Thomas Buri, Cornèr Funds: «Von Biotech lassen wir die Finger»

Medacta ist ein Qualitätstitel, der es mit den Marktleadern aufnehmen kann

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Das Hauptziel des Cornèr Fund Mid & Small Cap CH der VV Vermögensverwaltung in Zug ist die Erzielung eines langfristigen Kapitalwachstums durch Investitionen in kleine und mittelgrosse Unternehmen, die an der Schweizer Börse kotiert sind. Der Swiss Performance Index Kleine & Mittlere Unternehmen (SPISMC) dient als Benchmark. Der Fonds kann bis zu 20% ausserhalb der Benchmark investieren, jedoch nur in Schweizer Aktien, die im SMI-Index enthalten sind. Verfolgt wird eine aktive Anlagestrategie. Das Fondsvolumen beträgt aktuell 35 Mio. CHF. Der Fonds wird vom Portfoliomanager Thomas Buri gemanaged. 

Herr Buri, als wir genau vor einem Jahr das letzte Mal miteinander sprachen, sagten Sie, dass es schlimmer nicht kommen könne. Die Inflation sei da, die Rezession stehe vor der Tür, der Krieg vor den Toren Europas, Spannungen zwischen China und Taiwan, zwischen China und den USA, steigende Gaspreise, politisch instabile Weltregionen und Verwerfungen an der Währungsfront.

Eigentlich könnte man, abgesehen von den Gaspreisen, alle die Punkte auch heute anführen. Wie unterscheidet sich die Situation im September 2023 von der vor einem Jahr?

Da haben Sie absolut recht, dass sich das Weltbild eigentlich gleich präsentiert wie vor einem Jahr. Die Hauptunterschiede sehe ich bei den Zinsen und einer sich klar abkühlenden Weltwirtschaft. Da die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat, wird das FED alles unternehmen, damit eine weiche Landung für die US-Wirtschaft gelingen wird. Somit werden die Zinsen auf diesem Niveau verharren oder es wird noch eine letzte Erhöhung im 4. Quartal 2023 angestrebt, bevor dann im Laufe des 2024 mit Zinssenkungen zu rechnen sein wird.

Die Situation in der Ukraine ist nach wie vor verworren, und eine Lösung des Konflikts zeichnet sich nicht ab. Auf die Entwicklung der Finanzmärkte hat der Krieg kaum noch einen Einfluss. Dass die geopolitischen Spannungen zwischen den Grossmächten nicht in einem Jahr beigelegt werden können, habe ich erwartet, da dies aus Erfahrung ein langwieriger und steiniger Prozess sein wird, bei dem beide Seiten zu Kompromissen bereit sein müssen. Im Moment sieht es eher nach einer Verschärfung aus, da die von den USA und anderen Ländern verhängten Handelsbeschränkungen für die Ausfuhr integrierter Schaltkreise und Produktionsanlagen nach China sich natürlich in einer deutlich tieferen Nachfrage niederschlagen werden.

Was bedeuten diese Rahmenbedingungen für den Small & Mid Cap Markt in der Schweiz?

Unsere Schweizer Unternehmen sind in einem Fitnessprogramm seit dem 15. Januar 2015, als der Mindestkurs von 1.20 CHF von der Nationalbank gegenüber dem Euro fallengelassen wurde. Laufend werden die Prozesse automatisiert und verbessert und auch die Abhängigkeit vom Schweizer Franken reduziert. Mit der Covid-Krise, mit dem Ukrainekrieg und den sich damit ergebenden Problemen der Zulieferketten und den eingetrübten Wirtschaftsaussichten sind Herausforderungen geschaffen worden, die unsere Unternehmen hervorragend gemeistert haben.

Die Tugend unserer Unternehmen, sich den Herausforderungen zu stellen und schnelle Lösungen für die Probleme zu finden, liegt in der DNA der Schweizer Unternehmenslandschaft. Somit bin ich auch für die Zukunft zuversichtlich für unsere mittleren und kleineren Unternehmen, dass ihre Produkte nachgefragt werden. Tatsache ist, dass Schweizer Spitzentechnologie weltweit unverzichtbar ist und sich deshalb auch in Zukunft einer hohen Nachfrage erfreuen kann.

Sind Wachstumstitel wie z.B. Bachem, VAT und Logitech, die zu den grossen Positionen in Ihrem Fonds gehören, weiter mit Vorsicht zu betrachten?

Wachstumstitel durchlaufen Phasen in ihrem Zyklus, wo man auch mal einen Schritt kürzertreten muss. Ich bin überzeugt, dass alle drei Unternehmen mit grosser Zuversicht in die Zukunft schauen können. Warum? Jedes dieser Unternehmen ist der Leader in der Nische, in der es tätig ist. Früher oder später wird das wieder vom Markt anerkannt und sich in höheren Notierungen niederschlagen.

Bachem investiert einen dreistelligen Millionenbetrag in zusätzliche Kapazitäten, vor allem in der Schweiz, um die steigende Nachfrage nach ihren Wirkstoffen auch in Zukunft decken zu können. Zudem werden 700 neue Mitarbeitende für Bubendorf rekrutiert, was sich kurzfristig in tieferen Margen niederschlägt. Die zwei Präparate gegen Fettleibigkeit (Mounjaro von Eli Lilly und Wegovy von Novo Nordisk) werden sich auch nachhaltig in der Profitabilität von Bachem niederschlagen.

VAT auf der anderen Seite ist der klare Marktleader bei Hochleistungs-Vakuumventilen sowie Herstellungsprozessen von Halbleitern. Im Semi-Bereich hat das Unternehmen einen Marktanteil von 75% (2021). Die Verlangsamung der Ausgaben für die Halbleiterausrüstung zeigt die erwarteten Auswirkungen auf Aufträge, Umsatz und Rentabilität. Auch wurde die Kurzarbeit erst kürzlich bis Ende November 2023 verlängert. Selbst in diesen schwierigen Zeiten investiert das Unternehmen weiter in die Forschung und Entwicklung und wird so seinen Marktanteil in Zukunft weiter steigern. Der nächste Aufschwung steht vor der Tür und wird sich im 2024 manifestieren, weshalb die Aktie dieses Jahr gut lief.

Bei Logitech ging der langjährige CEO Bracken Darrell im Juli 2023 von Bord. Das Unternehmen war einer der grossen Gewinner der Covid-Pandemie und konnte in diesem Zeitraum den Umsatz von 2.8 auf 5.4 Mrd. USD erhöhen. Dass dieses Tempo nicht aufrechterhalten werden kann, war offensichtlich. Doch darf man nicht vergessen, dass Logitech jetzt auf einer höheren Basis wirtschaftet als noch vor Covid. Unzählige Awards, die das Unternehmen für Design, Innovation und Qualität gewonnen hat, treffen die Trends der heutigen Zeit. Als klare Nr. 1 im Gaming für E-Sports wird Logitech weiterhin stark wachsen. Im Bereich Video Collaboration musste ein Einbruch hingenommen werden, doch auch hier wird der hybride Arbeitsplatz auch in Zukunft Bestand haben. Und zu guter Letzt zeigte Logitech, dass auch bei Tastaturen und Mäusen Innovationen vom Kunden geschätzt werden. Allein mit diesen 3 Bereichen erzielt das Unternehmen 60% der Umsätze. Als Wachstumswert, der auch eine Dividende zahlt, hat die Aktie ihren speziellen Reiz.

Nehmen wir Bachem. Der Kurs hat sich seit den Höchstständen im Sommer 2021 mehr als halbiert, ohne dass es im Unternehmen zu grossen Umwälzungen oder Problemen gekommen wäre. Auf was führen Sie den starken Kursrückgang zurück?

Bachem ist in einem Wachstumsmarkt tätig, dem sogenannten CDMO (Contract Development Manufacturing Organization). Dies sind Firmen, die anderen Unternehmen in der pharmazeutischen Industrie auf Vertragsbasis umfassende Dienstleistungen von der Arzneimittelentwicklung bis Arzneimittelherstellung anbieten. In der Schweiz sind dies neben Bachem Firmen wie Lonza, Siegfried, Polypeptide und Dottikon. Diese Unternehmen verbindet die Tatsache, dass sie viel in die Kapazitäten und in die Schulung der Mitarbeitenden investieren müssen, damit die Projekte ihrer Kunden realisiert werden können. Somit ist die Umsatzentwicklung nicht linear und unterliegt Schwankungen, die die Unternehmen meist nicht steuern können. Vielfach ergeben sich Verschiebungen aus den Zulassungsanträgen für die Medikamente ihrer Kunden, da die FDA oder die EMA erst eine Zulassung aussprechen müssen. Diese Entscheide können die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen stark beeinflussen.

Auguren gehen davon aus, dass der CDMO-Markt zwischen 8% bis 10% wachsen wird. Bachem will in der Periode 2022 bis 2026 durchschnittlich mit 15% klar schneller wachsen und einen Umsatz von mehr als 1 Mrd. CHF erzielen, dies bei einer EBITDA Marge von mehr als 30%. Auch hier wird der Umsatz nicht linear ansteigen, sondern eher in der 2. Hälfte der Planungsperiode anfallen. Dies erfordert vom Unternehmen zuerst einmal erhebliche finanzielle Investitionen, um dann die Früchte in der Zukunft ernten zu können. Verschiedene Gewinnwarnungen von Polypeptide oder Lonza haben dazu beigetragen, dass der ganze Sektor unter Druck geraten ist. Diesem Trend konnte sich auch Bachem nicht entziehen. Der Wirkmechanismus der Diabetes-Medikamente hat zufälligerweise eine hungerunterdrückende Eigenschaft als Nebeneffekt, was einen noch viel grösseren Markt gegen Fettleibigkeit eröffnet. Als Weltmarktführer mit einem Marktanteil von 40% wird Bachem davon nicht unwesentlich profitieren. Mit einem KGV von 38X 2024E ist Bachem nicht exorbitant teuer und wird innerhalb weniger Jahre in diese Bewertung hineinwachsen.

Kursverluste seit Mitte 2021 mussten auch ihre Positionen VAT und Logitech hinnehmen. Aber seit knapp einem Jahr erleben beide Unternehmen an der Börse wieder einen Aufwärtstrend. Ist dies ein stabiler Trend und wenn ja, in welche Richtung (Kursziel) geht es mit diesen beiden Werten?

In den Ausführungen oben habe ich dargelegt, weshalb sowohl VAT als auch Logitech weiteres Potenzial haben. Was beide Unternehmen auszeichnet, ist die Agilität, bei sich verändernden Marktsituationen die Kostenstruktur schnell an die Bedürfnisse anzupassen.

VAT investiert heute allein in Forschung und Entwicklung so viel wie die Nr. 2 im Markt MKS Instruments Umsatz erzielt. Somit ist es leicht auszurechnen, dass das VAT den Marktanteil von 75% in Zukunft weiter steigern wird, wenn man weiss, dass das Unternehmen bei Neuausschreibungen eine «win rate» von 95% hat.

Laut Statista Markets Insight wird der Gaming Markt in der Periode von 2023 – 2027 jährlich um 9.3% wachsen, und weltweit werden diesem Trend 3.1 Mrd. Menschen folgen. Logitech ist hier optimal positioniert, um von diesem Aufschwung zu profitieren, da zahlreiche der Gaming Stars mit den Produkten Logitech G ausgerüstet werden, welche dann ihre Follower kaufen. Die kabellosen Gaming Mäuse, Tastaturen, Headsets, Rennlenkräder und Controller zählen zu den besten im Markt. Gaming ist ein Megatrend und wird auch in Zukunft stark wachsen.

Ich bin überzeugt, dass beide Unternehmen in einem langfristigen Aufwärtstrend sind, weiteres Potenzial aufweisen und von der voranschreitenden Digitalisierung profitieren werden. Wie sich dies dann in den Kursen niederschlagen wird, hängt auch stark von den makroökonomischen Rahmenbedingungen ab, die wir im 2024 und danach vorfinden werden.

Weiterhin deutlich untergewichtet sind Sie in Finanztiteln. Sie machen keinen Hehl daraus, dass Sie Industrieunternehmen, die zu den Weltmarktführern in ihren Nischen gehören, wie z.B. Bachem und VAT, gegenüber den Finanztiteln, denen Sie die Swissness absprechen, bevorzugen. Bleiben Sie bei der Untergewichtung, auch angesichts der weiter steigenden Zinsen?

Unseren Ansatz ändern wir nicht, nur weil jetzt die Zinsen gestiegen sind. Wir fühlen uns wohler mit Industrieunternehmen, wo Unternehmer oder langfristig denkende Ankeraktionäre eine Strategie ins Leben gerufen haben, die die Langfristigkeit und Wertgenerierung über den Zyklus in den Vordergrund stellen. Diese Tugenden finden wir nur selten bei Finanztiteln. Eine Ausnahme hier ist die Partners Group, wo die drei Gründer auch immer noch massgeblich am Unternehmen beteiligt sind und auch die Geschicke des Unternehmens weiterhin prägen. Lieber bin ich z.B. in EMS oder Lindt & Sprüngli investiert, die seit Jahren beweisen, dass mit guten Produkten und überzeugendem Management ein Mehrwert für alle Stakeholders auf nachhaltiger Basis erzielt werden kann.

Gibt es neben dem Finanzsektor noch andere Sektoren, die Sie untergewichten?

Ja, von Biotech-Unternehmen lassen wir die Finger. Als Generalist ist es sehr schwierig einzuschätzen, welches Potenzial ein Medikament hat, das in der frühzyklischen Phase oder Phase 1 ist. Zudem ist es dann noch immer ein langer Weg, bis das Produkt in der Phase 3 schliesslich bewilligt wird. Was wir auch feststellen, ist, dass die am Anfang abgegebenen Erwartungen vielfach korrigiert oder nach hinten verschoben werden müssen. Zudem entpuppen sich die verschiedenen Phasen immer als teurer als am Anfang angenommen, und der Aktionär wird dann laufend mit Finanzierungsrunden überrascht. Wir investieren lieber in Unternehmen, die einen soliden Cashflow erwirtschaften. Einem privaten Anleger würde ich nur einen Biotech Fund, aber keine Einzeltitel empfehlen.

Welche Titel in Ihrem Portfolio möchten Sie überdies positiv herausstreichen?

Einen Titel, den ich besonders herausstreichen möchte, ist das Tessiner Medtech-Unternehmen Medacta. Wir sind dort im Juli 2022 eingestiegen. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb innovativer orthopädischer Produkte (Knie, Hüfte, Rücken und Schulter) sowie die Entwicklung dazugehörender Operationstechniken spezialisiert. Da die Leute immer älter werden und auch Sportarten ausführen, die die Knie, die Hüfte oder auch den Rücken stark belasten oder in Mitleidenschaft ziehen, wächst der Markt etwa mit 5,5% jährlich, und Medacta wächst fast dreimal so schnell.

Ich hatte diesen Juli die Gelegenheit, die beiden Produktionsstätten in Castel San Pietro und in Rancate zu besuchen. Ich war beeindruckt, mit welcher Akribie und Leidenschaft die Produkte hergestellt und alle Möglichkeiten ausgelotet werden, die Produktionsabläufe zu optimieren, um für den Kunden den grösstmöglichen Nutzen zu erzielen. Auch hinterliessen die beiden Produktionsleiter einen ausgezeichneten Eindruck, und man konnte förmlich spüren, mit welcher Leidenschaft sie ihrer Tätigkeit nachgehen. Einmal mehr zeigt ein Schweizer Unternehmen, dass es mit Innovation und Qualität jederzeit mit den Marktleadern Striker, DePuy Synthes, Johnson & Johnson und Zimmer Biomet konkurrieren kann.   

Sie sind ja schon lange im Anlagebereich tätig. Gibt es einen oder mehrere Titel aus dem Small & Mid Cap Universum, der oder die Sie die ganze Zeit begleitet haben?

Drei Aktien, die mir da spontan einfallen, sind Lindt & Sprüngli, Logitech und Inficon, die ich schon seit Jahren begleite und immer investiert war. Ich mag mich noch gut daran erinnern, als im Januar 2013 Bracken Darrell als CEO bei Logitech begann und die Aktie zwischen 6 bis 7 CHF herumdümpelte. Das markierte den Start für eine unglaubliche Reise als Logitech-Aktionär. Auch bei Inficon konnte man mit dem charismatischen CEO Lukas Winkler über 19 Jahre eine Erfolgsgeschichte schreiben, die keinen Vergleich scheuen muss. Und über allem steht jedoch Lindt & Sprüngli. Seit Ernst Tanner im Jahre 1993 das Zepter übernahm, kam Ruhe und Stabilität in das Unternehmen, und die negativen Schlagzeilen verstummten. Tanner entwickelte Lindt & Sprüngli zu dem Vorzeigeunternehmen in der Schokoladenindustrie, das es heute ist und kreierte damit eine Weltmarke. Dies sind 3 Beispiele von Schweizer Unternehmen, die CEOs hatten, die die Unternehmen mit Passion, Leidenschaft und Hartnäckigkeit durch verschiedene Zyklen der Wirtschaft weiterentwickelt haben und für alle Stakeholders Mehrwert schufen. Und eines war allen drei Unternehmen gemeinsam, sie hatten CEOs, die 10 oder mehr Jahre die Geschicke des Unternehmens lenkten.

Herr Buri, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

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