Marc E. Possa, Sara Select: «Ein Re-Shoring könnte vielen Industrieunternehmen helfen»

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Der SaraSelect der VV Vermögensverwaltung AG ist ein reiner Aktienfonds und gehört zur Flagship-Palette der Bank J. Safra Sarasin AG. Der Anlagefonds wurde im Jahr 1996 aufgelegt und investiert in Schweizer Nebenwerte, mit Fokus auf Qualität und Stabilität, und hat deshalb einen hohen Bezug zum Small-Cap-Segment. Mit rund 1 Mrd. CHF  gehört der Fonds zu den Schwergewichten in diesem Bereich. Im Gegensatz zu vielen anderen Small-&-Mid-Cap-Fonds wird ein von der Benchmark unabhängiger Ansatz verfolgt.

Herr Possa, Krieg in der Ukraine, Corona und kein Ende, Inflations- und Stagflationsängste: Anhand dieses toxischen Mix sind Sie nicht versucht, aus den Märkten auszusteigen und auf das gute alte Bargeld zu setzen?

Der Komplettausstieg ist weder machbar noch sinnvoll und zielführend. Wir versuchen, sachlich neue wichtige Erkenntnisse in unser Portfolio einfliessen zu lassen. Auch wenn die Welt bipolarer wird, man muss deshalb bei der häufig propagierten Swissness deswegen keine Abstriche machen. Ganz im Gegenteil, ein Re-shoring könnte vielen industriell orientierten Firmen helfen.

Der Fonds SaraSelect hat in den vergangenen Jahren die Benchmark stets ausgestochen. In diesem Jahr hinken Sie hinter der Benchmark zurück. Ist das allein darauf zurückzuführen, dass Sie in Small & Mid Caps investiert sind und nicht in Blue Chips?

Partiell hat es damit zu tun. Die Finanzindustrie lebt von Volatilität, idealerweise nimmt man die Investoren dort raus, wo sie grossmehrheitlich investiert sind und lässt sie das kaufen, was sie noch nicht haben. So verdienen sie 2x. So wurde auch Anfang Jahr zum x-ten Mal die sogenannte Sektorrotation aus «Growth und Qualität» in «Value und Defensivität» empfohlen. Mit unserem Industrie Bias sind wir natürlich temporär etwas von dieser kurzfristigen Entwicklung betroffen, es hält sich aber in Grenzen.

Dann kommen wir doch direkt zu Ihrem Portfolio. Die grösste Position ist, Stand Ende März, immer noch der Peptide-Hersteller Bachem. Wie so viele Wachstumstitel musste auch Bachem in den letzten Monaten gehörig Federn lassen. Ist Ihre negative Performance in 2022 auch und besonders auf diesen Titel zurückzuführen? Werden Sie weiter an ihm festhalten?

Bachem hat sicherlich in diesem Jahr ein wenig gekostet, auch relativ, die Firma war aber in sehr guter Gesellschaft mit anderen Weltmarktführern, welche nach sehr guten Börsenjahren etwas Federn lassen mussten. Dies hat absolut nichts mit der operativen Performance zu tun und stellt lediglich eine Korrektur der Börsenübertreibungen des letzten Jahres bzw. des letzten Dezembers dar. Vielen Aktien wurden 2021 und v.a. im Dezember 2021 noch massiv raufgezahlt, jeder wollte da noch rein, es musste so kommen, wie Anfang 2022 mit dem Minicrash auf Ansage erlebt.

Auch Logitech gehört in Ihrem Portfolio zu den grössten Positionen. Dieser Titel dürfte Ihnen ebenfalls schon seit längerem keine grosse Freude bereiten. Worauf führen Sie es zurück, dass der Kurs einfach nicht zu Potte kommt?

Auch Logitech gehört zu den Aktien, welche v.a. wegen Corona massivst hochgezahlt wurden und wo danach eine Phase der Beruhigung einsetzen muss. Die Finanzindustrie kann mit Wachstumsmodellen nur schwer umgehen. Aktuelle Wachstumsraten werden ad infinitum extrapoliert, somit sind die Enttäuschung und der Absturz programmiert, dies ganz unabhängig von der operativen Performance.

Jetzt haben wir viel über «Sorgenkinder» gesprochen. Welchen Titel in Ihrem Portfolio können Sie positiv hervorheben?

Poenina ist da sicherlich hervorzuheben, diese Aktie wird zusammen mit Burkhalter nach ihrer Fusion dank der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundesrats zu den Profiteuren der nächsten Dekaden gehören.

Energiealternativen sind seit dem Ausbruchs des Ukraine-Krieges in aller Munde. Solarenergie, Windkraft, Wasserstoff, Biogas – inwieweit bilden Sie in Ihrem Portfolio diese Entwicklung ab?

Gurit, Schweiter, Poenina, Klingelnberg aber auch Sika, EMS Chemie, Huber+Suhner sind Gesellschaften, welche von diesen Trends profitieren werden. Das Problem, wenn die Politik zu stark involviert ist, ist, dass es zu Blasen bzw. Übertreibungen kommt, weil viele dasselbe zur gleichen Zeit umsetzen wollen. Entsprechend müssen Blasen dann auch wieder platzen, um dann hoffentlich einen evolutionäreren Weg einschlagen zu können.

Wie sehen Sie Ihr Engagement in Meyer Burger? Ist das Unternehmen auf der richtigen Schiene? Auch hier ist die Kursentwicklung eher seitwärts, obwohl doch viel Fantasie in Bezug auf Solarenergie im Markt sein sollte. Sie schreiben in Ihrem Kommentar zum März 2022, dass Sie der Ansicht sind, dass in Zukunft vieles repatriiert wird. Ist deshalb MB genau das richtige Investment?

Bei Meyer Burger scheiden sich die Geister. Entweder traut man dem Management und ihrer Marktführerschaft bzgl. der Leistungsfähigkeit und Effizienz ihrer Panels oder man ist der Meinung, dass gegen die Chinesen kein Kraut gewachsen ist. Ich bin klar der Meinung, dass es für Meyer Burger im aktuellen Umfeld sehr viel politisch motivierten Rückenwind geben wird. Einerseits strebt die westliche Welt die Unabhängigkeit von China an, und die langen und immer noch sehr teuren Logistikwege aus Asien ergeben immer weniger Sinn. Andererseits will man gerade heute alle möglichen Formen alternativer Energien fördern, also auch Photovoltaik. Hier hat man nun den innovativsten Hersteller von PV-Modul-Linien, welcher dank einer neuen Strategie nach 2 Dekaden Aufbau der chinesischen PV-Industrie nur entschieden hat, seine Innovationsstärke nur noch für sich zu nutzen.

Die internationalen Handels-Verflechtungen werden in ihrer Wichtigkeit trotz des Ukraine-Krieges bestehen bleiben. Wo sehen Sie weiteres Repatriierungspotenzial?

Grundsätzlich gibt es unendliches Repatrierungspotenzial. Die alte Weltordnung, in welcher China für die Welt produzierte und der Westen v.a. konsumierte, neigt sich aus verschiedenen Gründen dem Ende zu. Vor allem geostrategische Gesichtspunkte, welche durch den Ukraine-Konflikt noch verstärkt wurden, sind die Haupttreiber dieser Entwicklung. Der Westen merkt, dass ungewünschte Abhängigkeiten entstanden sind, nun muss man Gegensteuer geben. Dabei muss v.a. in den USA eine Reindustrialisierung entstehen, wobei da auch Mexiko mitreinspielen wird.

Gibt es Dinge, die Sie zur Zeit mit Blick auf die Märkte optimistisch stimmen?

Die Tatsache, dass wie auch schon in den letzten 2 Dekanden vieles in den Händen der Notenbanken liegt. Somit wird es grossmehrheitlich an ihnen liegen, die etwas überhitzten Märkte zu beruhigen und dabei etwas Luft rauszulassen. Am Ende sind folgende Punkte zentral: Die Welt ist immer stärker verschuldet und lebt in Summe über ihre Verhältnisse, dies in immer grösserem Mass. Deshalb dürfen die Zinsen nicht allzu stark ansteigen, sonst gehen auch etliche Staaten bankrott. Dabei gehen keine Wege an gut positionierten innovativen Firmen vorbei, welche der Menschheit auch zukünftig Mehrwert schaffen und sogar zur Mitigation des Klimawandels beitragen.

Aber man kann und darf den von der Natur vorgesehenen Selektionsmechanismus, also den Darwinismus, nicht ausschalten, weil genau dieser für mehr Robustheit sorgt. Dies ist aktuell die grösste Herausforderung der Menschheit, wo man doch Ungleiches um jeden Preis gleichmachen will.

Herr Possa, herzlichen Dank für dieses Gespräch. 

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