Branchentalk Banken: Schweizer Bankenplatz braucht diversifizierte Ökosysteme

Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind dominierende Trends

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Am 9. Branchentalk Banken drehte sich die Diskussion um die Gegenwart und Zukunft des Schweizer Retailbankings. Bild: Sandra Blaser

«Die Zukunft ist eher hell als dunkel.»

Mit diesen Worten leitete Jörg Gasser, CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung, am 9. Branchentalk Banken in sein Keynote-Referat zur Gegenwart und Zukunft im Schweizer Retailbanking ein. Eine Aussage, der wohl viele der gut 50 Teilnehmenden aus dem Umfeld des Schweizer Finanzwesens im Hotel Schweizerhof in Bern zugestimmt haben, wie ein Blick auf die von der Zern & Partner GmbH veröffentlichte Branchenanalyse regional tätige Banken 2022 zeigt. Was aber begründet diese helle Zukunft?

Fünf Thesen zum Schweizer Bankenplatz

Während seines Referats präsentierte Jörg Gasser fünf Thesen, wieso der Schweizer Bankenplatz trotz zahlreicher vergangener und existierender Herausforderungen weiter attraktiv bleibt. War in den letzten Jahren wiederholt vor der Verdrängung der traditionellen Bankinstitute durch Fintechs gewarnt worden, so ist diese Kannibalisierung bisher ausgeblieben. Vielmehr seien laut Gasser die Fintechs auf die Ökosysteme der Banken angewiesen, um eine breite Kundenbasis erreichen zu können. Den Banken biete dies die Chance, das eigene Ökosystem mit digitalen Angeboten und neuen Technologien diversifizierter auszugestalten. Weiter erhöhe das Aufkommen der Fintechs die Wettbewerbsintensität, welche eine zentrale Voraussetzung für die weitere Entwicklung des Schweizer Finanzplatzes ist. Solange die neuen Marktteilnehmer für die selben Geschäftsaktivitäten auch die gleichen Regeln einhalten müssen, könnten die bestehenden Schweizer Finanzinstitute davon profitieren.

Nachhaltigkeitsbewegung soll nicht von Banken angetrieben werden

In Gassers zweiter These geht es um die Nachhaltigkeit als Verpflichtung, die jedoch auch eine Wachstumschance darstelle. Unternehmen werden durch politische Vorgaben oder Druck seitens der Kunden zu vermehrten Bemühungen im Bereich der Nachhaltigkeit gezwungen. Bei dieser Bewegung biete sich den Regionalbanken die Chance, ihre Kunden durch kompetente Beratung zu unterstützen. Aufgabe der Banken sei dabei rein die Beratung und Unterstützung, die Kunden sollen nicht Richtung Nachhaltigkeit gezwungen werden.

Eine Ansicht, die auch im Round-Table-Gespräch im Anschluss ans Keynote-Referat unter der Moderation von Claude Baumann, Gründer von finews.ch, bekräftigt wurde. Weitermachen wie bisher sei zwar keine Option, die Nachhaltigkeitsentwicklung müsse jedoch nicht von den Banken getrieben werden, meinte Karin Zahnd Cadoux, Verwaltungsratspräsidentin der Bank WIR. Deshalb gebe es auch bei der Kreditvergabe keine Preisvorteile für nachhaltige Projekte respektive Unternehmen. In die gleiche Richtung argumentierte auch Markus Schwab, CEO der 3-in-1 Finanz-App Yuh, welche Zahlen, Sparen und Investieren in einer einzigen App zusammenführt. Seiner Ansicht nach sollen Kunden ihre Finanzen so anlegen können, wie sie wollen. Bei manchen sei dies nach Nachhaltigkeitskriterien, allerdings gelte es auch die anderen Präferenzen zu berücksichtigen. Anstelle von disruptivem Eingreifen wird auf schrittweise Förderung der Nachhaltigkeit durch qualitativ gute Beratung gesetzt.

Jörg Gasser, Karin Zahnd Cadoux, Markus Schwab und Moderator Claude Baumann (v.l.n.r.) diskutieren die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes. Bild: Sandra Blaser
Bankenlizenz bleibt Qualitätslabel

Qualität steht auch im Zentrum der dritten These von Jörg Gasser. Die Bankenlizenz bleibe ein wichtiges Gütesiegel. Zwar gehe sie einher mit starker Regulierung, diese sei jedoch auch ein Qualitätslabel. Die Regulatorien seien nicht bloss ein Hindernis, sondern stellten auch ein Asset dar und würden von Kunden geschätzt und erwartet werden. Schliesslich wollen die Kunden in Finanzfragen grösstmögliches Vertrauen und Sicherheit. Darum werden digitale Lösungen – und somit zur vierten These – die persönliche Beratung nicht ersetzen können. Zwar müssten sich Banken auf digitale Angebote einlassen, die persönliche Beratung werde jedoch parallel dazu bestehen bleiben. So seien die digitalen Lösungen geeignet für einfache Problemstellungen, je komplexer jedoch das Anliegen der Kunden, desto höher sei auch deren Verlangen respektive Bedarf nach persönlicher Beratung.

Junge Generation mit anderen Erwartungen?

In diesem Punkt schieden sich in der anschliessenden Diskussionsrunde die Geister. Gemäss Markus Schwab hätten die neu nachkommenden Generationen andere Erwartungen an ihre Bank. Transparenz insbesondere beim Pricing werde grossgeschrieben, ebenso müsse jegliche Information jederzeit abrufbar sein. Langes Stöbern in Broschüren zur Antwortfindung sei nicht mehr aktuell. Zu guter Letzt wolle die Community, wie Yuh ihre Kunden bezeichnet, bei ihrer Bank mitreden und mitentwickeln können. Dies möge auf junge Privatpersonen zwar zutreffen, insbesondere die Bedürfnisse von Firmenkunden liessen sich aber nicht so einfach digitalisieren, hielt Karin Zahnd Cadoux dagegen. Fintechs würden nicht alle Bedürfnisse abdecken können. Der Trend dürfte in die Richtung gehen, dass sich Kunden einzelne Produkte von verschiedenen Anbietern – ob digital oder traditionell – zusammenstellen werden.

Quantensprünge bleiben aus

Banken haben die Möglichkeit, dem neuen Wettbewerb erfolgreich zu begegnen, solange sie agil bleiben und auf permanente Weiterbildung der Mitarbeitenden setzen. Dies besagt die fünfte und letzte These von Jörg Gasser. Die Rahmenbedingungen hätten sich geändert, darauf müssten die Finanzinstitute reagieren können. Mit dem hohen Bildungsstandard habe der Schweizer Finanzplatz im internationalen Vergleich hier einen Vorteil.

Auch wenn Agilität der Banken gefordert wird, dürften Revolutionäre bei der Entwicklung der Regionalbankenbranche nicht auf ihre Kosten kommen. Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind zwar die beiden bestimmenden, langfristigen Trends, vorpreschen werden die Finanzinstitute in diesen Bereichen jedoch nicht. Anstelle von Disruption steht schrittweise Evolution im Vordergrund. Ein diversifiziertes Ökosystem wird der Schlüssel zum Erfolg sein, um die verschiedenen Bedürfnisse der Kunden abdecken zu können. Kurzfristig treten Digitalisierung und Nachhaltigkeit in Anbetracht von Inflation und Anhebung des Zinsniveaus aber ohnehin noch in den Hintergrund.

Impressionen vom 9. Branchentalk Banken

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