Walter Daumann, VRP Weiss+Appetito: «Eigenentwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit machen signifikanten Umsatzanteil aus»

Spezialbaudienstleister blickt optimistisch in die Zukunft

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Walter Daumann ist Partner und CEO der Weiss+Appetito Gruppe. Er führt das Unternehmen zudem seit 2019 als Verwaltungsratspräsident. Bild: schweizeraktien.net

Nur wenige Unternehmen können auf eine so lange Historie verweisen wie die Weiss+Appetito-Gruppe. Die aus einem klassischen Bauunternehmen hervorgegangene Firmengruppe hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Spezialdienstleister im baunahen Bereich mit einem Jahresumsatz von 152 Mio. CHF in 2022 entwickelt. Am Rande der Strategietagung des Unternehmens fand Weiss+Appetito-Chef Walter Daumann Zeit, mit uns über die Geschäftsentwicklung und die Perspektiven zu sprechen. Das Gespräch fand im Bretterhotel von Unternehmer und Volksmusiksänger Marc Trauffer statt. Weiss+Appetito hat beim Bau des Gebäudes verschiedene Dienstleistungen erbracht, darunter auch die Installation der Ladelösungen für Elektroautos und die Bekiesung des Daches.

Weiss+Appetito feiert dieses Jahr das 100-jährige Jubiläum. Wo sehen Sie die Stärken des Unternehmens, und was muss sich künftig verändern?

Die signifikante Stärke unserer Gruppe liegt in der Diversität und in der Qualität ihrer Dienstleistungen. Also in der Existenz voneinander unabhängig zu bearbeitender Geschäftsfelder, unseren Sparten, und in unseren Mitarbeitenden über alle Einsatzbereiche Dies bei gleichzeitiger Möglichkeit, die einzelnen Dienstleistungen zu Paketen zusammenzufassen, um sie auf Wunsch schlüsselfertig für unsere Kunden anzubieten. Diese Eigenschaften haben uns 100 Jahre nach vorn gebracht. Und sie sollen auch beibehalten werden.

Besteht hier nicht die Gefahr, dass Sie sich verzetteln? Jeder Berater würde Ihnen bestimmt eine Fokussierung auf einzelne Geschäftsfelder empfehlen.

Die unterschiedlichen Geschäftsfelder sind die Quellen für Innovationen und Effizienzsteigerungen. Sie geben den notwendigen Raum, auch einmal etwas ausprobieren zu können, ohne gleich die gesamte Unternehmensmaschinerie anhalten zu müssen oder ins Risiko zu stellen. Das nutzen wir konsequent und schauen erfolgreich auf die zurzeit sehr prosperierenden Bereiche.

Schauen wir auch einmal auf die Zahlen. Der Jahresabschluss 2022 ist trotz vieler Erfolge von steigenden Kosten und quasi-Umsatzverschiebungen in das laufende Jahr gekennzeichnet. Was für eine Umsatzgrösse und welches EBIT wollen Sie 2023 erreichen?

Wir werden – wie üblich – nach Ablauf des ersten Halbjahres einen Aktionärsbrief veröffentlichen, in dem wir über das laufende Geschäftsjahr berichten. Vorher treffen wir dazu keine quantitativen Aussagen. Allgemein lässt sich sagen, dass sich gegenüber dem Ausblick auf die Entwicklung der einzelnen Geschäftsbereiche, den wir im Geschäftsbericht 2022 gemacht haben, nichts geändert hat.

Ein bremsender Faktor im Telekom-Segment ist ja der verzögerte 5G-Rollout in der Schweiz. Was können Sie unseren Leserinnen und Lesern über die Gründe sagen, und wie bewerten Sie die Perspektiven für das zweite Halbjahr 2023 und 2024?

Die Gründe für den verzögerten 5G-Rollout liegen trotz eines Leiturteils des Bundesgerichts zugunsten von Swisscom aus dem März 2023 hauptsächlich immer noch in der unvermindert hohen Anzahl von Baueinsprachen, deren Bearbeitung viel Zeit kostet. Der Rücktritt von Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat definitiv nicht geholfen, weil sie sich zum Schluss diesem Thema angenommen hat. Jetzt scheint es, dass es nicht mehr mit Priorität behandelt wird. Auch international bekannte Technikausrüster aus Fernost tragen nicht wirklich dazu bei, die Situation zu entschärfen.

«Die Gründe für den verzögerten 5G-Rollout liegen (…) immer noch in der unvermindert hohen Anzahl von Baueinsprachen»

Also ist das Geschäft mit 5G für Weiss+Appetito quasi tot?

Wenn wir uns dieser Technologie in der Schweiz verschliessen, begeben wir uns ins technologische Abseits und lassen uns vom Rest der Welt abhängen. Deshalb ein klares Nein. Meine persönliche Einschätzung zu diesem Thema ist, dass es letztendlich die Netzbetreiber in der Schweiz zu Beginn der Einführung von 5G vermissen liessen, den Bund, die Kantone und die Gemeinden in ihren Ankündigungen zum 5G Rollout bezüglich Planung, Umsetzung, Technik und Sicherheit ausreichend mitzunehmen.

Begrünung, Solardächer, Ladestationen und weitere innovative Geschäftsfelder sorgen zunehmend für Wachstumsimpulse. Welcher Anteil am Umsatzvolumen entfällt eigentlich auf das innovationsgetriebene «New Business»?

Die Begrünung von Dächern macht heute schon einen signifikanten Anteil am Umsatz aus, wenn man bedenkt, dass wir zwischen 300’000 bis 600’000 m2 Dachfläche pro Jahr begrünen. Der Anteil von Solar ist dabei geringer, und auch die Geschäftsmodelle sind hier nicht einheitlich. Für Umsätze im Bereich der Ladeinfrastrukturen, unsere LiveCharger, und smarte IoT-Anwendungen, unsere LiveLocker, ist eine Transformation der Sparte Telekom in diesem Bereich geplant, sodass daraus die Umsatzziele qualitativ selbsterklärend sind.

Und welcher Umsatzanteil entfällt auf Gross-Projekte mit über 1 bis 2 Mio. CHF Gesamtvolumen?

Wir sind sehr divers aufgestellt. Konkrete Aussagen sind nicht möglich. Ich kann jedoch sagen, dass es keine einzelnen Projekte gibt, die ein Risiko für die Firma darstellen.

Setzt sich der starke Trend bei der Nachfrage nach baunahen Dienstleistungen auch 2023 und 2024 fort?

Solange wir infolge Energiekrise, Ukrainekrieg und Inflation, die in der Schweiz vergleichsweise gering ausfällt, nicht in eine Rezession schlittern, gehen wir von einem stabilen Baugeschäft aus. Im Einzelnen sind natürlich Periodizitäten infolge von unterschiedlichem Kundenverhalten zu berücksichtigen, die vertrieblich abgefangen werden müssen. Da stehen wir aber in keinem Vor- oder Nachteil zu allen weiteren Marktteilnehmern.

Das Wetter beeinflusst 30% bis 50% der Umsätze. Wie wirkt sich die nun regelmässig auftretende Trockenheit in den Sommermonaten aus?

Dieses Thema ist für uns insbesondere ein Arbeitsschutzthema, also ein Mitarbeitendenthema. Wir müssen unsere Mitarbeitenden schützen und besser auf diese Wetterperioden vorbereiten und aktiv begleiten. Dazu zählt es auch, dass diese genügend zu trinken haben und wir die Ruhe- und Arbeitszeiten noch schärfer auf Einhaltung überprüfen. Diese Schutzmassnahmen bei Hitze sind immer wieder ein Thema an unseren monatlichen Geschäftsleitungssitzungen.

Die Anzahl der Partner hat sich bei Weiss+Appetito Stand Ende 2022 auf sechs reduziert, eine verstärkte Machtkonzentration. Wann wollen Sie den Verwaltungsrat zur Vertretung der Interessen der freien Aktionäre für unabhängige Mitglieder öffnen?

Die Anzahl Partner der Weiss+Appetito Beteiligungs AG unterliegt der natürlichen Fluktuation entsprechend unserer Eintritts- und Ausscheidungsregelungen. Es gibt keine Machtkonzentration. Ein neuer Partner ist ab dem 2. Januar 2024 gewonnen worden. Weitere Eintritte junger, vielversprechender Kandidaten werden folgen. Zurzeit stehe ich dem Verwaltungsrat vor. Wie auch schon in der Vergangenheit praktiziert, schliessen wir nicht aus, dass zukünftig von der Generalversammlung auch in diese Position wieder eine Person von ausserhalb des Partnergremiums gewählt wird. In den Tochtergesellschaften sitzen übrigens schon heute externe Verwaltungsratsmitglieder.

Das Schweizer Volk hat kürzlich dem Klimaschutzgesetz zugestimmt. Welche Impulse erwarten Sie von der Umsetzung dieses Gesetzes?

Wir freuen uns über den Entscheid aus Gründen der Nachhaltigkeit. Wir arbeiten einerseits eng mit schweizerischen Wirtschaftsverbänden zusammen, mit einem haben wir in den Jahren 2022 und 2023 aktiv an deren Dialogveranstaltungen teilgenommen. Weiter unterstützen wir die schweizerischen Bemühungen, die Klimaziele in 2050 zu erreichen, in dem wir uns z.B. im Förderverein «Galliker Green Logistics» engagieren und die Entwicklungen alternativer Antriebe vor allem im Schwerlastverkehr aktiv beobachten und begleiten. Für uns ist eine Netto-Null-Betrachtung wichtig, dass heisst, ein Einbezug von fossil betriebenen Maschinen, Anlagen und Fahrzeugen in die Bemühungen zur Realisierung der Grenzwerte im Jahr 2050. Dazu gehört auch der Einsatz von synthetischem Diesel für unsere Fahrzeugflotte.

Wie sieht sonst Ihr weiterer Pfad zur Klimaneutralität aus? Welche Rolle spielen PV-Anlagen und die Umstellung der Firmenflotte auf klimaneutrale Antriebstechnologien?

Dort, wo es technisch und wirtschaftlich möglich ist, stellen wir teilweise aber auch insgesamt auf Elektromobilität um. Wir werden Zug um Zug die Dächer unserer Firmengebäude begrünen und mit Solartechnik ausstatten. An den Fassaden und in den Innenbereichen wird die Infrastruktur saniert. Neben diesen Aktivitäten sehen wir die Notwendigkeit, deren Auswirkungen auf die Dekarbonisierung besser messbar zu machen und für die Öffentlichkeit darzustellen.

«Dort, wo es technisch und wirtschaftlich möglich ist, stellen wir teilweise aber auch insgesamt auf Elektromobilität um»

Ein generelles Thema, das aber die baunahen Dienstleistungen besondere stark betrifft, ist der Fachkräftemangel. Wie gestaltet sich die Situation bei Weiss+Appetito, und welche Massnahmen ergreifen Sie?

Wir müssen endlich aufhören zu jammern und das Thema proaktiv angehen: Frauen sind in der Baubranche und im Baumanagement immer noch die Minderheit. Sie stellen für uns ein grosses Potenzial dar. Wir wollen daher Frauen für den Bau begeistern, denn sie sind eine nicht ausreichend respektierte Quelle für Fachkräfte. Ausserdem setzen wir auf das Netzwerk unserer Mitarbeitenden, die aus vielen Ländern stammen. Wir fragen sie, ob sie in ihrem Umfeld Personen kennen, die in die Schweiz zügeln und bei uns arbeiten möchten. Hinzu kommt, dass wir die Zusammenarbeit mit Schulen und Einrichtungen für Lernende intensivieren. Wir sind überzeugt, dass sich, wenn wir das Thema über Geschlechter- und Ländergrenzen hinweg angehen, auch in Zukunft qualifizierte Mitarbeitende für unsere Gruppe nicht nur interessieren, sondern mit Freude zu uns finden werden.

Ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich Ihr Unternehmen in den kommenden Jahrzehnten entwickeln?

Wir kommen gerade frisch von unserer Strategietagung etwa zur «Halbzeit» und sehen keine Notwendigkeit von Korrekturmassnahmen. Das zeigen die Ergebnisse der letzten drei Jahre. Diversität und Opportunitäten bestimmen weiterhin unser Tun.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mitarbeit: Karim Serrar.

Aktienkurs Weiss+Appetito
Der Kurs der Weiss+Appetito-Aktie hat in den letzten drei Jahren um rund 20% zugelegt. Chart: www.otc.-x.ch

Die Namenaktien Serie A der Weiss+Appetito Holding AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt lag der Kurs bei 348.50 CHF. Für 2022 wurde eine Dividende von 8 CHF je Aktie ausgeschüttet, was einer Dividendenrendite von 2,3% entspricht.

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