IPO-Märkte: Was sagt der Börsengang von Uber?

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Eine Anlagechance in der Sharing-Economy oder ein überzogen bewerteter Verlustbringer – das IPO von Uber war schon lange erwartet und von vielen Marktteilnehmern auch ersehnt worden. An der IPO-Bewertung von 82.4 Mrd. USD scheiden sich jedoch angesichts der Umsätze von 11.3 Mrd. USD und operativen Verlusten von 3 Mrd. USD die Geister. Doch nach dem Börsengang und einem ersten Kurs von 42 USD hat jetzt der Markt das Wort.

Kursverlauf der Lyft-Aktie seit dem Börsengang Ende März 2019 in USD. Quelle: money-net.ch

Dem nun erfolgten Börsengang von Uber ging bereits der des Wettbewerbers, und in den USA zweitplatzierten, Lyft voraus. Bei einem Ausgabepreis von 72 USD lag das Hoch bei 88 USD, doch danach sackte die Aktie ab und liegt aktuell bei 51 USD um gut 29% unter dem IPO-Preis. Die von Marktexperten täglich neu gezogenen Rückschlüsse aus der Performance der Lyft-Aktie auf IPO-Pricing und Performance von Uber waren zwar insgesamt amüsant, jedoch wenig relevant. Lyft kam am oberen Ende der Bookbuildingspanne, Uber jetzt jedoch am unteren Ende. Dennoch lag das Tief in den ersten Handelsstunden bei 41.06 USD.

Lyft vs. Uber

Zudem ist Lyft nahezu ausschliesslich auf den US-Markt konzentriert, Uber hat dagegen globale Ambitionen. Lyft blieb bis zum IPO nah am sogenannten Ride-sharing, Uber dagegen expandiert aggressiv in die Bereiche Frachttransport, Nahrungsmittelauslieferung und sogar Healthcare. Beide allerdings schreiben tiefrote Zahlen. Lyft hat nun begonnen, in den Bereich E-Scooter zu expandieren, einen eher limitiert erscheinenden Markt. Eine andere Änderung kam nun mit der Meldung der ersten Quartalszahlen als börsenkotierte Gesellschaft, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass wesentliche operative Kennzahlen nicht mehr bekannt gegeben werden, weil dies „die Anleger verwirren würde“.

Ein neuer Amazon?

Die Frage aus Anlegersicht ist, welche Strategie führt früher zu Gewinnausweisen und wie nachhaltig sind diese dann. Die Fans von Uber heben die Expertise in der Logistik hervor und vergleichen Uber daher mit Amazon, auch wenn das sehr weit hergeholt scheint. Der Vergleich stimmt zwar insofern, als Uber vor allem hohe Wachstumsraten verfolgt; doch spätestens bei den Markt- und Wettbewerbsstrukturen endet er auch schon. Während im E-Commerce auf den stationären Handel verzichtet wird, um die Kostenvorteile zu Preisreduzierungen zu nutzen und Marktanteile zu gewinnen, ist ein ähnlicher gravierender Unterschied beim Passagiertransport nicht auszumachen. Im Gegenteil.

Der Schatten der Regulierung

Auch bei wohlwollender Betrachtung des Geschäftsmodells und der Absicht, Wettbewerb in bisher geschützte Märkte zu bringen, sticht doch hervor, dass der wesentliche Unterschied zwischen Uber & Co. und den Taxi-Betreibern der ist, dass die Fahrer bei Lyft und Uber schlechter bezahlt werden, und das, weil solche Angebote der Sharing-Economy bisher nicht reguliert sind, was ein unebenes Spielfeld hat entstehen lassen.

Richtungsweisendes Urteil in der Schweiz

Genau an diesem Punkt könnte auch das Geschäftsmodell schnell scheitern. Die Fahrer von Uber haben jedenfalls die Publicity rund um das IPO genutzt, um auf ihre Arbeitsbedingungen hinzuweisen – in den USA, in Spanien, in Frankreich und vielen Ländern mehr. In der Schweiz fiel vor kurzem sogar ein Urteil, das äusserst unvorteilhaft für Uber ausgefallen ist. Demnach sind die hauptberuflichen Fahrer nicht als Selbständig-Erwerbende einzustufen, sondern als Angestellte. Somit sind sie urlaubsberechtigt, geniessen Kündigungsschutz und müssen durch den Arbeitgeber sozialversichert werden. Das Urteil ist richtungsweisend.

Fahrerstreiks

In den USA bleiben die Bedingungen in den einzelnen Staaten unterschiedlich, doch ist in der Gesamtheit klar, dass die Entwicklung zuungunsten der Betreiber ausfällt. In New York musste Uber den Stundensatz für Fahrer auf 17 USD je Stunde anheben, weil der Mindestlohn auf 15 USD festgesetzt worden war. Hier werden keine neuen Fahrer mehr akquiriert. In San Francisco und Los Angeles dagegen existiert noch keine Gesetzgebung zum staatlichen kalifornischen Mindestlohn. Dort können die Fahrer froh sein, wenn sie auf 10 USD je Stunde kommen. Mit Streiks weisen sie auf die Missstände hin. Es ist auch so, dass 70% der Fahrer sowohl für Lyft als auch für Uber unterwegs sind. Nichts ist einfacher, als das Firmenschild zu ändern, beispielsweise, wenn nach 12 Stunden Einsatz eine Fahrpause eingelegt werden müsste. Die Loyalität der Fahrer sollte also nicht überbewertet werden.

PR als Herausforderung

In den bei der SEC eingereichten IPO-Unterlagen schreibt Uber, dass das Geschäft negativ betroffen werde, sollten die Fahrer als Angestellte klassifiziert werden, anstatt wie bisher als unabhängige Vertragspartner. Doch das ist sehr wahrscheinlich, nicht nur in der Schweiz und den USA, sondern vor allem in der EU, wo sich Taxi-Fahrer zunehmend vehement gegen den nicht reglementierten Wettbewerb wehren. Auch in Barcelona, Paris und weiteren Metropolen herrscht schon fast ein Kriegszustand; mit Aktionen und Streiks machen Taxi-Fahrer und Gewerkschaften mobil. In London hat sogar Jeremy Corbyn, der Chef der Labour Partei, zum Streik der Fahrer aufgerufen. Dies zeigt die hohe gesellschaftliche Relevanz. Soziale Gerechtigkeit ist auch ein hervorragendes Thema für die anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament und für sonstige Wahlen. Nicht zuletzt haben auch TV-Sender das Thema für sich entdeckt und mit zahlreichen Berichten und Reportagen die Industrie beleuchtet. Mal überwiegen die innovativen Aspekte oder die Disruption der bestehenden Märkte, doch die Unterbezahlung und die schlechten Arbeitsbedingungen sind immer auch ein Punkt, wenn nicht sogar der im Vordergrund stehende.

Intensiver Wettbewerb

In den IPO-Unterlagen von Uber ist zu lesen, dass die Gesellschaft „womöglich nicht profitabel werden wird“. Das ist sogar sehr wahrscheinlich. Der Wettbewerb intensiviert sich, und nicht nur in den USA hat Uber Marktanteile an Lyft und andere verloren. In China, Südost-Asien und Russland ist der Einstieg misslungen. In Europa tummeln sich viele lokale Anbieter, die vereinzelt sogar profitabel sind, da sie keine globalen Ambitionen wie Uber verfolgen. Das britische Start-up Bolt, das sich auf den Heimatmarkt konzentriert, ist bereits profitabel und hat „nur“ geschätzte 100 Mio. USD in den Aufbau investiert. Auch Konzerne wie VW testen mit eigenen Tochtergesellschaften den Markt und lösen damit zum Teil einen politischen Sturm der Entrüstung aus.

Take-Rate unter Druck

Worum es letztlich geht, zumindest, wenn eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt wird, ist die sogenannte „Take-Rate“, das ist der Prozentsatz der berechneten und bezahlten Fahrpreise, der an die Gesellschaft geht. Bei Uber sind das weniger als 20%. Und die Tendenz fällt. Zum einen sind die Wachstumsraten weniger stürmisch als angesichts der massiven Werbeaufwendungen zu erwarten wäre, zum anderen sind Forderungen nach besserer Bezahlung oder gar gesetzliche Forderungen wie Mindestlohn oder Einstufung als Angestelltenverhältnis grundsätzlich geeignet, um die Take-Rate – oder den Umsatz der Betreibergesellschaft – zu reduzieren. An der weiter sinkenden Take-Rate könnte auch die Erreichung der Profitabilität letztlich scheitern. Denn die hohen Ausgaben für die Expansion bleiben, der Druck auf die Margen jedoch wird sich intensivieren. Uber schreibt in den IPO-Unterlagen, dass die Strategie darauf abzielt, das grösste Netzwerk in jedem Markt zu schaffen, um so den grössten „liquidity network effect“ zu erreichen. Tatsächlich ist Ubers Marktanteil in den USA von 82% Anfang 2017 auf 67% zwei Jahre später gefallen.

Marktvolumen

Eine Kernfrage betrifft die Grösse des tatsächlich adressierbaren Marktes. Uber beziffert ihn auf 1.2 Billionen USD global inklusive Nahrungsmittelauslieferung, Frachtdienste etc. Goldman Sachs spricht dagegen von lediglich 300 Mrd. USD in 2030.

Replacement Value

Eine Kalkulation des Replacement Value bei Uber kommt auf 22 Mrd. USD und sieht die Differenz zu der IPO-Bewertung als Abwärtspotenzial für die neuen Anleger. Es ist jedoch komplex. Um einen relativen Erfolg des Börsengangs zu gewährleisten, wurde Paypal für ein Investment in Höhe von 500 Mio. USD zum IPO-Preis gewonnen. Toyota, Denso und Softbank Vision Fund investieren gemeinsam 1 Mrd. USD in die neu formierte Tochter Uber Advanced Technologies. Mit Toyota arbeitet Uber an fahrerlosen Transportlösungen.

Milliardengeschäft für Altaktionäre

Zu beachten ist auch, dass nach dem IPO zwar nun 207 Mio. Aktien bei neuen Aktionären liegen werden, die Altaktionäre jedoch immer noch 1.47 Mrd. Aktien halten. Das illustre Aktionariat besteht u.a. aus Goldman Sachs, Morgan Stanley, Blackrock, Softbank, Jeff Bezos und Musiker Jay Z. In den letzten neun Jahren haben sie in 18 Finanzierungsrunden insgesamt 22 Mrd. USD in Uber gepumpt. Die höchste Bewertung bei den privaten Finanzierungsrunden lag bei 70 Mrd. USD. Ein detaillierter Überblick sämtlicher wesentlicher Pre-IPO Aktionäre zeigt ein interessantes historisch gewachsenes Netzwerk von Beziehungen und Interessen. Auffällig ist der hohe Anteil japanischer Aktionäre.

Fazit

Die hohen Bewertungen der aktuellen Unicorn- und Decacorn-IPOs unterscheiden diese von früheren IPO-Wellen. Allerdings sind auch die Unternehmen älter und gereifter, jedoch nahezu immer verlustbehaftet, so auch Uber. Von ursprünglich erträumten 120 Mrd. USD IPO-Bewertung musste das Preisschild in Schritten auf letztlich 82.4 Mrd. USD zurückgenommen werden. Auf diesem Niveau überwiegen für neue Investoren die Risiken. Für die bestehenden Investoren könnte der Zeitpunkt für den Börsengang ideal gewählt sein. Zu den wesentlichen Fragen mit Blick auf zukünftige Kurs- und Wertsteigerungen zählen die berechtigten Forderungen der Fahrer, aber mehr noch, ob privater Autobesitz tatsächlich zugunsten von Transportdienstleistern in dem Masse aufgegeben wird, wie manche Prognosen vorhersagen. Nicht zuletzt werden sich die Regeln des Spiels mit der Durchsetzung der fahrerlosen Technologien nochmals deutlich wandeln.

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