Frédéric Füssenich, CEO Rigi Bahnen: «90% der Gäste kommen jetzt aus der Schweiz»

2023 wird eine Ertragslage wie vor der Pandemie erwartet

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Die ganz grosse Party auf der Rigi zum 150-jährigen Jubiläum der Innerschweizer Bahn musste coronabedingt ausbleiben. Dennoch reichte es für kleine Feierlichkeiten mit Politik-Prominenz auf der «Königin der Berge». Frédéric Füssenich, seit März 2020 CEO der Rigi Bahnen, blickt nach einem schwierigen Coronajahr 2020 nach vorne. 2023 rechnet er mit einer Ertragslage wie vor der Pandemie, wie er im Interview mit schweizeraktien.net erklärt. 2019 erzielte die Bahn noch einen Umsatz von 29 Mio. CHF. Im 2020 waren es gerade einmal 19 Mio. CHF. Auch setzt Füssenich weiterhin auf die Erhöhung des Ertrags pro Gast und erwartet, dass mehr Kleingruppen und Individualreisende aus Südostasien nach dem Ende der Pandemie in die Schweiz reisen werden.

Frédéric Füssenich, 47, ist seit März 2020 CEO der Rigi Bahnen AG. Er verfügt über Abschlüsse der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern, als Betriebsökonom FH und Executive MBA der Hochschule Luzern. Vor seiner Tätigkeit bei den Rigi Bahnen war er 10 Jahre Direktor der Engelberg-Titlis Tourismus AG. Die Rigi Bahnen feiern dieses Jahr ihr 150-Jahre-Jubiläum als älteste Bergbahn von Europa und wurden 2021 als fünftbester Arbeitgeber der Schweiz ausgezeichnet. Füssenich ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Bild: zvg

Herr Füssenich, Sie haben Ihren Posten bei den Rigi Bahnen am 16. März 2020 angetreten, also just mit Eintreten des ersten Lockdowns. Welche Massnahmen mussten Sie ergreifen, um die negativen Auswirkungen der Pandemie auf die Rigi Bahnen in Grenzen zu halten?

Frédéric Füssenich: Wir haben uns den gegebenen Rahmenbedingungen ständig angepasst. Verschiedene Szenarien wurden erarbeitet und in Absprache mit dem Verwaltungsrat Massnahmen eingeleitet. Liquidität sichern, Investitionen zurückstellen, Personalbestand anpassen und gleichzeitig die Wiedereröffnung vorbereiten. Als wir wieder offiziell loslegen durften, waren unsere Mitarbeitenden extrem gefordert.

Welches waren dabei die grössten Herausforderungen?

Nun, zuerst hiess es keine Maskenpflicht, dann doch. Lüften, Desinfizieren, hinzu kam die mitunter vollkommen unterschiedliche Sicherheitswahrnehmung unserer Gäste, die Kapazitätsbeschränkung, die Restaurants mal offen, die Skigebiete mal offen, dann wieder Skigebiet zu. Dann die Terrassen offen mit, dann ohne Alkoholkonsum. Fahrplananpassungen, Kurzarbeit und vieles, vieles mehr.

Wie hat sich die Situation wirtschaftlich für die Rigi Bahnen AG ausgewirkt?

Die Rigi Bahn hat sich als krisenresistent erwiesen. Wir haben die gesetzten Ziele, ein positives EBITDA, übertroffen und durften Ende Mai unser 150-Jahre-Jubiläum feiern. Die Herausforderung ist immer noch gross, aber wir sehen Licht am Ende des Tunnels, und ich bin fest davon überzeugt, dass wir gestärkt aus der Krise hervorgehen.

2020 ging der Nettoertrag der Rigi Bahnen um 34% auf 19 Mio. CHF zurück. Gemäss dem letzten Aktionärsbrief budgetieren Sie für 2021 mit einem Nettoertrag von knapp 25 Mio. CHF, also noch rund 14% unter 2019er Niveau. Wie hat sich das Geschäft seit Jahresbeginn entwickelt?

Die behördlichen Einschränkungen aufgrund der Pandemie haben uns länger und umfassender beschäftigt als im Dezember 2020 prognostiziert. Glücklicherweise verdient die Rigi Bahn ihr Geld grösstenteils im Sommer und Herbst. Die nächsten Monate werden entscheiden, inwiefern wir die gesetzten Ziele erreichen können. Das Wetter wird dabei einen grossen Einfluss auf das Ergebnis haben.

Dank einer ausserordentlichen Auflösung stiller Reserven resultierte 2020 trotz der tieferen Umsätze und tieferem operativen Ergebnis ein kleiner Jahresgewinn. Wie sieht Ihre Prognose ergebnistechnisch für 2021 aus?

Da die Rigi Bahn an den Randzeiten einen Erschliessungsauftrag für die Bewohner auf die Rigi wahrnimmt und entsprechend entgeltet wird, wurde die Auflösung der stillen Reserven vom Bundesamt für Verkehr für alle abgeltungsberechtigten Transportunternehmen verordnet, weil die Jahresrechnung neu die tatsächlichen Verhältnisse der Vermögens-, Finanz und Ertragslage ausweisen muss. Insofern war die Auflösung der stillen Reserven nicht ganz freiwillig. 2021 wird ein Übergangsjahr, und wir rechnen erst für 2022 mit einer substanziellen Erholung für den Tourismus.

In den vergangenen Jahren war eine Erhöhung des Umsatzes pro Gast stets ein erklärtes Ziel der Rigi Bahnen AG, was schrittweise auch erreicht werden konnte. Wie wollen Sie diese positive Entwicklung auch künftig fortsetzen?

Der Leitgedanke für unsere Unternehmung für die Strategieperiode 2021 bis 2025 lautet «Qualität schafft Mehrwert». Wir haben unser Gastroangebot mit dem Rebranding unseres à-la-Carte-Restaurants zur LOK7 frisch positioniert. Die ersten Umsätze und das Feedback der Gäste stimmen uns zuversichtlich, unser Gastroangebot weiter zu rentabilisieren. Der Umsatz der Jahreskarten konnte substanziell gesteigert werden, da wir unser Winterangebot integriert und gleichzeitig die günstigeren 2-Jahresabos aus dem Sortiment genommen haben.

Die historische Lok7 an der Jubiläumsfeier mit Karl Bucher, VRP Rigi Bahnen, Bundesrätin Simonetta Sommaruga und Vincent Ducrot, CEO SBB. Bild: zvg

Im Zuge des 150-Jahre-Rigi-Bahn-Jubiläums erfreuen sich unsere Dampffahrten einer hohen Nachfrage trotz eines höheren Preises. Dank guter Partnerschaften mit unseren Jubiläumspartnern wie Migros, LUKB oder V-Zug können wir kaufkräftige neue Kundensegmente erreichen. Zusätzlich planen wir eine umfassende Wegnetzsanierung auf Rigi Kulm, um den Gipfel einer Königin der Berge würdig zu gestalten, und nicht zuletzt das neue Rollmaterial, welches nächsten Frühling im Einsatz steht, wird die Qualität steigern und gibt uns weiteren Spielraum für Ertragssteigerung pro Gast.

Vor Ausbruch der Pandemie machten ausländische Gäste rund 40% der Besucher aus. Wie sieht der Gästemix aktuell aus?

90% der Gäste kommen jetzt aus der Schweiz und ca. 10% aus dem angrenzenden Ausland.

Planen Sie langfristig mit einer nachhaltigen Veränderung des Gästemixes oder wird dieser nach überstandener Krise wieder aussehen wie zuvor?

Der Tourismus ist ein volatiles Geschäft, und exogene Faktoren wie Wetter, Wirtschaft oder Währung haben schon immer einen starken Einfluss auf den Geschäftsgang gehabt. Jetzt ist allerdings mit der Pandemie eine neue Dimension dazugekommen. Wir sind gut beraten, auch in Zukunft unseren Hauptfokus auf den Schweizer Markt zu legen. Dieser sichert uns auch in Krisenzeiten ein stabiles Einkommen.

In der Branche redet man viel von «The New Normal», man geht von kleineren Reisegruppen und mehr Individualgästen aus den Fernmärkten aus. Dank unserer Akzeptanz des Swiss Travel Pass, was ein Generalabonnement für kurze Zeit für ausländische Gäste ist, sind wir hier sehr gut aufgestellt. Unser Anspruch ist es, dass wir neben den Gästen aus Südostasien in Zukunft auch vermehrt Gäste aus den USA bei uns begrüssen dürfen.

Die Tourismusregion Luzern wird aufgrund der vielen internationalen Gruppenreisenden seit Jahren schon von kritischen Stimmen als zu massentouristisch bezeichnet. Ähnliche Kritik gab es auch schon an der Rigi. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung des Tourismus in der Region Luzern nach Corona?

Mittel- bis langfristig bin ich davon überzeugt, dass sich die Region Luzern-Vierwaldstättersee sehr positiv entwickeln wird. Es gilt ein qualitatives Wachstum anzustreben und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Dabei dürfte uns auch der Trend hin zu kleineren Reisegruppen und Individualgästen helfen, da bei diesen Gästen die Verweildauer und damit auch die Wertschöpfung pro Gast höher ist als bei Gruppenreisenden. Hier wird intensiv gearbeitet und ein Strategiepapier für die ganze Region Luzern Vierwaldstättersee bald verabschiedet.

Nebst all den Herausforderungen durch die Pandemie bietet das Jahr 2021 für die Rigi Bahnen mit dem 150-Jahre-Jubiläum und der Einführung des neuen Rollmaterials auch zwei besondere Highlights. Was bedeuten die beiden Projekte für die Rigi Bahnen AG und deren Zukunft?

Das Jubiläum als älteste Bergbahn von Europa ist eine grossartige Chance, unsere Marke emotional aufzuwerten. Mit der Inbetriebnahme der LOK7 aus dem Jahr 1873, welche vorher im Verkehrshaus ausgestellt war, bieten wir einmalige Erlebnisse. Alle Fahrten sind im 2021 bereits ausgebucht, und auch für 2022 gibt es eine grosse Nachfrage. Die «neuesten» Fahrzeuge der Rollmaterialflotte der Rigi Bahnen AG stammen aus den 1980er-Jahren, die «alten und älteren» aus den 1950ern und 30ern. Seit Langem ist eine Ablösung der Flotte in Planung und wurde durch die Rigi Bahnen AG über die letzten Jahre gezielt vorbereitet. Das neue Rollmaterial wird im September geliefert und ab Frühling 2022 in den Fahrplan aufgenommen. Einerseits bieten die sechs neuen Triebwagen der Firma Stadler Rail Möglichkeiten, effizienter zu arbeiten, andererseits aber führen sie auch für den Gast zu einer Qualitätssteigerung im Fahrkomfort.

Passend zum langen Bestehen der Rigi Bahnen schreibt sich Ihr Unternehmen «Enkeltauglichkeit», allgemeiner bekannt als Nachhaltigkeit, auf die Fahne. Wie trägt das neue Rollmaterial zu besserer Enkeltauglichkeit bei?

Während die heutige Flotte die Bremsenergie bei der Talfahrt verheizt, werden die neuen Züge diese Elektrizität ins eigene Netz zurückspeisen und für bergwärts fahrende Züge nutzbar machen.

Die Pandemie sowie die hohen Investitionen in das neue Rollmaterial und den Bau des Dienstleistungszentrums in Vitznau hatten auch merkliche Auswirkungen auf die Liquidität. Die flüssigen Mittel per Ende 2020 liegen mit 1.2 Mio. CHF um rund 6 Mio. unter dem Wert von Ende 2018. Zudem wurde ein Covid-19-Überbrückungskredit über 1.5 Mio. aufgenommen. Wie steht es um die Liquidität der Rigi Bahnen?

Die Liquiditätsplanung ist mit unseren Banken abgestimmt, und alle Investitionen sind finanziell gesichert.

Durch das tiefe Ergebnis 2020 und den aufgenommenen Covid-Kredit müssen die Aktionäre dieses Jahr auf eine Dividende verzichten. Wann dürfen sie mit der Wiederaufnahme der Ausschüttung rechnen?

Selbstverständlich werden wir unserer Verpflichtung einer angemessenen Dividende gegenüber unseren Eigentümern nachkommen, sobald entsprechende Gewinne erzielt werden. Dies ist erst möglich, wenn wir die Covid-Kredite zurückbezahlt haben. Die rund 300’000 CHF Härtefallgelder für unsere Gastrobetriebe, die wir vom Kanton Schwyz erhalten haben, werden wir auch zurückbezahlen, sobald es der Geschäftsgang erlaubt. Sonst ist eine Ausschüttung erst wieder in drei Jahren möglich. 2021 ist ein Übergangsjahr, 2022 rechnen wir mit einer substanziellen Erholung, und im 2023 erwarten wir wieder eine Ertragslage wie vor der Pandemie.

Vielen Dank für das Interview.

Die Aktien der Rigi Bahnen AG werden ausserbörslich auf otc-x.ch gehandelt. Zuletzt wurden 10.40 CHF für eine Aktie bezahlt.

Hinweis in eigener Sache: Am 14. September 2021 findet der Branchentalk Tourismus von schweizeraktien.net auf dem Titlis stattReservieren Sie sich den Termin schon jetzt oder melden sich am besten gleich hier an.

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