20 Jahre Handelsplattform OTC-X: «Der Markt wird auch in Zukunft nicht kleiner werden»

2023 war das Jahr mit den meisten Abschlüssen seit dem Start von OTC-X

0
428
Jubiläumsfeier mit Rückblick: 20 Jahre OTC-X. Bild: schweizeraktien.net

Die Berner Kantonalbank (BEKB) feierte in diesen Tagen das 20-jährige Bestehen der Plattform OTC-X. schweizeraktien.net, ein enger Kooperationspartner für die BEKB, sprach mit Sascha Hitz, Andreas Langenegger und Urs Grunder über die Vergangenheit und Zukunft der Plattform. Sascha Hitz und Andreas Langenegger sind im Team Aktien Schweiz der BEKB Fachspeziallisten OTC-X. Urs Grunder ist Leiter Handel und Financial Institutions.

Die ausserbörsliche Handelsplattform OTC-X besteht nun 20 Jahre. Was waren die Beweggründe für die BEKB, 2004 diese Plattform zu lancieren?

Sascha Hitz: Den ausserbörslichen Handel mit nicht kotierten Aktien gibt es schon viel länger. Die Geschäfte wurden immer direkt zwischen Käufern und Verkäufern oder über regionale Bankinstitute abgewickelt. Darunter hat oftmals die Transparenz gelitten. Auch die Berner Kantonalbank war schon vor 2004 viele Jahre in dem Handel mit Bergbahn- oder Regionalbank-Aktien tätig. 2003 ist dann der Entscheid gefallen, durch die Entwicklung einer elektronischen Handelsplattform für mehr Transparenz in diesem Markt zu sorgen.

Welche Vorteile haben sich für die Aktienkäufer und -verkäufer ergeben?

Andreas Langenegger: Die Preisbildung ist für beide Parteien transparent und nachvollziehbar, wie an einer richtigen Börse. OTC-X ist eine reine Matchingplattform, die Angebot und Nachfrage abbildet und zusammenbringt. Die BEKB tritt nicht selbst als Käufer oder Verkäufer auf. Die Marktteilnehmer konnten seit der Lancierung von OTC-X Geld- und Briefkurse sowie die jeweiligen Stückzahlen einsehen. Später ist noch die Orderbuchtiefe hinzugekommen. Mauscheleien, wie es 2004 der Bund in seinem Titel geschrieben hat, waren seither nicht mehr möglich.

Wie hat sich der Markt in den letzten 20 Jahren verändert?

Vor dem Start von OTC-X lief der gesamte Handel mit den nicht kotierten Aktien über das Telefon. Mit der neuen Handelsplattform konnten wir einen grossen Teil des Handels automatisieren. Mittlerweile sind viele Banken über Schnittstellen direkt an OTC-X angeschlossen. Da wird unseren Kunden «Best execution» garantieren, können wir die Aufträge nicht voll automatisiert abwickeln. Vor dem Matching wird geprüft, ob auf anderen Plattformen bessere Preise gestellt werden. Ausserdem prüfen wir die Plausibilität, sodass Fehler vermieden werden.

«Mit der neuen Handelsplattform konnten wir einen grossen Teil des Handels automatisieren»

Was hat sich auf der regulatorischen Seite geändert?

Urs Grunder: Unsere OTC-X Handelsplattform ist mittlerweile ein von der Finma anerkanntes organisiertes Handelssystem oder kurz OHS. Wir haben dazu ein Handelsreglement verfasst, an das wir gebunden sind. So erfährt der Kunde, wie der ausserbörsliche Handel bei uns abläuft. Auch das ist ein weiterer Schritt in puncto Transparenz.

Welche Ereignisse haben den OTC-X-Handel in den letzten Jahren geprägt?

Sascha Hitz: Hier sind zum einen die Jahre zu nennen, in denen auf OTC-X gehandelte Aktiengesellschaften den Gang an die SIX vollzogen haben. Im Jahr 2008 war dies die Beteiligungsgesellschaft HBM Bioventures, die heute noch als HBM Healthcare Investments am Hauptsegment kotiert ist. Oder 2017 die Zur Rose AG, heute DocMorris. Solche Ereignisse zogen, ebenso wie Übernahmeangebote für Gesellschaften wie das Parkresort Rheinfelden und die Klinik Linde AG, die Aufmerksamkeit von Investoren auf unser Nischensegment.

In den vergangenen Jahren haben mehrere Gesellschaften den umgekehrten Weg gewählt, sind von der SIX oder BX Swiss ins ausserbörsliche Segment gewechselt. Dazu gehören Repower, CKW, Cham Group, Rapid, Bobst und jüngst die One Swiss Bank. Auch diese Bewegungen haben das Interesse neuer Investoren am ausserbörslichen Handel geweckt.

Die Anzahl der gehandelten Unternehmen lag zwischenzeitlich einmal bei fast 300 Firmen und ist auf aktuell 239 zurückgegangen. Was sind die Gründe dafür?

Die Gründe sind hier vielfältig. Durch die Umsetzung der Empfehlungen zur Bekämpfung der Geldwäsche, kurz GAFI genannt, waren viele Gesellschaften mit Inhaberaktien gezwungen, diese in Namenaktien umzuwandeln. Je nach Ausgestaltung konnten einige neue Namenaktien nicht mehr gehandelt werden. Auch physische Titel nehmen wir nicht mehr in den Handel auf, weil die Abwicklung mit grossem Aufwand verbunden ist. Bei anderen Gesellschaften führt die strenge Vinkulierung zu einem sehr eingeschränkten Handel, was uns dazu bewogen hat, auch diese Titel nicht mehr zu handeln.

Sie haben die Titel angesprochen, die in den letzten Jahren neu in den Handel aufgenommen wurden. Jüngst hat auch die CPH-Gruppe angekündigt, dass die Perlen Industrieholding ein Listing im ausserbörslichen Bereich anstrebt. Welche Gründe sprechen für das Listing auf OTC-X?

Andreas Langenegger: Wir bieten einen transparenten Marktplatz, regelmässige Unternehmensstudien und durch die Zusammenarbeit mit schweizeraktien.net auch Visibilität für die Unternehmen. Hinzu kommen die geringeren Kosten für das Listing und die niedrigeren Publizitätsvorschriften. Dies entlastet die Unternehmen. Ein Nachteil ist allerdings der erschwerte Zugang für ausländische Investoren. Auch institutionelle Investoren dürfen aufgrund ihrer Anlagerichtlinien oft nur in kotierte Aktiengesellschaften investieren.

«Ein Nachteil ist allerdings der erschwerte Zugang für ausländische Investoren»

Rechnen Sie in den kommenden Monaten und Jahren mit weiteren Listings?

Insgesamt sind wir zuversichtlich, dass wir jedes Jahr zwei bis drei neue Listings verzeichnen können.

Wie hat sich der Markt im Vergleich zur Hauptbörse SIX in Bezug auf Performance, Liquidität etc. entwickelt?

Sascha Hitz: Die Entwicklung verlief sehr heterogen. Der Handel mit liquiden Titeln hat eher zugenommen. Wenn man sich die Performance unseres Liquidity-Index anschaut, so läuft dieser seit dem Ende der Corona-Pandemie hinter der Hauptbörse etwas hinterher. Dies ist aber in unserem Segment üblich: Erst laufen die kotierten Aktien gut, dann folgen mit etwas zeitlichem Abstand die nicht kotierten. Über mangelnde Handelsaktivitäten können wir uns nicht beklagen. Im Gegenteil. 2023 war das Jahr mit den meisten Abschlüssen seit dem Start von OTC-X.

Wer investiert in OTC-X gehandelte Aktien?

Wir haben hier eine grosse Bandbreite von Anlegern. Dazu gehören einige Institutionelle und Pensionskassen, aber auch viele Privatanleger. Und natürliche Liebhaber, die gerne in die Berge gehen und sich auf ein Bahnticket als Naturaldividende freuen oder den Besuch der Generalversammlungen schätzen.

«Wir haben eine grosse Bandbreite von Anlegern»

Schauen wir die nächsten 20 Jahre in die Zukunft: Wie wird sich das OTC-Segment in der Schweiz in diesem Zeitraum entwickeln?

Andreas Langenegger: Das Bedürfnis, nicht kotierte Aktien transparent zu handeln, wird auch in Zukunft bestehen bleiben. Der Markt wird daher auch in Zukunft nicht kleiner, aber wahrscheinlich digitaler werden.

Welche Bedeutung hat OTC-X für die Berner Kantonalbank generell, und was verspricht sich die BEKB von ihrem Engagement in diesem Segment?

Urs Grunder: Wir pflegen und besetzen mit der OTC|X eine Nische und geniessen mit der Plattform dennoch eine nationale Visibilität. Die Handelsplattform passt hervorragend in unser KMU-Förderkonzept und in unser gelebtes Engagement zugunsten von Unternehmen. Seite an Seite, wie wir es nennen. Der Handelsplatz in Form eines transparenten organisierten Handelssystems bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihren Anteilseignerinnen und Anteilseignern einen Sekundärhandel für ihre eigenen Beteiligungstitel anzubieten.

Das Interview führte Björn Zern.

Kommentar verfassen