleich mehrere Tellerränder hinaus geschrieben werden können. Auch eine gute Portion Glück darf bei dieser Aufzählung natürlich nicht fehlen.

Fairerweise muss man allerdings auch feststellen, dass sich aktuell kein weiteres OTC-Unternehmen anschickt, quasi „Zur Rose 2.0“ zu werden. Deshalb ist es auch denkbar, dass es mit dem Abschied der Zur Rose vom OTC-Tableau dort auch wieder etwas ruhiger zugehen wird, auch wenn der Sektor nicht zuletzt wegen Zur Rose verstärkt in den Anlegerfokus geraten ist.

Bis auf die Zielgerade zum IPO eine kontrovers diskutierte Erfolgsgeschichte

Viel ist über Zur Rose zuletzt geschrieben worden – positiv und negativ. An Zur Rose scheiden sich bis heute „auf der Zielgeraden zum IPO“ die Geister.

Etwas überspitzt: Die einen „lieben“ Zur Rose mit der aus Apothekersicht besonders stacheligen DocMorris, weil sie sich furchtlos auch an fast übermächtig erscheinenden Gegnern abarbeitet, dabei selbst hart attackiert wird, aber auch nicht davor zurückschreckt, den hingeworfenen Fehde-Handschuh aufzunehmen und die zahlreichen (und nicht gerade zahnlosen) Gegner mit bemerkenswerter Energie, einer klaren Marktorientierung und immer neuen Schachzügen zu verschrecken.

Zur Rose wird aber auch mit sehr viel Leidenschaft und Herzblut „gehasst“, wie man gerade in diesen turbulenten Tagen in deutschen Apothekerforen nachlesen kann. DocMorris scheint des deutschen Apothekers liebster Feind.

Der bevorzugt von den deutschen Apothekern, gerne auch mit Unterstützung von Teilen der deutschen Politik, in der Öffentlichkeit ausgetragene „Glaubenskrieg“ um Zur Rose und das Geschäftsmodell Versandapotheke macht allerdings auch vor der Anlegergemeinde nicht Halt und zeigt den Investoren auf, wie unglaublich schwer es ist, sich angesichts der Vielfalt niederprasselnder, nicht selten auch widersprüchlicher Eindrücke, die „richtige Meinung“ bilden zu können.

Zu teuer oder zu billig? Die Antwort kennt nur „der Markt“ 

Ist die Aktie nun „zu teuer“ oder „zu billig“? Hat das Zur Rose-Geschäftsmodell eine Zukunft oder nicht? Ueber wenige Aktien kann man wohl derart kontrovers – und am Ende vermutlich häufig sogar ergebnislos – diskutieren, insbesondere dann, wenn man die Aktie durch die Brille des klassischen Value-Investors betrachtet und auf den Kurs schaut, der sich scheinbar eine „Parallelwelt“ geschaffen hat.

Der Value-Investor „alter Schule“ legt in solchen Momenten schnell die Stirn in Falten. Auf die Sorgenfalten folgen beim Blick auf zunehmend umsatzorientierte Bewertungen für „wachstumsorientierte Unternehmen“ dann nicht selten Schweissausbrüche: „Ja, aber die Bewertung“.

Ja, die Bewertung ist zweifelsfrei hoch nach klassischen Massstäben wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, EV/EBITDA oder, beinahe schon antiquiert, dem Kurs-Buchwert-Verhältnis.

Aber soll nicht der Markt auch diesmal entscheiden, ob das zweifelsfrei mit Blick auf 2017, 2018, 2019 alles andere als analytisch günstige Geschäftsmodell der Zur Rose eine gute Zukunft hat oder nicht?

Der verlässlichste Indikator für Erfolg und Misserfolg ist und bleibt der Markt – auch wenn „der Markt“ mit seiner berühmten unsichtbaren Hand kurzfristig zu Uebertreibungen in beide Richtungen neigt und es oft sehr lange dauern kann, bis sich letztlich ein „fairer Gleichgewichtspreis“, der dann auch „fundamental“ nachvollziehbar ist, eingestellt hat.

Die in vielerlei Hinsicht tapfere Zur-Rose-Gruppe hat diese Chance verdient, sich nach ihrem Leben auf der OTC-X-Plattform jetzt „neuen Herausforderungen zu stellen“ und zu zeigen, dass das Geschäftsmodell auf längere Sicht eine Daseinsberechtigung hat und Mehrwert für alle schafft: für Patienten, Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre!

Gerne bemühter Vergleich zum DKSH-IPO 2012 greift zu kurz

In verschiedenen Medienberichten (z.B. hier) wurde jüngst rund um das Zur Rose-IPO eine vermeintliche Analogie zum Börsengang des Handelshauses DKSH im Jahr 2012 hergestellt und, mit Blick auf die DKSH-Geschichte, auf die Gefahr eines Kursabsturzes nach dem IPO hingewiesen. Im Vorfeld des DKSH-IPO schossen die OTC-Kurse in spekulativer Erwartung höherer IPO-Kurse in die Höhe, im Hoch bis auf 88.00 CHF (17.02.2012). Mit dem IPO ging es dann wieder in den Keller. Natürlich kann ein Kursabsturz „nach IPO“ auch für Zur Rose nicht ausgeschlossen werden, aber die strukturellen Unterschiede zwischen DKSH damals und Zur Rose heute sind zu gross, um eine Vergleichbarkeit überhaupt herstellen zu können.

Die einzige Gemeinsamkeit ist aus unserer Sicht: Auch DKSH war vor dem Gang an die SIX im ausserbörslichen OTC-X-Handel gelistet.

3 Gründe, warum Zur Rose 2017 anders ist als DKSH 2012

Daneben haben wir drei Gründe identifiziert, warum Zur Rose 2017 anders ist als DKSH 2012.

  1. „Pre-IPO-Kurse“ vs. IPO-Spanne

Der DKSH-Börsengang wurde Anfang Februar 2012 angekündigt – ohne Nennung einer Bookbuilding-Spanne. Seit Anfang Februar 2012 hatte der DKSH-Kurs auf OTC-X in einem sehr illiquiden Markt von etwa 65 CHF innerhalb weniger Tage bis auf fast 90 CHF zugelegt. Der vorläufige Höchstkurs von 88 CHF wurde bereits am 17. Februar 2012 erreicht. Bis dahin wurden Aktien für knapp 3 Mio. CHF über OTC-X gehandelt – nicht sehr viel für einen angehenden Milliardenkonzern, dessen Marktkapitalisierung „post-IPO“ auf Basis der erst im März 2012 festgelegten Bookbuilding-Spanne um 3 Mrd. CHF gelegen hatte.

Die am 8. März 2012 kommunizierte Bookbuilding-Spanne zwischen 42 und 48 CHF – weit unterhalb der zuvor spekulativ getriebenen OTC-X-Kurse – wirkte dann als schnelle Kursbremse und „würgte“ den OTC-Kursanstieg, nicht überraschend, ab. Hier hat Zur Rose – auch im Interesse der Altaktionäre, deren Bezugsrecht bekanntlich ausgeschlossen wurde – sehr viel mehr Augenmass und Fingerspitzengefühl walten lassen, in dem die Bookbuilding-Spanne zuerst auf 120 bis 140 CHF festgesetzt wurde. Dies lag zugleich in der Nähe der letzten OTC-X-Kurse und war damit sehr aktionärsfreundlich auch gegenüber den bestehenden Aktionären. Hätte Zur Rose die IPO-Spanne auf z.B. 90 bis 110 CHF festgesetzt bei einer höheren Aktienstückzahl, so läge der OTC-X-Aktienkurs heute mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit deutlich tiefer als die zuletzt bezahlten 144 CHF.

Der Vorteil bei Zur Rose aus Aktionärssicht ist heute auch, dass sich bei den OTC-X-Kursen nur ein vergleichsweise kleines Aufgeld zur Bookbuilding-Spanne (135 bis 140 CHF) gebildet hat und diese Bookbuilding-Spanne durch eine augenscheinlich grosse Marktnachfrage unterlegt ist. Dieser Umstand dürfte das (OTC-)Kursrisiko bei Zur Rose im Vergleich zur Situation bei DKSH vor einigen Jahren, als sich bereits OTC ein erhebliches Aufgeld zur Zeichnungsspanne gebildet hatte, begrenzen.

  1. Deutlich tiefere Handelsliquidität bei DKSH 2012

Die Zur Rose-Aktie ist selbst auf OTC-X vergleichsweise „hoch liquide“, so dass man schon seit geraumer Zeit kaum mehr von Zufallskursen infolge enger Märkte sprechen kann. Bei Zur Rose gibt es in der Aktie einen echten Marktpreis. Im laufenden Jahr 2017 „pre-IPO“ wurden alleine auf OTC-X Zur-Rose-Aktien im Gegenwert von mehr als 42 Mio. CHF gehandelt. 2016 lag das Handelsvolumen bei mehr als 9 Mio. CHF. Hier sind bereits seit längerer Zeit echte Marktkräfte feststellbar. Zum Vergleich: Bei DKSH wurden zwischen Ankündigung des Börsengangs Anfang Februar 2012 und Festlegung der Bookbuilding-Spanne am 8. März 2012 Aktien für knapp 4.6 Mio. CHF auf OTC-X gehandelt. Bis zum Beginn der Notierungsaufnahme, verbunden mit dem Ende des OTC-X-Handels, erhöhte sich das Handelsvolumen nur noch leicht auf etwa 5 Mio. CHF. Die Handelsliquidität in den DKSH-Aktien war, nicht zuletzt aufgrund der speziellen DKSH-Aktionärsstruktur, in keiner Weise mit Zur Rose vergleichbar und auf OTC-X eher „zufallsgetrieben“.

  1. Timing und Peer Group

Mit der deutschen Shop Apotheke und der ihrerseits erst vor wenigen Monaten an die Börse gegangenen Galenica AG (vorm. Galenica Santé) gibt es für beide Sparten von Zur Rose quasi börsenkotierte Wettbewerber, die sich für marktmässige Kennzahlen-Vergleiche eignen.

Dagegen war das DKSH-IPO trotz Asien-Fantasie seinerzeit aus unserer Perspektive komplizierter in der „Aussendarstellung“, da es sich bei DKSH zwar um ein grosses, aber auch um ein lange Zeit sehr verschwiegenenes Familienunternehmen aus den Bereichen Handel und Dienstleistungen ohne eine echte Peer Group handelte.

Hinzu kommt: Mit Blick auf das Marktumfeld für „technologiegetriebene, wachstumsorientierte Geschäftsmodelle“ könnte das Timing für den Börsengang der Zur Rose-Gruppe kaum besser sein, wie nicht zuletzt das jüngste Milliarden-IPO Delivery Hero in Deutschland sehr eindrucksvoll bewiesen hat. Dennoch fehlt uns das Verständnis, um den Delivery Hero-Börsengang inhaltlich nachvollziehen zu können, aber der Markt war immerhin bereit, diesem Geschäftsmodell sehr viele – quasi 5 Milliarden Euro – Vorschusslorbeeren mit auf den Weg zu geben. Solange die vielen unsichtbaren Hände des Marktes bereit sind, ein Unternehmen wie Delivery Hero mit einem 2016er-Umsatz von knapp 300 Mio. Euro und einem 2016er-Vorsteuerverlust um 200 Mio. Euro (!) bei einer Bilanz, die weit überwiegend aus Intangible Assets (1.3 Mrd. Euro!) besteht, mit 5 Milliarden Euro (Marktkapitalisierung) zu bewerten, darf man sich über „Bewertungsfragen“ bei Zur Rose vermutlich nicht allzu lange den Kopf zerbrechen. Es ist, wie es ist.

Am Ende des OTC-Weges und unmittelbar vor einem neuen „Lebensabschnitt“ im Zyklus der Rose muss in dieser komplexen Ausgangslage jeder Anleger unter Berücksichtigung seiner eigenen Risikotoleranz selbst den Weg durch das Börsenlabyrinth finden. Dieser Weg kann entweder zu schöner Performance-Blüte führen oder auch sehr dornenreich sein, um im Bild zu bleiben. Ab Donnerstag lernen wir mehr über die Pfade, die Zur Rose an der Börse einschlagen wird.

Transparenzhinweis: Der Verfasser ist an der Gesellschaft beteiligt.

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