Schon seit 2014 wird das Schweizer Biotech-Unternehmen Polyphor immer wieder als Börsenkandidat genannt, jetzt wird es ernst – die Aktionäre haben an der GV vom vergangenen Freitag, 6. April, mit dem Beschluss einer Kapitalerhöhung den Weg für den Börsengang freigemacht. Heute gab das Unternehmen Einzelheiten zum geplanten IPO bekannt.
Der Börsengang soll eine Kapitalbeschaffung im Umfang von 100 bis 150 Mio CHF ermöglichen. Das geplante Angebot wird voraussichtlich aus einem öffentlichen Angebot in der Schweiz und Privatplatzierungen in der Schweiz und im Ausland bestehen, darunter auch an qualifizierte institutionelle Investoren in den USA gemäss Rule 144A, teilt Polyphor mit.
Ein weiteres glamouröses IPO an der SIX
Somit ist bereits im zweiten Quartal 2018 mit einem weiteren glamourösen IPO an der SIX zu rechnen, da es für Polyphor gilt, das noch offene IPO-Fenster zu nutzen, bevor es sich schliesst. Die hohe Volatilität an den Börsen, die Zinserhöhungen der Fed sowie protektionistische Massnahmen und die zunehmende Wahrscheinlichkeit von Handelskonflikten haben den zuvor überbordenden Optimismus der Anleger seit Jahresbeginn nachhaltig ernüchtert. Und während viele reife und profitable Unternehmen hauptsächlich an die Börse gehen, um für die Eigentümer einen Exitkanal zu öffnen oder eine Währung für Übernahmen zu schaffen, brauchen innovative, forschungsgetriebene Unternehmen wie Polyphor wirklich das Kapital des Anlegerpublikums, um ihre Entwicklungen bis zur Marktreife durch zu finanzieren und Investitionen zu tätigen. Daher jetzt die Ankündigung des IPO. Ein vorheriger gründlicher Blick auf den Kandidaten offenbart eine aussergewöhnlich vielversprechende Investment-Opportunität.
Neue Antibiotika
Schon seit letztem Jahr mehren sich die Anzeichen für die Börsenreife. Und der Reigen positiver Nachrichten seit Anfang 2018 hat nun auch beste Voraussetzungen für ein hohes Interesse der Investoren und damit ein wohl erfolgreiches Börsendebut geschaffen. Gegründet wurde das Unternehmen bereits 1996. Die Forschung führte u.a. zur Entdeckung der Outer Membrane Protein Targeting Antibiotics, kurz OMPTA, einer neuen Klasse von Antibiotika.
Resistente Mikroben
Das Problem der Antibiotika-Resistenz von Erregern ist heute nicht nur Medizinern bekannt, sondern auch die Öffentlichkeit ist mit den Tatsachen vertraut. Bis zu einem Drittel der Todesfälle in Hospitälern ist auf Infektionen zurückzuführen, bei denen die verfügbaren Antibiotika zunehmend weniger und schliesslich gar nicht mehr wirken. Seit Jahrzehnten schon sind Abwandlungen und Kombinationen alter Wirkstoffe die einzigen Neuheiten am Pharmamarkt für den Kampf gegen die Bakterien. Und da seit Jahrzehnten gegen jede Kleinigkeit Antibiotika verordnet werden, ist die Resistenz sogar selbstverschuldet.
Innovationsführer Polyphor – anerkannt für Antibiotika-Forschung
Die von Polyphor entwickelten OMPTA stellen nun die erste neue Wirkstoffklasse gegen Gram-negative Pathogene seit 50 Jahren dar. Der Produktkandidat „Murepavadin“ ist am Beginn der Phase III der klinischen Tests (am Menschen), nachdem alle bisherigen Hindernisse überwunden wurden. Das Mittel wird gegen sogenannte nosokomiale Lungenentzündung eingesetzt, genauer gegen den stark resistenten Erreger Pseudomonas Aeruginosa. Der Wirkstoff ist auch bei anderen Pathogenen aktiv, sodass Ausweitungen der Indikationsgebiete in der Zukunft zu erwarten sind. Die Fortschritte von Polyphor würdigte die Access to Medicine Foundation im Januar 2018 und bezeichnete die Gesellschaft in der ersten Publikation der Antimicrobial Resistance Benchmark anlässlich des World Economic Forum in Davos als „Leader“ in der Forschung gegen Resistenzen von Erregern.
Drei Produktkandidaten in klinischen Phasen
In einem solchen Milliardenmarkt, der bisher weitgehend hilflos ist gegen resistente und aggressive Mikroben, ist eine vielversprechende neue Wirkstoffklasse mit anderen Wirkmechanismen genau das, was dringend benötigt wird. Neben Murepavadin zu Beginn von Phase III ist „Balixafortide“ aus der Pipeline von Polyphor ebenfalls fortgeschritten. Der immunonkologische Wirkstoff zur Tertiärtherapie von metastasierendem Brustkrebs in Kombination mit Eribulin hat eine Ansprechrate von 38%. Die US-Zulassungsbehörde FDA hat im März 2018 in Aussicht gestellt, die Zulassung nach nur einer Studie zu gewähren, nachdem die Phase I Daten eine gute Wirksamkeit bei Patientinnen anzeigten, die bereits zwei Chemotherapien durchlaufen haben. Das würde im besten Fall eine beschleunigte Markteinführung bereits Ende 2020 bedeuten.
Lizenz-Deal mit Santhera
Der dritte Wirkstoff in den klinischen Tests ist in Phase Ib und wurde im Februar 2018 an die an der SIX kotierte Santhera auslizenziert. „POL6014“ ist ein inhalierter selektiver Inhibitor von humaner neutrophiler Elastase zur Behandlung von zystische Fibrose (Mukoviszidose) und anderen schweren Lungenkrankheiten. Polyphor erhielt 6,5 Mio. CHF in Santhera-Aktien (3.8% Unternehmensanteil) und ist zum Erhalt weiterer 121 Mio. CHF berechtigt, sofern die definierten Meilensteine genommen werden. Zusätzlich erhält Polyphor sogenannte Royalties, also Prozente des Umsatzes, der mit POL6014 erzielt wird. Alle weiteren Kosten der Entwicklung, Zulassung und Markteinführung weltweit liegen bei Santhera. Die Gesellschaft ist auf Lungenkrankheiten und innovative Therapien fokussiert. Mukoviszidose ist eine seltene Erbkrankheit mit etwa 70 000 Betroffenen in Europa und den USA. Weil seltene Krankheiten wenig erforscht sind, wurde in den USA der Orphan Drug Act geschaffen, der u.a. bevorzugte Bearbeitung und schnelle Zulassung bei Medikamenten für seltene Krankheiten beinhaltet. Gespräche mit der FDA sind zwar geplant, aber noch nicht geführt. Eine Zulassung ist bei erfolgreichen Studien wohl erst nach 2020 zu erwarten.
CFO mit IPO-Erfahrung
Der vielleicht deutlichste Hinweis auf den nun anstehenden Börsengang erfolgte jedoch bereits im Mai 2017 mit der Bestellung von Kalina Scott zum CFO per Juni 2017. Scott bringt 20 Jahre Kapitalmarkterfahrung mit und hat u.a. die Börsengänge von Molecular Partners, Cassiopeia und zuletzt Galenica Santé 2017 auf Corporate Finance Seite durchgeführt. Stationen waren UBS, KPMG IPO Advisory und zuletzt Bank am Bellevue. Sie hat auch zahlreiche M&A-Transaktionen abgewickelt. Scott und CEO Giacomo Di Nepi haben das IPO souverän vorbereitet, wie sich an dem fein getakteten News-Flow der letzten Monate zeigt.
Kaum Zahlen bekannt
Polyphor hat letztmals im April 2017 eine Finanzierungsrunde über 40 Mio. CHF bei ihren privaten Investoren abgeschlossen. Das Unternehmen beschäftigt heute rund 70 Mitarbeiter am Standort Allschwill, nur gerade 100 Meter neben Actelion an derselben Strasse gelegen. Die Zahlen scheinen niedrig im Vergleich zu dem, was damit bisher von Polyphor erreicht wurde und was andere Biotech-Unternehmen mit mehr, manchmal sehr viel mehr Kapital und Mitarbeitern erreicht – und oft auch nicht erreicht – haben.
Eine Wert-Indikation von Roche
Polyphor ist in einem der interessantesten und auch lukrativsten Massenmärkte der Pharma-Industrie durch die fundierte Forschung und die bewiesene Innovationskraft sehr gut positioniert. Eine Indikation für die Bewertung liefert uns Roche. 2013 schlossen die beiden Unternehmen ein Abkommen, demzufolge Polyphor bis zu 500 Mio. CHF an Meilensteinzahlungen von Roche hätte bekommen sollen, wenn die Entwicklung dessen, was jetzt der Phase III Wirkstoff Murapavidin ist, erfolgreich verlaufen wäre. Damals war POL7080 noch früh in Phase II der klinischen Testreihen. Ende 2015 beendete Roche jedoch die Zusammenarbeit und sämtliche Rechte gingen an Polyphor zurück.
Big Pharma – von Paradigmen getrieben
Es mag Zufall sein, dass Roche stattdessen bereits im August 2015 die amerikanische GeneWEAVE akquiriert hatte, die ebenfalls im Kampf gegen antibiotika-resistente „Super-Bugs“ mit ihrer Smarticles-Technologie ist, allerdings auf diagnostischer Seite. Roche hatte den Aktionären 190 Mio. USD bezahlt sowie weitere 235 Mio. USD zugesagt, geknüpft an das Erreichen verschiedener Meilensteine. Es könnte eine strategische Entscheidung bei Roche gewesen sein, denn wie bei den meisten Pharma-Konzernen wurde bereits in den 1990er Jahren die eigene Forschung im damals nicht mehr als lukrativ angesehenen Feld der Antibiotika eingestellt. Als zentral im Kampf gegen die Mikroben gilt, so lautet dagegen das heutige Paradigma in der Industrie, die Diagnostik. Die amerikanische Merck jedoch hat Ende 2014 für Cubist 8,4 Mrd. USD bezahlt, die Antibiotika zum Beispiel gegen MRSA entwickelt. Damit ist der Antibiotika-Pharma Club bestehend aus GSK Glaxo, Astra Zeneca und Merck immer noch sehr klein. Schon seit Jahren ist das Thema bei Regierungen und supranationalen Organisationen und Institutionen sehr hoch aufgehängt, und das bedeutet, dass es auch Mittel zu verteilen gibt. Die WHO bezeichnet die Antibiotika-Resistenz als eine der grössten Bedrohungen der Gesundheit im 21sten Jahrhundert. Und Polyphor hat, was viele wollen.