Der SaraSelect der VV Vermögensverwaltung AG ist ein reiner Aktienfonds und gehört zur Flagship-Palette der Bank J. Safra Sarasin AG. Der Anlagefonds wurde im Jahr 1996 aufgelegt und investiert in Schweizer Nebenwerte, mit Fokus auf Qualität und Stabilität, und hat deshalb einen hohen Bezug zum Small-Cap-Segment. Mit rund 650 Mio. CHF gehört der Fonds zu den Schwergewichten in diesem Bereich. Im Gegensatz zu vielen anderen Small-&-Mid-Cap-Fonds wird ein von der Benchmark unabhängiger Ansatz verfolgt.
Marc E. Possa (54), verantwortet seit Mitte 2011 das Portfoliomanagement des Fonds SaraSelect und ist Geschäftsführer der VV Vermögensverwaltung AG in Zug.
Im Videointerview mit Schweizeraktien.net erklärt Possa, warum er auch in der Corona-Krise keine Umschichtungen im Portfolio vorgenommen hat, welcher Titel ihm mit Abstand am meisten Freude bereitet und welche Chancen er für schweizerische Small & Mid Caps nach der Krise sieht.
Die Börsen auf Achterbahnfahrt. Wie hektisch waren Ihre vergangenen vier Wochen, Herr Possa?
Hektisch waren nur die Börsen und die Medien. Wir überhaupt nicht. Unsere Überzeugungspositionen wie Bossard, Interroll und Bobst, um eine wenige rauszugreifen, haben sehr weitsichtige Entscheidungen wie Kurzarbeit, Dividendenkürzung, Home-Office usw. fällen müssen und auch gefällt. Die Gesellschaften sind unternehmerisch geführt, mit gesunden Bilanzen, d.h. nach allen Regeln der Vernunft aufgestellt. Natürlich sind sie von den aktuellen Massnahmen betroffen, aber nicht «at risk». Deshalb, ich wage es fast nicht zu sagen: «Wir haben nichts gemacht! Wir haben keine Portfolioumschichtungen vorgenommen.»
War das die richtige Entscheidung?
Wir haben im März gegenüber der Benchmark, dem SPI Small & Mid Cap Index (SPISMC), um ca. 4,5% outperformt. Dies deshalb, weil wir schon immer der Qualität und Solidität bei unseren Investments einen grossen Stellenwert einräumen, d.h. Gesellschaften mit luftigen Bilanzen (hohen Verschuldungsgraden und viel immateriellen Gütern) bewusst umgingen.
Die YTD-Performance Ihres Fonds liegt bis Ende März 2020 bei -16,5%, die der Benchmark bei -18,8%. Der SPI hat in diesem Zeitraum um knapp 13% verloren. Worauf führen Sie die höheren Verluste im Small-&-MidCap-Bereich zurück?
Beim SPI haben Nestlé, Novartis und Roche ein Gewicht von 54%. Somit ist dies nach dem SMI der defensivste Markt. Der SPISMC dagegen ist mit dem hohen Anteil an Industriefirmen vermutlich der zyklischste Markt, wobei man hier differenzieren sollte. Viele Industriefirmen sind viel weniger zyklisch als wahrgenommen, viele profitieren oder ermöglichen starke strukturelle Trends, welche unabhängig des Zyklus weiter bestehen.
55% Ihres Portfolios machen Industrieunternehmen aus. Damit deutlich mehr als in der Benchmark. Ist eine solche Konzentration in einer Krise wie dieser nicht besonders anfällig auf stärkere Korrekturen?
Es kommt darauf an. Wir erleben ja erstmals den kompletten Lock-down, d.h. dass auch viele sogenannt defensive Geschäftsmodelle temporär geschlossen sein müssen und somit «at risk» sind. Die Welt wird aber nicht untergehen, und es wird ein Hochfahren und einen Wiederaufbau vieler industrieller Aktivitäten brauchen. Da wird man sich auf die etablierten, tradierten Anbieter abstützen, sprich, man wird die Marktführer damit beauftragen.
An welchen Industrietiteln haben Sie in dem Auf und Ab am meisten Freude gehabt, an welchen am wenigsten?
Bachem hat sehr viel Freude gemacht, die Aktie ist in einem strukturell wachsenden Bereich tätig. Eigentlich hat aber fast mehr Freude gemacht, nicht in den «gefährlichen» Gesellschaften investiert zu sein. Ich denke da an Dufry, Valora, Aryzta u.a., welche schon vor dem Ausbruch der Krise zu viel Leverage besassen und eine fehlende Alignierung der Interessen aufwiesen.
ams hat sicherlich performance-mässig negativ überrascht. Das sehr unglückliche Timing bei der strategisch richtigen Übernahme von Osram und der dafür benötigten Kapitalerhöhung hat dann auch viele Hedgefonds auf den Plan gerufen. Strukturell braucht es aber eine ams, sogar noch stärker als zuvor. Die Technologie wird zukünftig eine noch viel grössere Rolle spielen, wir sehen das gerade bei Themen wie Home-schooling, aber auch das Tracken von Covid-19-Patienten.
Gegenüber der Benchmark sind Gesundheitstitel deutlich untervertreten in Ihrem Portfolio. Gerade auch mit Blick auf die doch ungewisse Zukunft mit Corona. Denke Sie hier um?
Wir müssen nicht umdenken. Die schweizerische Kultur wird dank dem ausserordentlichen Unternehmertum hierzulande aus den vielen Risiken Opportunitäten schaffen und aus der ganzen Krise als Gewinner herauskommen. Und Bachem, eine unserer grössten Positionen, ist als Produzent von Peptiden und komplexen organischen Verbindungen von pharmazeutischen Wirkstoffen im Gesundheitssektor tätig. Ich mache mir deshalb keine allzu grossen Sorgen wegen des Untergewichts in Gesundheitstiteln.
Viele Ihrer Kunden werden nervös geworden sein, als eine Hiobsnachricht die nächste jagte. Wie sah es mit Rücknahmen in den letzten 30 Tagen aus?
Wir hatten wenige Rücknahmen von Privatanlegern, aber grössere Zeichnungen von institutionellen Investoren. 2/3 unserer Investoren sind Pensionskassen, diese agieren normalerweise «regelbasiert», d.h. sie haben strategische und taktische Bandbreiten der Anlagenkategorien und führen Rebalancings durch, deshalb kaufen sie nach, was stark fällt, und vice versa.
„Ich denke nie an die Zukunft, sie kommt früh genug“, zitieren Sie Albert Einstein in Ihrem Monatsbericht Februar. Das klingt ein bisschen nach Augen zu und durch.
Nein, überhaupt nicht. Was ganz wichtig ist: Es gibt im Moment sehr viele «moving parts», täglich gibt es neue Erkenntnisse, neue Fakten. Da gilt es flexibel zu bleiben, den zuvor selektierten CEOs jetzt das Vertrauen auszusprechen, im Wissen, dass sie die jeweilig besten Entscheide treffen.
Welches Performance-Ziel verfolgen Sie für 2020?
2020 dürfte, in Abhängigkeit der Länge und der politisch vorgenommenen Entscheide während der Krise, ein verlorenes Jahr sei. Aber: Die Börse nimmt Entwicklungen bekanntlich vorweg, der zukünftige Aufbau eines robusteren Systems inklusive Infrastruktur, Gesundheitswesen und Industrie wird für viele Schweizer Firmen durchaus positiv ausfallen. Auch ein Wiederaufbau von Produktions-Kapazitäten in den USA, Europa und Asien, also ausserhalb von China, sollte vielen Industriefirmen helfen, da man bewusst den Marktführern diese Aufträge vergeben wird. Diese sind ja häufig nicht die grossen Massenproduzenten, sondern die Spezialisten für hocheffiziente Teile-, Komponenten oder Systeme.
(Staatlich) garantiert werden die Zinsen tief bleiben müssen, das ergibt eine attraktive relative Bewertung für Realwerte, also auch für Aktien. Deshalb sollte der Markt deutlich höher schliessen als aktuell.
Herr Possa, vielen Dank für dieses Gespräch.