Stefan Schulthess, Direktor SGV: „Neue Konzernstruktur und Einführung von Einheitsaktien – ein wichtiger Schritt in die Zukunft“

KPMG bewertet das Unternehmen mit 60.5 Mio. CHF

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2017 verzeichnete die SGV mit 75.8 Mio. CHF einen Rekordumsatz. Dies entspricht einem satten Plus von 8.9% gegenüber dem Vorjahr. Die SGV Gruppe hat in den letzten zehn Jahren strategisch die richtigen Weichen gestellt; der Umsatz von rund 45 Mio. CHF in 2008 konnte nahezu verdoppelt werden.

Im Gespräch mit schweizeraktien.net spricht Stefan Schulthess, Direktor der SGV, über die wegweisenden Generalversammlung vom 5. Juni 2018. Denn sowohl die Einführung einer Einheitsaktie als auch die neue Holding-Struktur sind wichtige Zukunftspfeiler für die Schifffahrtgesellschaft.

Stefan Schulhess ist seit September 2005 Direktor und Vorsitzender der Gruppenleitung der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV). Daneben ist der 54-jährige Dipl. Ingenieur HTL auch noch Präsident des Verbandes Schweizerischer Schifffahrtsunternehmen (VSS) und Verwaltungsrat der Treib-Seelisberg-Bahn. Bild: zvg

schweizeraktien.net: Die SGV plant, an der Generalversammlung vom 5. Juni die Einheitsaktie einzuführen. Warum die Entscheidung für eine Einheitsaktie und warum zu diesem Zeitpunkt?

Stefan Schulthess, Direktor SGV: Die heutige Aktienstruktur, wie wir sie bei der SGV haben, ist, zumindest langfristig gesehen, nicht zukunftsfähig. Auch die Frage nach einer möglichen Dividendenausschüttung steht seit einigen Jahren im Raum. Der Verwaltungsrat will diese komplizierte und unbefriedigende Ausgangslage vereinfachen, beispielsweise auch für eine mögliche Kapitalerhöhung, die allerdings im Moment nicht im Raum steht. Der aktuelle Zeitpunkt ist zwar nicht in Stein gemeisselt, aber der Verwaltungsrat ist der Meinung, dass es einfacher ist, wenn man einen solchen Schritt ohne Zeitdruck und ohne äussere Zwänge macht. Die SGV Gruppe ist seit einigen Jahren wirtschaftlich gut unterwegs, darum ist der jetzige Zeitpunkt aus unserer Sicht optimal.

Welche Vorteile haben die Aktionäre von der Einheitsaktie?

Für Aktionäre, die unsere Aktie – ob Stamm- oder Vorzugsaktie – nur als Liebhaberobjekt anschauen, ist die geplante neue Einheitsaktie und die neue Konzernstruktur wahrscheinlich weniger wichtig. Aber wenn man das Ganze professionell anschaut und die Unterschiede zwischen den beiden Aktientypen sieht, macht die Einführung einer Einheitsaktie durchaus Sinn. Dass es bei uns zwei Aktientypen mit einem Nennwertunterschied von Faktor 250 gibt, dass die eine Aktie ein doppeltes Stimmrecht hat und für die Vorzugsaktie eine Vorzugsdividende in den Statuten vorgesehen ist, das entspricht unserer Ansicht nach nicht der heutigen Art und Weise, wie sich ein Aktionariat zusammensetzen sollte. Wenn wir unser Unternehmen positiv weiterentwickeln wollen, dann gehört auch das Aktionariat dazu. Damit haben es die Verantwortlichen der SGV in Zukunft leichter, das Unternehmen weiterzuentwickeln.

Sind weitere Kapitalmassnahmen geplant?

Nein, es sind keine weiteren Massnahmen geplant. Und deshalb führen wir die Einheitsaktie auch nicht ein. Wir wollen, wie gesagt, ganz einfach einen unschönen Zustand bereinigen, auch mit Blick nach vorne.

Wie ist das Umtauschverhältnis zustande gekommen?

Es war schon bald klar, dass das keine ganz einfache Geschichte werden würde, insbesondere wegen der riesigen Unterschiede in den beiden Aktientypen, die aber in der Vergangenheit nie zur Geltung kamen und sich auch nicht im Börsenkurs der beiden Aktientypen widerspiegeln. Die Wirtschaftsprüfer der KPMG haben uns dann einen Vorschlag gemacht, wie man die Umwandlung machen könnte. Dann wurde freiwillig noch eine zweite, unabhängige „fairness opinion“ von einem zweiten Wirtschaftsprüfer, der BDO eingeholt, die die Vorgehensweise von KMPG unterstützte. Auch unsere eigene Revisionsgesellschaft PWC war involviert, wenngleich sie als Partei (PWC ist Wirtschaftsprüfer bei der SGV) natürlich nur beratend zur Seite stand.

Welche Unternehmensbewertung hat die KPMG für die Basis des Umtauschverhältnisses zugrunde gelegt?

Der Unternehmenswert wurde zu 60,5 Mio. CHF errechnet, für die drei Unternehmen SGV, Tavolago und Shiptech. Der Unternehmenswert wurde von KPMG auf Basis der Discounted Cashflow(DFC)-Methode ermittelt. In einem zweiten Schritt wurde analysiert, inwieweit den Privilegien der Vorzugsaktien im Rahmen der Festlegung des Austauschverhältnisses Rechnung getragen werden sollte.

Sie planen jetzt, die drei Unternehmensteile neu zu strukturieren, in eine Holding zu überführen. Was versprechen Sie sich davon?

Bisher hatten wir das sogenannte Stammhaus-Modell, man könnte das auch als operative Holdingstruktur bezeichnen. Mit der jetzigen Management-Holding-Organisation versprechen wir uns eine klarere Trennung von den Gesellschaften, die am Markt tätig sind. Also die SGV AG, die auf Freizeitverkehr ausgerichtet ist, Tavolago AG mit Schwerpunkt Gastronomie und Hotellerie und die Shiptech AG als unserem Industriearm. Alles was zentrale Funktionen wie IT, Finanzen usw. anbelangt, planen wir in die Management-Holding zu transferieren. Das war vorher so nicht der Fall, wir haben aus der SGV heraus für alle drei Unternehmensteile das Rechnungswesen oder die IT geführt, die Personalabteilung war für zwei  Unternehmensteile zuständig. Die klarere Trennung und die bessere Ausrichtung der drei Unternehmungen auf den Markt können wir mit der neuen Struktur besser durchsetzen, auch mit Blick in die Zukunft, wenn wir zum Beispiel Akquisitionen in dem einen oder anderen Bereich planen.

Bedeutet die neue Struktur auch mehr Unabhängigkeit für die einzelnen Unternehmensteile?

Wir glauben, dass die unabhängige Ausrichtung auf den Markt sehr wichtig ist. Selbstverständlich gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen den drei Unternehmen, aber es gibt eben auch viele Aspekte, gerade wenn man den Markt anschaut, die komplett selbständig bearbeitet und entschieden werden müssen. Wenn man an den verschiedenen Märkten Erfolg haben will, dann kann man das nicht zentral organisieren und führen, hier ist eine dezentrale Organisation und eine grosse Entscheidungskompetenz in den einzelnen Gesellschaften meiner Meinung nach der einzige vernünftige Weg.

Ihre Shiptech hat mit der „MS Bürgenstock“ gerade ein Schiff aus eigener Produktion vom Stapel gelassen. Werden Sie den Schiffsbau auch für Fremdkunden weiter forcieren?

Wir produzieren ja bereits für Dritte, an dieser Tatsache ändert die neue Struktur nichts. Der Anteil der Drittkunden bei der Shiptech soll aber noch grösser werden, bisher sind die Umsätze noch nicht zu unserer vollen Zufriedenheit.

Gibt es aufgrund der neuen Struktur Wechsel im Management?

Es gibt kleinere Wechsel im Management, das wird spruchreif, wenn die neue Struktur von unseren Aktionären gutgeheissen wird.

Wie sieht Ihre Strategie im Bereich des Gastrounternehmens Tavolago aus?

Wir haben in diesem Frühling ein neues Restaurant in Luzern übernommen; ein weiteres wird wahrscheinlich noch in diesem Jahr dazukommen. Die Expansionsstrategie ist bei uns im Bereich Gastronomie sicher am akzentuiertesten, dort haben wir natürlich auch die vielfältigsten Möglichkeiten. Aus heutiger Sicht gehe ich davon aus, dass der Gastronomie- und Hotelbereich von unseren drei Unternehmensbereichen am schnellsten wachsen wird.

Der Umsatzanteil der Gastronomie liegt heute bei rund 40%. Wird Tavolago zum grössten Umsatzbringer innerhalb der SGV?

Wir interessieren uns bekanntlich auch für die Hotellerie und wollen dort akquirieren, aber wir haben bisher noch keine für uns passende Objekte gefunden. Spätestens wenn wir den Schritt in die grössere Hotellerie ganz geschafft haben, ist es nicht auszuschliessen, dass wir mit dem Bereich Hotel und Gastronomie die 50%-Marke überschreiten werden. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass wir im Freizeitverkehr die grösseren Gewinnmargen haben, wenngleich hier auch die grösseren Investitionen anfallen. Auf dem See ist ein weiteres Wachstum eher schwierig, da brauchen wir eine neue Attraktion am See wie beispielsweise das neue Bürgenstock-Resort, wo das Schiff dann eine Rolle spielen kann.

Der von der Shiptech der SGV gebaute Katamaran „MS Bürgenstock“ zu Fusse des Bürgenstock Resorts (am oberen linken Bildrand). Das neue Schiff wird ganzjährig die Linie Luzern – Kehrsiten-Bürgenstock bedienen. Bild: lakelucerne.ch

Genau dies haben Sie mit der MS Bürgenstock, die Sie letzten Monat in Betrieb genommen haben, getan. Wie sieht Ihr Businessmodell für die Linie Luzern-Kehrsiten Bürgenstock aus? Wie viele Passagiere müssen Sie pro Jahr befördern, damit sich diese Linie rentiert?

Wir gehen davon aus, dass wir in drei bis vier Jahren die Gewinnschwelle erreichen. Die Einschätzung ist etwas schwierig, weil wir stark abhängig sind vom neuen Bürgenstock-Resort und der neuen Standseilbahn. Ohne Resort und Bahn bräuchte es keine Schiffsverbindung. Daher hat der Businessplan doch einige Unsicherheiten, weil wir nur schwerlich abschätzen können, wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt. Natürlich haben wir hier ein finanzielles Risiko, aber das hat man immer, wenn man etwas Neues angeht. Für uns ist dieses Risiko tragbar. Wir haben immer kommuniziert, dass wir pro Tag eine Passagierfrequenz von ca. 1’000 Gästen benötigen; dann sollte die Rechnung aufgehen. Das heisst, die neue Linie muss zwischen 2 und 2,5 Mio. CHF Ertrag erwirtschaften, um die Kosten des neuen Schiffs decken zu können. Mit dem alten Schiff und dem reduzierten Fahrplan haben wir etwa die Hälfte an Passagieren befördert, daher muss es noch eine deutliche Steigerung geben, damit wir auf die angestrebte Passagierzahl kommen.

Die Hauptmotivation, weswegen wir diese Strecke eingerichtet haben, ist, dass wir einen Beitrag zur touristischen Entwicklung des Vierwaldstättersees leisten wollen. Das ist schliesslich auch in unserem Interesse.

Mit der MS Bürgenstock haben Sie ein reines Shuttleschiff in Betrieb genommen. Wie sieht insgesamt das Verhältnis zwischen Tourismusfahrten und Shuttletransport bei der SGV aus?

Das Sightseeing macht bei der SGV weit über 90% der durchgeführten Fahrten aus. Der Erlebnischarakter und der Erholungsfaktor unserer Schifffahrten stehen im Vordergrund für die knapp 2,7 Mio. Passagiere, die wir pro Jahr befördern, und nicht, dass ein Gast möglichst schnell von A nach B kommen kann. Der Shuttle-Betrieb der MS Bürgenstock ist deshalb eher eine Ausnahme, was Sie schon daran sehen, dass wir auf diesem Schiff keine Gastronomie haben. Hier geht es wirklich nur darum, schnell und bequem von Luzern nach Kehrsiten Bürgenstock oder zurück zu kommen. Hier bieten wir im Gegensatz zum Freizeitverkehr ein ÖV-Angebot an.

Welche Massnahmen planen Sie, um der stetig steigenden Zahl an Passagieren gerecht zu werden. Werden Sie weitere neue Schiffe in Betrieb nehmen?

Neue Schiffe werden wir kurzfristig nicht in Betrieb nehmen. Wie schon in den letzten Jahren konzentrieren wir uns auf einen stetigen, aber sanften Ausbau des Fahrplanangebots. So versuchen wir, der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. An mehr Einsätze in den Jahresrandzeiten arbeiten wir, im Sommer haben wir allerdings bereits ein so grosses Angebot, dass wir keine Notwendigkeiten sehen, dieses auszubauen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Tourismusregion Vierwaldstättersee?

Wir sind in einer absolut glücklichen Position, wenn ich das vergleiche mit anderen Tourismusregionen in der Schweiz. Wir haben hier seit Jahren ein stetiges Wachstum, selbst „Overtourismus“ ist ein Thema. Ich hoffe, dass wir diese Diskussion vernünftig führen können. Wir arbeiten für ein gut funktionierendes Nebeneinander der Interessen der hiesigen Bevölkerung und der Tagestouristen, wovon allein die Stadt Luzern pro Jahr ca. 9 Mio. begrüssen darf.

Ich wünsche mir, dass wir mit all unseren leistungsfähigen Partnern wie den Rigi-, Titlis- oder den Pilatusbahnen – um nur einige wenige zu erwähnen – das Wachstum gemeinsam verträglich und qualitativ gut bewältigen können, das ist das Beste, was der Tourismusregion Vierwaldstättersee und der Tourismusstadt Luzern passieren kann.

Herr Schulthess, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Derzeit werden die Stamm- und Vorzugsaktien noch auf der Plattform OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) gehandelt. Zuletzt wurden 960 CHF für die sehr selten gehandelte Stammaktie und 915 CHF für die Vorzugsaktien gezahlt. Entsprechend dieser letztbezahlten Kurse für die Vorzugsaktien von 915 CHF würde dies einem Preis von 228.75 CHF (zzgl. Spitzenausgleich) für die neue Einheitsaktie entsprechen. Bei diesen Preisen werden die Aktien leicht über dem per Ende 2017 ausgewiesenen Buchwert von 839 CHF/210 CHF pro Vorzugs-/Einheitsaktie gehandelt. Das 2017er Kurs/Gewinn-Verhältnis liegt bei optisch hohen 21, was sich aber durch die offensive Abschreibungspolitik der SGV Gruppe relativieren dürfte. Generell sind die Aktien auf dem aktuellen Kursniveau daher nicht zu teuer, auch wenn sich der Aktienkurs in den letzten drei Jahren mehr als verdoppelt hat.

Allerdings weist der von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG errechnete Unternehmenswert in Höhe von 60.5 Mio. CHF auf weiteres Kurspotenzial hin. Bei 162’500 neuen Einheitsaktien würde der Wert pro Aktie bei 372.31 CHF liegen. Durch die Einführung der Einheitsaktie könnte sich zudem die Handelbarkeit der Titel verbessern. Sollte die SGV ihren Wachstumskurs wie geplant fortsetzen können und sich die Zahlung einer Dividende abzeichnen, dürfte sich der Kurs dem Unternehmenswert annähern.

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