Davos ist als jährlicher Veranstaltungsort des Jahrestreffens des World Economic Forum (WEF) weltweit bekannt. Doch das Treffen der globalen Wirtschaftsführer hat auch zu einem Hotelboom in der 12’000 Einwohner zählende Berggemeinde geführt. Dies drückt in den Sommermonaten, wie auch in der Wintervor- und Nachsaison, auf die Margen. Vidal Schertenleib, CEO der Davos Klosters Bergbahnen AG (DKB), spricht im Interview mit schweizeraktien.net über die Herausforderungen, welche das WEF mit sich bringt, die Bedeutung von künstlichem Schnee und die Pläne der Region, im Sommergeschäft mehr Gäste aus den Fernmärkten anzuziehen. Die DKB erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2022/23 einen konsolidierten Umsatz von 91.7 Mio. CHF und wies einen Gewinn von 17.1 Mio. CHF aus. Sie gehört damit zu den fünf grössten Bergbahnunternehmen der Schweiz. In Davos ist das Unternehmen einer der wichtigsten Hotelbesitzer.
Laut dem Bundesamt für Statistik gab es im Sommer 2023 ein Rekordhoch an Logiernächten. 6,3% mehr Übernachtungen als im Sommer 2022. Wie konnten die Bergbahnen Davos Klosters von dem Boom in diesem Sommer profitieren?
6,3% ist der gesamtschweizerische Durchschnitt. Ich denke, dass es in den klassischen Bergdestinationen weniger gewesen sind. Allerdings muss man wissen, dass das Sommergeschäft nur etwa 10% zu unseren gesamten Erträgen beisteuert. Wir verdienen das Geld vor allem im Winter. Im Sommer haben wir fast keine Marge, obwohl unsere Destination auch im Sommer sehr attraktiv ist. Hier bieten wir beispielweise sehr viele Möglichkeiten für Biker und Wanderer: Single Trails genauso wie Strecken für Genussbiker.
Was genau ist das Problem der Hotellerie im Sommer? Warum verdienen Sie hier keine Marge?
Es gibt ganz einfach viel zu viele Kongresshotels in Davos. Einige Häuser sind nur für das World Economic Forum gebaut worden. In der Hauptferienzeit, also zwischen Weihnachten und Neujahr, in den Sportferien im Februar sowie an den März-Wochenenden geht das noch auf. In den übrigen Zeiten haben wir zu viel Kapazitäten, was dann auf die Marge schlägt.
Andere Feriendestinationen in der Schweiz, beispielweise Luzern und auch Interlaken mit der Jungfrauregion, können sich im Sommer vor Touristen kaum retten und sprechen von Overtourism. Warum profitiert Davos nicht von der grossen Nachfrage aus den Fernmärkten?
Unsere Tourismusorganisation will die Sommersaison stärken und hat dazu eine Strategie bis 2035 erarbeitet. Gemäss der Strategie soll das Marketing für die Fernmärkte verstärkt und die Aufenthaltsqualität vor Ort verbessert werden. Dies kommt uns sicherlich auch zugute. Für uns ist es vor allem wichtig, im Sommer eine kaufkräftige Kundschaft zu erreichen.
… also wollen Sie zu Gstaad, St. Moritz und Zermatt aufschliessen?
Nein. Mit kaufkräftig meine ich keine Superreichen, sondern Gäste, die Restaurants besuchen, die zahlreichen Sportangebote nutzen oder in den Geschäften in Davos auch shoppen gehen. Das ist für die gesamte Destination wichtig.
Was ändern Sie bei der DKB im Sommerangebot, um für Gäste noch attraktiver werden?
Wir setzen auf Menschen, die der Hitze in den Städten entfliehen möchten. Und wir setzen auf Leute, die gerne Sport machen, ein «Sports Unlimited Publikum», wie wir es nennen. Weil nach dem Ende der Pandemie viele dieser Gäste aus der Schweiz und dem nahen Ausland nicht mehr zu uns kommen, müssen wir die Kunden in den Fernmärkten holen. Ein Problem ist aber auch, dass es an Hotels für diese Positionierung fehlt. Die neu entstandenen Häuser setzen auf Kongresstourismus. Das ist auch wichtig. Aber ein Kongresshotel ist von der Infrastruktur her nicht vergleichbar mit einem Hotel mit aktiven Gästen.
Wir setzen auf Leute, die gerne Sport machen, ein «Sports Unlimited Publikum
Die DKB hat in diesem Jahr das ehemalige Sunstar-Hotel übernommen, nachdem bereits das Hotel Waldhuus in ihrem Besitz ist. Welchen Stellenwert nimmt das Hotelgeschäft bei der DKB künftig ein?
Im Geschäftsjahr 2022/23 haben wir mit der Hotellerie und Gastronomie einen Umsatz von 35 Mio. CHF erzielt, was mehr als einem Drittel entspricht. Vor fünf Jahren lag der Ertrag aus diesem Bereich bei 16 Mio. CHF oder weniger als 30%. Dies zeigt, dass wir im Hotelgeschäft stark wachsen. Der Bereich Hotels und Gastronomie ist nebst dem Bergbahngeschäft und der technischen Beschneiung eines unserer drei strategischen Handlungsfelder und zentraler Bestandteil der vertikalen Integration in unserem Unternehmen.
Damit sind Sie auch ein wichtiger Player in der Davoser Hotellerie geworden …
Mit dem Mountain Plaza besitzen wir nun über 20 Hotels mit total rund 3’500 Betten in Davos.
Dies entspricht etwa einem Viertel der Anzahl aller Hotelbetten in Davos, die bei rund 14’000 Betten liegt. Damit sind Sie auch für das WEF bestimmt ein wichtiger Verhandlungspartner.
Wir pflegen einen guten und stets sachlichen Kontakt zum WEF.
Dennoch haben Sie das WEF auch schon kritisiert. Was sind die gravierenden Folgen durch das WEF?
Das WEF ist für die ganze Hotellerie in Davos extrem wichtig, denn es generiert einen grossen Teil der Umsätze in dieser Zeit. Wir sind jedoch nach wie vor ein Bergbahnbetreiber, bieten Aktivitäten am Berg an. Während des WEF kommen aber fast keine Gäste zu uns auf den Berg. Daher ist es wichtig, dass für das WEF neben der Woche, in der das Wirtschaftstreffen stattfindet, der Aufbau nicht länger als eine Woche dauert und der Abbau nicht länger als eine halbe Woche. Denn das WEF findet mitten in unserer wichtigen Wintersaison statt. Und mit dem Wintergeschäft erwirtschaften wir, wie ich bereits erwähnte, 90% unserer Umsätze.
Warum gelingt es Ihnen nicht, die WEF-Teilnehmenden auf Ihre Berge zu locken?
Wir haben schon diverse Kooperationen mit Workshops auf dem Berg ausprobiert. Die Besucher haben jedoch einen sehr eng getakteten Zeitplan. Fast jede Minute ist für Meetings, Gespräche, Empfänge und am Abend für Partys verplant. Da bleibt keine Zeit für einen Besuch auf dem Berg. Auch für Events auf dem Berg dauert die Hin- und Rückfahrt viel zu lange.
Kommen die Manager denn später nicht mit ihren Familien in den Ferien nach Davos?
Es wäre schön, wenn jeder Teilnehmer als Botschafter fungieren und wieder zurückkommen würde. Doch leider funktioniert dies nicht. Das WEF ist eine Sache für sich, Davos taucht für eine Woche in eine andere Welt ein. Das füllt die Hotels im Januarloch, einer tendenziell schwächeren Zeit. Die touristischen Anbieter können in dieser kurzen Zeit in Davos sehr viel Geld verdienen. Schade ist nur, dass nicht alle Player das Geld, das sie in dieser Zeit verdienen, wieder in das touristische Angebot in unserer Gemeinde investieren.
Das WEF ist eine Sache für sich, Davos taucht für eine Woche in eine andere Welt ein
Werfen wir noch einen Blick auf das wichtige Wintersportgeschäft. Im Winter 2022/23 ging die Zahl der Ersteintritte wieder zurück. Liegt dieser Rückgang am Schneemangel oder gibt es noch andere Gründe?
Denken Sie zurück an den Winter 2021/22. Wegen der Corona-Pandemie waren im Ausland die Skigebiete geschlossen. Ausserdem sind die Schweizer im Land geblieben, weil sie nicht reisen durften. Daher hatten wohl die meisten Bergbahnen Rekordzahlen zu verzeichnen. 2022/23 war dann nach diesem ausserordentlichen Jahr wieder ein ganz normaler Winter, obwohl auch wir mit der Schneearmut zu kämpfen hatten. Dank der technischen Beschneiung hatten wir jedoch ab dem Saisonstart Ende November ein sehr grosses Pistenangebot.
Ohne Beschneiungsanlagen wäre der Rückgang wohl noch stärker ausgefallen. Wie wichtig ist Kunstschnee in Zeiten des Klimawandels?
Technische Beschneiung ist wichtig. Und sie bleibt wichtig. Die DKB hat in den letzten 15 Jahren über 100 Mio. CHF aus eigenen Mitteln in Beschneiungsinfrastruktur investiert. Davon hat die ganze Region profitiert. Die technische Beschneiung ist nicht nur Ertragsgarant für die Bergbahn, sie ist Wirtschaftsmotor für die ganze Region. Ich bin daher stolz darauf, dass wir dies geschafft haben. Im Gegensatz zu anderen Bahnen haben wir keinen Franken Subventionen von der öffentlichen Hand erhalten.
Im Geschäftsbericht fordern Sie, dass zukünftige Beschneiungsprojekte schnell, effizient und mit höchster Priorität behandelt und bewilligt werden. Inwieweit haben Sie hier schlechte Erfahrungen gemacht?
Es hat 6 Jahre gedauert, bis die neue Beschneiungslinie Wolfgang, die vom Davosersee gespeist wird und wichtiger Bestandteil des Beschneiungssystems im Parsenngebiet ist, gebaut werden konnte. Wenn ich gesagt habe, dass Beschneiung der Wirtschaftsmotor für die Region ist, dann wäre es doch gut, wenn solche Projekte nicht so lange blockiert würden.
Nachhaltigkeit gewinnt auch im Tourismus weiter an Bedeutung. Welche Anstrengungen in Bezug auf Nachhaltigkeit unternimmt die DKB?
Unser Verwaltungsrat hat gerade entschieden, jährlich 2 Mio. CHF in Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern unserer Gebäude zu investieren. Das ist nur eines von vielen Projekten, die wir umsetzen werden und umgesetzt haben. Energie und Energieeffizienz sind dabei zwei wichtig Bereiche, Umweltschutz und Biodiversität gehören auch dazu. Wir haben auch am Nachhaltigkeitskonzept des Branchenverbands Seilbahnen Schweiz mitgearbeitet. Wir machen sehr viel, sind aber sehr pragmatisch unterwegs. Mit der Umsetzung von messbaren Projekten möchten wir uns Schritt für Schritt verbessern. Wer mehr über unsere Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit wissen möchte, kann dies auf unserer Website nachschauen.
Bisher begann dieser Winter im Gegensatz zum vorherigen mit viel Schnee. Welches sind Ihre Erwartungen für die Wintersaison 2023/24? In welcher Grössenordnung wollen Sie beim Umsatz wachsen?
Wir waren eines der ersten Wintersportgebiete in der Schweiz, das geöffnet hat. Aktuell kann man sagen, dass wir rund 10% über dem Vorjahr liegen. Der Start ist also geglückt. Allerdings haben wir eine sehr kompakte Saison. Es ist entscheidend, was über Weihnachten und Neujahr und dann im März noch passiert. Die Währungssituation mit dem starken Franken bleibt sicherlich eine Herausforderung. Und wie immer wird das Wetter auch in diesem Jahr seinen Einfluss haben.
Wo sehen Sie sonst noch Herausforderungen? Bei den Energiepreisen, beim Personal oder …
Klar, die Energiekosten sind gestiegen, und allgemein wird alles etwas teurer werden. Auch die Löhne haben wir erhöhen müssen. Einen Teil können wir über Preiserhöhungen auffangen.
… Was schon zur Kritik geführt hat, dass Skifahren in der Schweiz unerschwinglich für Familien wird.
Wissen Sie, ich war gerade in den USA. Dort liegen die Preise bei 250 US-Dollar für einen Tagesskipass. Die Pisten sind dann teilweise noch nicht einmal präpariert. Wir bieten ein hervorragendes Produkt an. Und das hat seinen Preis. Im Vergleich mit dem Ausland sind wir aber nicht zu teuer.
Im Vergleich mit dem Ausland sind wir nicht zu teuer
Kommen wir zurück zu den Herausforderungen: Gibt es auch Engpässe beim Personal oder finden Sie immer ausreichend Mitarbeitende?
Es ist ein schwieriges Thema, aber die Situation hat sich etwas entspannt. Wir betreiben selbst über 10 Personalhäuser. Die Unterkunft ist Key, wenn Sie Saisoniers aus dem In- und Ausland nach Davos holen wollen.
2022/23 war ein Rekordjahr. Die Aktionäre haben von einer Dividende plus Sonderdividende profitiert. Wie sieht generell Ihre Dividendenpolitik aus?
Wir orientieren uns immer am Gewinn. Allerdings haben wir keine fest definierte Dividendenpolitik, nach der wir einen bestimmten Anteil des Gewinns ausschütten würden. Das entscheiden wir nach dem Abschluss des Geschäftsjahres.
Herr Schertenleib, vielen Dank für das Gespräch.
Die Aktien der Davos Klosters Bergbahnen AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 250 CHF für eine Aktie bezahlt.