Ausserbörslicher Handel: Coronavirus infiziert auch viele Schweizer Nebenwerte

Tourismus- und Freizeitbranche am stärksten betroffen

0
2421

Spätestens seit Freitag, dem 13. März, ist auch in der Schweiz nichts mehr, wie es einmal war. Der Bundesrat verschärfte die Massnahmen gegen das Coronavirus, welche nun drastische Auswirkungen auf das gesamte Leben in der Schweiz, aber auch auf die Wirtschaft haben. Zur Abfederung der Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft sollen 10 Mrd. CHF zur Verfügung gestellt werden. Seit der Bekanntgabe der Massnahmen geht es Schlag auf Schlag. Die Bergbahn-Unternehmen gaben sofort oder – wie im Berner Oberland und am Titlis – mit einem Tag Verspätung die Schliessung der Skigebiete bekannt. Zum zweiten Mal in der über 100-jährigen Geschichte der Jungfraubahn wird der Touristenmagnet Jungfraujoch nicht mehr angefahren. Ebenso sind ab sofort Veranstaltungen mit über 100 Personen verboten. In Restaurants und Bars dürfen sich nicht mehr als 50 Personen gleichzeitig aufhalten.

Und es könnte noch drastischer kommen: Die Kantone Basel-Landschaft, Graubünden, Neuenburg und Jura haben bereits die Notlage erklärt. Restaurants, Bars, Museen, Schwimmbäder und Geschäfte bleiben komplett geschlossen; die Bevölkerung muss zuhause bleiben und darf nur noch in Notfällen oder zum Einkaufen von Lebensmitteln aus dem Haus. Es dürfte wohl nicht lange dauern, bis das öffentliche Leben auch in weiteren Kantonen bzw. der ganzen Schweiz eingeschränkt wird.

Aktienkurse auf OTC-X verlieren bisher um mehr als 6%
Der OTC-X-Liquidity-Index hat seit Jahresbeginn nur um knapp 6% verloren. Chart: moneynet.ch

Zu Beginn der Corona-Krise machte es den Anschein, als ob vor allem die international tätigen Firmen von den Folgen der Virusepidemie betroffen sind. Auch bei den Tourismusbetrieben, die aufgrund des internationalen Geschäfts mit Einbussen gerechnet haben, dominierte weiterhin der Optimismus. Doch jetzt ist alles anders. Es sieht ganz danach aus, dass ein absolutes Worst-Case-Szenario eingetroffen ist. Der totale Lockdown. Aus Angst vor der grossen Epidemie-Welle, der wie derzeit in Italien die Spitäler nicht mehr gewachsen sind, kommt es zum totalen Stillstand der Schweizer Wirtschaft. Mit teilweise gravierenden Auswirkungen auf viele Unternehmen, deren Aktien auch auf OTC-X gehandelt werden. Die Kursverluste im ausserbörsliche Aktienhandel hielten sich bis Freitag im Gegensatz zu den grossen Börsen noch in Grenzen. Während der SPI Extra seit Jahresbeginn um 21,4% verlor, notierte der OTC-X Liquidity-Index am 13. März um nur 6,3% tiefer als zum Jahresanfang.

Bergbahn-Aktien verlieren seit Jahresbeginn um rund 10%

Schaut man sich die Aktienkurse der auf OTC-X gelisteten Unternehmen genauer an, ist festzustellen, dass sie bisher wesentlich weniger stark reagiert haben als die börsenkotierten Aktien. Der OTC-X-Index Bergbahnen liegt seit Jahresbeginn „nur“ mit 10,2% im Minus. Bergbahnaktien wie Pilatus Bahnen, Schilthornbahn, Rigi-Bahnen und Zermatt Bergbahnen haben zwar seit Jahresbeginn auch an Wert verloren, notieren allerdings immer noch auf einem recht hohen Niveau. Denn sofern sich die Epidemiewelle bis Ende April wieder abgeschwächt hat, würde die Corona-Krise genau in die Nebensaison fallen. Und das Wintergeschäft der Bahnen lief bisher insbesondere für die höher gelegenen Bahnen sehr erfreulich. Die vorzeitige Schliessung der Skilifte kommt also zu einem Zeitpunkt, zu dem ein grosser Teil der Wintersporterträge bereits in den Büchern ist. Das Sommergeschäft startet erst Ende Mai – gerade kleinere Bahnen haben von Anfang April bis Mitte Mai ohnehin geschlossen. Bis allerdings die ersten Gruppengäste aus Übersee wieder auf den Pilatus, die Rigi oder das Schilthorn reisen, dürfte noch einige Zeit vergehen. Mit etwas Glück könnten aber Schweizer Gäste, denen in diesem Sommer die Lust auf eine Auslandsreise vergangen ist, die Lücke wieder kompensieren.

Schifffahrt wird eingestellt bzw. auf dem Vierwaldstättersee reduziert

Betroffen im touristischen Sektor sind auch die Hotellerie und die Schifffahrt. Gemäss einer Umfrage des Branchenverbandes Hotelleriesuisse wird bei der Hälfte der Hotelbetriebe in den nächsten Wochen die Liquidität knapp. In der Schifffahrt hat die BLS Schifffahrt ihren Betrieb auf dem Thunersee bereits eingestellt. Auch die Bielersee Schifffahrt lässt ihre Schiffe im Hafen. Lediglich auf dem Vierwaldstättersee verkehren noch Kursschiffe, allerdings in reduziertem Betrieb. Das Cateringgeschäft der Tavolago – hier beliefert die SGV-Tochter nicht nur die eigenen Schiffe, sondern auch Veranstaltungen und betreibt Gastronomiebetriebe an Land – dürfte allerdings stark belastet werden. Weniger betroffen sind bisher die zwei Thermalbäder, Bad Schinznach AG und die Thermalbad Zurzach AG. Wie die Unternehmen auf der Website mitteilen, können die Betriebe «bedenkenlos» besucht werden. Die Hitze der Saunaanlagen töte die Viren ab. Lediglich an die Obergrenze von 100 Besuchern müssen sich die Betreiber halten.

Bernexpo Groupe muss BEA absagen
Die traditionsreiche Publikumsmesse BEA in Bern wurde abgesagt. Bild: Screenshot

Besonders hart getroffen hat es hingegen die Bernexpo Groupe. Der Berner Messeveranstalter gab am Freitag kurz nach der Information des Bundesrates bekannt, dass die Frühlingsmesse BEA in diesem Jahr nicht durchgeführt wird. Eigentlich hätte die beliebte Publikumsmesse vom 24. April bis zum 3. Mai stattfinden sollen. Neben der BEA werden auch weitere Messen nicht stattfinden. Zudem fallen auch Gastveranstaltungen, die auf dem Messegelände stattfinden sollten, aus. «Die aktuelle Situation ist ausserordentlich anspruchsvoll und trifft unser Unternehmen hart», lässt sich CEO Jennifer Somm in einer Medienmitteilung zitieren. Massnahmen zur Kostenreduktion sollen daher unmittelbar eingeleitet werden.

Fazit

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die ausserbörslich gehandelten Aktien sind derzeit nur schwer abzuschätzen. Der Tourismus- und Freizeitsektor dürfte jedoch kurzfristig am stärksten leiden. In der Industrie wird es ebenfalls zu grossen Herausforderungen kommen, insbesondere bei Betrieben, die stark auf ausländische Märkte angewiesen sind. Hinzu kommt bei einigen Industriebetrieben, dass sich ihre Branche ohnehin in einem Strukturwandel befindet – wie beispielsweise die Automobilindustrie. Die Corona-Krise und der Strukturwandel dürften daher doppelt wirken.

Kurzfristig weniger stark betroffen sind hingegen die Regionalbank-Aktien. Zwar werden die Auswirkungen im Anlagegeschäft unmittelbar spürbar sein. Allerdings trägt dieser Bereich bei den meisten Instituten weniger als 10% zu den Gesamterträgen bei. Im Geschäft mit KMU-Krediten kann es hingegen zu vermehrten Kreditausfällen kommen. Ebenso sind mittelfristig Auswirkungen auf das Hypothekargeschäft denkbar, insbesondere wenn die Schweiz in eine Rezession rutscht. Die Bereitschaft, in Wohneigentum zu investieren, dürfte abnehmen. Bei einem Anstieg der Arbeitslosigkeit ist auch damit zu rechnen, dass Hypotheken nicht mehr amortisiert werden können und auch die Tragbarkeit nicht mehr gewährleistet ist. Es könnte also zu mehr Wertberichtigungen kommen.

Vom Veranstaltungsverbot und der Einschränkung des öffentlichen Lebens werden auch die Kursaal- und Casino-Aktien betroffen sein. Allerdings besteht bei den Betrieben in Baden, Luzern und Interlaken die Chance, dass die Online-Spieleangebote in der Krise stärker genutzt werden. Am meisten leiden dürften bei den Kursaal-Aktien das Veranstaltungs-, Gastronomie- und Hotelgeschäft.

Ob bei börsenkotierten Unternehmen oder ausserbörslich gehandelten Aktien: Gerade jetzt in Krisenzeiten gilt es, der Bilanzqualität Beachtung zu schenken. Unternehmen, die über eine starke Eigenkapitaldecke verfügen, wenig oder gar nicht auf Kredite angewiesen sind und ausreichend Reserven haben, werden auch die Corona-Krise überstehen.

Hinweis der Redaktion: Nachdem der Bundesrat am 16. März die „ausserordentliche Lage“ erklärt hat, sind auch alle Restaurants, Schwimmbäder und Casinos geschlossen.

Kommentar verfassen