Der Pandemieschock vor zwei Jahren traf auch verschiedene Bereiche des Luxus-Universums. Doch die aus Börsensicht wichtigsten Player kehrten schnell auf ihren Wachstumspfad zurück. Man sieht es an den Kursen der Top Liga. Die jüngsten Geschäftszahlen untermauern den Investment Case. Aufgrund der hohen Gewinnspannen und des starken Wachstums bleiben die Aktien bei Investoren «en vogue».
Der Sell-out ab März 2020 liess auch die Aktienkurse der Luxusgüter-Konzerne zunächst einmal kräftig purzeln. Doch es sollte nicht lange dauern, bis sich die Aktien der prominenten Vertreter der Glamourbranche nicht nur aufrappelten, sondern sogar zu Zugpferden der allgemeinen Hausse entwickelten. Der Höhenrausch hielt bis zum letzten Jahreswechsel an.
Hausse und Baisse im Luxus-Sektor
Bei der Baisse seit Jahresbeginn mussten die zuvor in die Höhe katapultierten Star-Aktien der Luxuswelt dann abermals Federn lassen. Das ist durchaus verständlich, hatten sich doch die meisten Titel mindestens verdoppelt. Die Investoren brachten ihre hohen Gewinne in trockene Tücher, und ein Teil der Kursgewinne ging verloren.
Wenn auch der Juli nach dem schwächsten ersten Halbjahr seit Jahrzehnten eine Trendwende zeigte, die sich aber auch noch als technische Reaktion erweisen kann, so sorgten die Aktien der führenden Luxusgüter-Hersteller doch mit ihren starken Geschäftszahlen für ein regelrechtes Feuerwerk an der Börse. LVMH stieg von 550 Euro im Juni auf nun 680 Euro und Hermès von 970 Euro auf 1’340 Euro.
Richemont auf gutem Kurs
Noch vergleichsweise bescheiden legte Richemont von 91 CHF im Mai auf jetzt 112 CHF zu. Das absolute Hoch lag bei 146 CHF im vergangenen Dezember. Die Rekordjagd der Aktie 2021 antizipierte die sehr überzeugenden Ergebnisse des Geschäftsjahres 2021/2022, das am 31. März endete. Der Umsatz legte um beachtliche 46% auf 19.2 Mrd. Euro zu, der operative Gewinn um 129% auf 3.4 Mrd. Euro und der Reingewinn um 61% auf 2.1 Mrd. Euro. Zwar war das Geschäftsjahr 2020/2021 von Rückgängen geprägt, dennoch liegen die Werte auch deutlich über denen des vorvergangenen Geschäftsjahres 2019/2020. Der Umsatz liegt 35% über dem Niveau des Vor-Pandemiejahrs, und der Reingewinn fiel sogar um 123% höher aus. Vor diesem Hintergrund soll auch die Dividende um 13% angehoben werden, zusätzlich werden 1 Euro je Aktie als Sonderdividende der GV am 7. September beantragt.
Ein Teil des Erfolges von Richemont ist auf die konsequente Kundenzentrierung zurückzuführen. 76% der Umsätze entfallen auf direkte Verkäufe an die Kunden über die eigenen Marken-Stores und zunehmend auch Online-Kanäle. Die Online-Umsätze stiegen um 27% und repräsentieren inzwischen 29% des Konzernumsatzes. Das Wachstum war über alle Regionen hinweg stark.
Nachhaltigkeit im Fokus
Die Zeichen der Zeit erkennend wird der Verwaltungsrat nach der GV 2022 auf 16 Mitglieder reduziert. Bereits im Februar 2022 wurde der erste Chief Sustainability Officer des Unternehmens ernannt. Das zeigt, welchen Stellenwert die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens für Richemont gewonnen hat. Der dieses Jahr veröffentlichte Sustainability Report umfasst 170 Seiten. Die Gesellschaft erhält von verschiedenen namhaften ESG Rating-Agenturen Bestnoten und rangiert bei Sustainalytics unter den globalen Top 2%. Aufgrund des Momentums in allen wichtigen Regionen bleibt der Ausblick für die Aktie positiv. Verglichen mit anderen Luxusgüter Aktien ist beispielsweise bei einem KUV von 3 noch viel Spielraum nach oben.
Französische Champions mit Umsatz- und Gewinnrekorden
Bei Hermès, obwohl nicht direkt vergleichbar, liegt das KUV bei über 12. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz um 23% auf 5.5 Mrd. Euro, der Gewinn belief sich allerdings auf 2.3 Mrd. Euro. Seit 2017 hat sich der Umsatz des High-End-Anbieters verdoppelt, und der Aktienkurs seit 2019! Ähnlich sieht es bei LVMH aus, dem mit 340 Mrd. Euro an der Börse höchstbewerteten Luxusgüter-Unternehmen und gleichzeitig dem teuersten Unternehmen Europas. Der Umsatz legte im ersten Halbjahr 2022 um 28% zu, das organische Wachstum lag bei 21%. Der operative Gewinn stieg um 34% auf über 10 Mrd. Euro. Kering rundet mit einer gleichermassen guten Geschäftsentwicklung das Bild der boomenden französischen Luxusgüter-Industrie ab. Im ersten Halbjahr nahm der Umsatz um 23% zu, wechselkursbereinigt um 16%. Der Gewinn kletterte um einen Drittel auf nahe 2 Mrd. Euro. Im Gegensatz zu LVMH und Hermès ist die Bewertung von Kering jedoch noch günstig. Das für 2022 geschätzte KGV bewegt sich um die 15!
Haarpflege de luxe
In der erweiterten Betrachtung kann auch L’Oréal einbezogen werden. Vor allem wegen der Luxus- und Naturkosmetik wurde im ersten Semester eine Umsatzsteigerung von 21% erzielt, wechselkursbereinigt 14%. Der Gewinn nahm um einen Drittel auf 3.2 Mrd. Euro zu. Mit einem Börsenwert nahe 200 Mrd. Euro ist der Kosmetik-Champion ebenfalls unter den höchstbewerteten europäischen Unternehmen. Beiläufig erwähnt: Das 20,1%-Aktienpaket von Nestlé repräsentiert also fast 40 Mrd. Euro.
Skalierungsvorteile
Ansonsten verläuft die Kursentwicklung in der Branche durchaus differenziert. Die kleineren Adressen wie Salvatore Ferragamo haben nicht die Skalierungsmöglichkeiten wie die Branchengrössen. Prada allerdings hält sich gut, was mit der Vorreiterrolle in Sachen Textil-Recycling zu tun haben kann. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die innovative Nutzung der digitalen Kanäle. Die Luxusgüter-Industrie hat insbesondere seit Beginn der Pandemie ihre Online-Aktivitäten systematisch und auch schnell ausgeweitet. Das hat nicht nur für die zeitweiligen Einbussen im stationären Geschäft kompensiert, sondern auch das Wachstum beschleunigt und die Margen gestärkt. Bei allen erfolgreichen Branchenvertretern ist der Online-Anteil in den letzten beiden Jahren signifikant erhöht worden.
Online-Retailer im Sinkflug
Was jedoch weniger gut für Investoren funktioniert hat, war der Fast-Track via Online-fokussierte Retailer wie Farfetch und My Theresa. Farfetch war 2019 an die Börse gegangen und dann bis Anfang 2021 auf über 60 Euro gestiegen. Aktuell liegt der Kurs bei nur noch einem Bruchteil davon. An der Trendwende im Sektor konnte die Aktie bisher nicht teilhaben. Anfang 2021 debütierte auch My Theresa an der Nasdaq. Nach kurzzeitig 33 USD bewegt sich die Aktie inzwischen bei 14 USD.
Zegna – eine echte Bereicherung für die Börse
Nun hat die SPAC-Welle der letzten Jahre doch noch zumindest zu einer echten Opportunität für Investoren geführt. Vor Kurzem kam die 1910 gegründete Ermenegildo Zegna via SPAC an die New York Stock Exchange. Zegna steht für die feinsten Gewebe aus den allerbesten Materialien. Ein Motto lautet «from sheep to shop», was die lückenlos kontrollierte nachhaltige Lieferkette dokumentiert. Zu den Kunden der Weberei zählen u.a. Dior, Chanel, Gucci und Prada. Die eigene Marke Zegna ist preislich und qualitativ im Top-Segment angesiedelt und auf Männerbekleidung spezialisiert. Über die Marke Thom Browne wird der Markt für Frauenbekleidung adressiert. Weitere Akquisitionen sind möglich. 2021 lag der Umsatz bei 1.6 Mrd. USD. Die Börsenbewertung liegt in gleicher Höhe und weist somit beachtliches Steigerungspotenzial auf, orientiert man sich an anderen High-End Luxus-Unternehmen.
Brillen-Champion Luxottica
Ebenfalls attraktiv sieht die Aktie von Essilor-Luxottica aus. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz um 37%, währungsbereinigt und auf vergleichbarer Basis lag das Wachstum bei 9%. Unter anderem war Grandvision übernommen worden, zu der auch der deutsche Optiker-Filialist Apollo zählt. Der Gewinn nahm um einen Drittel auf 1.2 Mrd. Euro zu. Der Aktienkurs war vom Pandemietief unter 100 Euro bis nahe 200 Euro im letzten November geklettert. Die Korrektur liess die Aktie auf 140 Euro purzeln. Der aktuelle Kurs um die 160 Euro erscheint vielversprechend, immerhin handelt es sich um den Weltmarktführer im Bereich Linsen und Brillen – einem Markt, der strukturell wächst.
Fazit
Dem Luxus-Sektor wird von verschiedenen Seiten ein Wachstum von rund 5% bis 2027 prognostiziert. Das ist mehr, als gegenwärtig vom gesamtwirtschaftlichen Wachstum zu erwarten ist. In Teilbereichen, vor allem am High-End, dürften auch höhere Zuwachsraten möglich sein. Worauf es aber noch mehr ankommt, ist die jeweilige Entwicklung der Gewinnmargen. Im Luxussegment kann diese auch 30% oder 40% betragen, wie Hermès beweist. Offensichtlich sparen die Konsumenten an vielem, aber, wie es scheint, nicht am Luxus. Das zeigen die Zahlen klar. Laut Expert Market Research wird das globale Umsatzvolumen der Branche von 269.4 Mrd. USD in 2021 auf 355.5 Mrd. USD in 2027 steigen.