Bad Schinznach: Das Bäder- und Klinik-Unternehmen feiert hundertjähriges Jubiläum

Über 300 Aktionäre und Gäste an der 100. GV, die seit drei Jahren zum ersten Mal wieder physisch stattfindet

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VR-Präsident Hans-Rudolf Wyss eröffnet die 100. Generalversammlung der Bad Schinznach AG. Bild: Sandra Blaser, schweizeraktien.net

«Die Zeit verwandelt uns nicht. Sie entfaltet uns nur.» Dieses Zitat des Schriftstellers Max Frisch, das die Beilage zur Historie des Jubiläums-Geschäftsberichts einleitet, hätten der Verwaltungsrat um Hans-Rudolf Wyss und das operative Team um CEO Daniel Bieri mit Blick auf die Vergangenheit und die Zukunft der Bad Schinznach AG nicht treffender wählen können. Denn alle sehen sich als Teil einer langen Geschichte, die weit mehr als die einhundert Jahre zurückreicht, die in diesem Jahr gefeiert wurde.  100 Jahre – das Jubiläum für die heutige Rechtsform der AG; aber die Anfänge liegen um das Jahr 1654 herum, als die Sicherung der ersten Quelle durch die Stadt Brugg erstellt wurde, was erstmals ein betriebenes Bad auf der Schinznacher Seite der Aare ermöglichte.

Angesichts einer solchen Unternehmens-Historie schwingt eine gewisse Demut vor den Zeitläufen in Gesprächen mit den Verantwortlichen immer mit. Die Verantwortung, die Zukunft des Unternehmens und des Standortes weiter zu entfalten, die hat vor über dreissig Jahren Hans-Rudolf Wyss übernommen, als er mit seiner Wyss Holding AG die Mehrheit der Aktien der Bad Schinznach AG übernahm. Die 30 Jahre seien aber nur ein kleiner Abschnitt in der langen Geschichte von Bad Schinznach, sagt Wyss bescheiden.

Kein Familienunternehmen, aber geprägt von einer Familie

Bad Schinznach sei kein Familienunternehmen, betont Wyss gerne, was angesichts von über 800 Aktionären sicher zutrifft. Und doch prägte und prägt die Familie Wyss ganz entscheidend die Geschicke der Gruppe, sei es über Jacqueline Jean-Wyss, die wie ihr Vater im Verwaltungsrat sitzt, oder über Schwiegersohn Philipp Bill, ebenfalls Mitglied des VR. Und auch Beatrice Bill-Wyss, die der 100%-Tochter Klinik Meissenberg AG als CEO vorsteht, trägt zur Entfaltung des Unternehmens bei. Dass auch die beiden jüngsten Gäste an der GV aus der Familie stammen, verwundert daher nicht: Es sind die Enkel von Hans-Rudolf Wyss. Früh übt sich, wer mal später möglicherweise EBITDA und Eigenkapitalrendite den Aktionären erklären soll.

Bad Schinznach ist ein Unternehmen mit einem überaus lebendigen und engagierten Aktionariat, wie man an der diesjährigen GV erleben durfte. 261 Aktionärinnen und Aktionäre fanden an einem heissen Mai-Mittwoch den Weg in die Mehrzweckhalle in Schinznach-Bad, die damit aus allen Nähten platzte. Weil auch noch 70 Gäste an dem Event teilnahmen, musste der offizielle Teil der Generalversammlung zusätzlich in einen angrenzenden Raum übertragen werden.

Rekordbeteiligung an der Jubiläums-GV

Dass so viele Aktionärinnen, Aktionäre und Besucher wie nie zuvor kamen, ist natürlich einerseits der Tatsache geschuldet, dass nach zwei pandemie-bedingten Ausfällen alle ein grosses Nachholbedürfnis an physischem Austausch spüren. Andererseits zog auch das Jubiläum zusätzliche Aktionärinnen und Aktionäre sowie Gäste an. Aber es ist auch ein Vertrauensbeweis in Verwaltungsrat und Management und in das Credo der aktuellen und weiteren Entfaltung.

Rekordbeteiligung der Aktionärinnen und Aktionäre an der Jubiläums-GV. Bild: Sandra Blaser, schweizeraktien.net

Erfreut war das Aktionariat darüber, dass der GV eine Dividende in Höhe von 52 CHF für 2021 beantragt wurde. Wyss hatte schon vor einem Jahr davon gesprochen, dass es das «schönste Geschenk» für die Aktionäre wäre, wenn die Bäder- und Klinikgesellschaft wieder eine Dividende wie 2019 auszahlen könnte.

Zur 100. GV brachten die Aktionäre ihre eigenen historischen Erinnerungsstücke mit. Bild: Sandra Blaser, schweizeraktien.net
Zurück in den schwarzen Zahlen

Die Gewinnbeteiligung wurde möglich, weil nach dem sehr schwierigen Geschäftsjahr 2020 im letzten Jahr die meisten Geschäftszweige wieder erfolgreich operierten. Obwohl die Gesellschaft 2021 mit einem Umsatz von 48.7 Mio. CHF das 2019er Niveau noch nicht wieder erreichen konnte, gelang es, das operative Ergebnis auf Stufe EBITDA um 62,4% auf 7.6 Mio. CHF zu erhöhen. Womit auch eine Fixkostenentschädigung des Kantons Aargau für die Schliessung des Bäderbereiches vom Dezember 2020 bis Mai 2021 in Höhe von 196’000 CHF zurückgezahlt wurde, was eine Voraussetzung für die Gewinnausschüttung war.

Erstragsstruktur der Bad Schinznach AG. Quelle: Geschäftsberciht 2021.
Erfreulicher Geschäftsverlauf der Kliniken und des Hotels

Erfreulich war im vergangenen Jahr der Geschäftsverlauf der beiden Kliniken Privat-Klinik Im Park und der Klinik Meissenberg (Zug) sowie des Kurhotel Im Park. Dabei waren sie denkbar schlecht ins Jahr gestartet. Während der zweiten Welle der Corona-Krise wurden wieder Operationen verschoben. Aber ab Mai verbesserte sich die Lage spürbar, und sowohl die Privat-Klinik Im Park als auch die Klinik Meissenberg erfuhren eine sehr hohe Nachfrage. So lag die Auslastung im Meissenberg in den letzten vier Monaten des vergangenen Jahres bei 97%. Und die Privat-Klinik Im Park wies übers ganze Jahr gerechnet wieder Belegungszahlen wie vor der Corona-Krise aus.

Bäderbereich noch mit rückläufiger Frequenz

Während Kliniken und Hotel deutlich besser durch die Krise gekommen sind als im Vorjahr, musste im Bäderbereich ein weiterer Rückgang (-7,1%) verkraftet werden. Erst am 31. Mai 2021 konnten die Anlagen wieder für die Besucher komplett freigegeben werden. Somit war der Bäderbereich während der Hauptsaison massivst beeinträchtigt. Der regnerische und nasskalte Sommer verhalf dann zu steigenden Besucherfrequenzen, aber im Herbst kamen mit 3G-Pflicht und dann sogar 2G+ weitere Zutrittsrestriktionen auf die Anlagen zu. Vor diesem Hintergrund sei der Rückgang der Besucherzahlen um 5’500 Badegäste schon fast als geringfügig einzustufen, schreibt die Bad Schinznach AG im Geschäftsbericht.

Auch die Schwob AG in Burgdorf, an der die Bad Schinznach Gruppe mit 38.1% beteiligt ist, hat zwei harte Jahre hinter sich. Sie wurde von der Pandemie am härtesten getroffen und musste ein «tiefrotes» Geschäftsergebnis 2020 verdauen. Erst im zweiten Halbjahr 2021 zog die Geschäftstätigkeit bei den Wäschereien wieder an. Da das Unternehmen Corona-Härtefallgelder in wesentlichem Umfang erhielt, muss das Unternehmen auf eine Dividenden-Ausschüttung in den kommenden Jahren verzichten. Übrigens ist auch die Schwob AG ein Jubilar, kann man doch 2022 das 150-jährige Bestehen des Unternehmens feiern.

Ein Dank an die Banken und die Aktionäre

Wyss betonte an der GV, wie sehr das Rückgrat der Einnahmen aus Immobilien geholfen habe, durch die Krisenjahre zu kommen. Dass stets genug Liquidität vorhanden war, sei auch dem Entgegenkommen der Banken zu verdanken, die auf Amortisationen verzichtet hätten. Und auch den Aktionärinnen und Aktionären gebühre Dank für ihren Dividendenverzicht.

Mit dem Blick voraus wird Bad Schinznach die stark zurückgeschraubte Investitionstätigkeit wieder ankurbeln. Zukunftsträchtige Projekte wie das Vorprojekt «Hotel» oder ein Richtprojekt in Zug sollen mit angemessener Geschwindigkeit vorangetrieben werden. Dazu stehen Zimmersanierungen in der Rehabilitationsklinik in diesem Jahr an.

Auch ohne Corona-Einschränkungen wird 2022 zu einem herausfordernden Jahr

Aber auch wenn man in Bad Schinznach davon ausgeht, dass die Corona-Krise im Gesamtjahr 2022 nicht mehr zu weiteren schweren Einschränkungen führen wird, kommen auf der Kostenseite mit stark steigenden Personal-, Sach- und Energiekosten weitere Belastungen durch die anziehende Inflation auf das Unternehmen zu. Bei erwarteten Umsätzen von über 50 Mio. CHF wird ein Jahresergebnis wie 2021 erwartet. Und das wollen die Macher wieder mit operativer Arbeit erreichen, und nicht mit Corona-Hilfen, die 2021 den Gewinn um rund 1.5 Mio. CHF verbessert haben.

Im Gespräch mit dem Verwaltungsrat um Hans-Rudolf Wyss und die operative Spitze um Daniel Bieri spürt man den Gestaltungswillen, das Unternehmen nach zwei schwierigen Jahren weiterzuentwickeln. Denn auch wenn Corona eine kräftige Delle in den Büchern hinterlassen hat, die Zeit hat das Unternehmen nicht verwandelt, es wartet frei nach Max Frisch nur auf eine weitere Entfaltung.

 
 

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