Jungfraubahn: Tourismusunternehmen aus dem Berner Oberland ist kaum zu stoppen

Rekordgewinn von 79.6 Mio. CHF und traumhafte EBITDA-Marge von 50,1%

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Ein Wagen der Jungfraubahn auf dem Weg von der Kleinen Scheidegg zum Jungfraujoch. Bild: jungfrau.ch

Für die Jungfraubahn-Gruppe läuft es seit dem Ende der Corona-Pandemie besser als je zuvor. Der Aktienkurs hat seit Jahresbeginn zeitweise um mehr als 20% zugelegt. Seit Anfang 2023 beträgt das Plus sogar mehr als 50%. Der kürzlich publizierte Jahresabschluss 2023 zeigt, dass dieser fulminante Kursanstieg gerechtfertigt war. Bei einem Umsatz von 278.1 Mio. CHF (+28,9%) erzielte das Tourismusunternehmen einen rekordhohen Gewinn von 79.6 Mio. CHF. Nachdem bereits Ende 2022 die Investitionen in das V-Bahn-Projekt vollständig bezahlt werden konnten, sitzt die Gruppe nun auf einem riesigen Berg an Cash. Die Aktionäre erhalten daher eine Dividende von 6.50 CHF je Aktie (Vorjahr: 3.60 CHF). Doch die freien Mittel sollen nicht nur an die Aktionäre ausgeschüttet werden. In den kommenden Jahren stehen fünf neue Investitionsprojekte an, die wiederum mehr als 270 Mio. CHF an Investitionen erfordern.

Zweistellige Zuwachsraten in allen Geschäftsbereichen

«Die Corona-Pandemie hat uns drei Jahre gekostet», sagte Jungfraubahn-CEO Urs Kessler an der Bilanzmedienkonferenz. Denn eigentlich hätte das nun erreichte Rekordergebnis bereits 2021 erzielt werden sollen. Schon 2019 war mit einem Umsatz von 223.3 Mio. CHF und einem Gewinn von 53.3 Mio. CHF ein Rekordjahr für die Jungfraubahn. Als Gründe für die gute Entwicklung nannte Kessler unter anderem das V-Bahn-Projekt, das im «Alpenraum neue Standards gesetzt hat». Ebenso sei Reisen ein Grundbedürfnis und werde es auch in Zukunft bleiben, meinte er mit Blick auf die vielen Skeptiker, die während der Corona-Pandemie davor gewarnt hatten, dass der internationale Tourismus nach dem Ende der Pandemie nicht mehr zurückkommen werde. Das Gegenteil ist nun der Fall. Dank zielgerichteter Marketingaktivitäten habe die Jungfraubahn in den asiatischen Märkten sogar Marktanteile gewinnen können, so Kessler. Einzig die Anzahl der chinesischen und japanischen Gäste sei noch nicht auf dem Niveau von vor der Pandemie.

Ausflugsgeschäft wächst besonders stark

Ein Blick auf die einzelnen Segmente zeigt, dass das gute Abschneiden vor allem von steigenden Besucherzahlen auf dem Jungfraujoch und den Erlebnisbergen zurückzuführen ist. Der Umsatz des Segments Jungfraujoch kletterte um 46,9% auf 188.2 Mio. CHF. Der Betriebsgewinn vor Abschreibungen (EBITDA) erreichte 88.8 Mio. CHF (+87,8%). Die Erlebnisberge – dazu gehören die Firstbahn, die Harderbahn und die Schynige-Platte-Bahn – erzielten mit fast 45.9 Mio. CHF (+ 2,8%) ein EBITDA von 30 Mio. CHF (+26,1%) und überholten damit das Wintersportgeschäft. Der Umsatz im Wintersport lag bei 41.3 Mio. CHF (-1,9%) und das EBITDA bei nur noch 8.3 Mio. CHF (-29,0%). Die Spartenrechnung zeigt, dass die Jungfraubahn-Gruppe das Geld vor allem im Ausflugsgeschäft, dem früheren «Sommergeschäft», verdient. Mittlerweile kommen die Gäste aus aller Welt das ganze Jahr über. Urs Kessler spricht daher gerne von 12 Monaten Hochsaison. Besonders erfolgreich waren im letzten Jahr die Erlebnisberge mit einer EBITDA-Marge von über 60%. Im Wintersportgeschäft liegt die Marge gerade einmal bei 20%, das Jungfraujoch bringt es auf 47%. Nur ganz wenige andere Bahnen in der Schweiz kommen annähernd auf ähnliche Werte.

70% der Erträge stammen aus dem Bahngeschäft

Auch wenn sich die Jungfraubahnen als Tourismusunternehmen bezeichnen, so wird der grösste Teil des Geldes mit dem Bahngeschäft verdient. 195.9 Mio. CHF oder 70% stammen aus dem Verkehrsertrag, gefolgt von der Gastronomie und Beherbergungen mit 17.2 Mio. CHF, was lediglich 6% der Gesamterträge ausmacht. Zudem verdiente das Berner Oberländer Unternehmen mit Souvenirshops (12.9 Mio. CHF), dem Verkauf von Energie aus dem eigenen Wasserkraftwerk (9.3 Mio. CHF) sowie Mieterträgen für verpachtete Shops u.a. im Grindelwald Terminal (13.5 Mio. CHF) und Dienstleistungen (10.1 Mio. CHF) sein Geld. Hinzu kommen Abgeltungen der öffentlichen Hand, die allerdings 2023 von 14 auf 9 Mio. CHF zurückgegangen sind. Besonders erfreulich für das Unternehmen ist die Entwicklung im Bereich der Gastronomie und der Shops. Erst seit 2019 werden die Betriebe auf dem Jungfraujoch und dem Eigergletscher in Eigenregie geführt. Der Flagship Store in Interlaken eröffnete ebenfalls im Jahr 2019. Mit dem Grindelwald Terminal kamen weiter Bistros und ein Shop hinzu. Urs Kessler hebt auch den Ausbau der Adventure-Angebote hervor: «Mit dem First Flyer haben wir auf der First 2023 rund 6 Mio. CHF eingenommen und damit mehr als im Wintersportgeschäft», so der CEO.

Kosten während Pandemie optimiert

Dass der Betriebsaufwand im Vergleich zum Ertrag unterproportional gestiegen ist, führt Kessler auf die Einschnitte während der Pandemie zurück. Sämtliche Kostenpositionen und Prozesse wurden in dieser Zeit durchleuchtet und wo nötig optimiert. Beim Personal habe man hingegen nicht gespart und die Mitarbeitenden weiterbeschäftigt, was sich nun auszahle. So konnte das Unternehmen nach dem Ende der Pandemiemassnahmen den Betrieb rasch wieder hochfahren und auf die wiederauflebende Nachfrage reagieren. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Personalaufwand um 11,2% auf 71.1 Mio. CHF, der sonstige Betriebsaufwand um 16,1% auf 54.4 Mio. CHF. Lohnanpassungen und 46 neue Stellen seien der Haupttreiber für den höheren Personalaufwand gewesen, erklärte Finanzchef Christoph Seiler an der Bilanzmedienkonferenz. Trotz deutlich höherer Steuern von über 20 Mio. CHF verblieb unter dem Strich noch ein Reingewinn von 79.8 Mio. CHF.

Fünf strategische Projekte

Der hohe betriebliche Cashflow von 96.3 Mio. CHF ermöglichte es der Gruppe, nicht nur 36.8 Mio. CHF in Sachanlagen zu investieren, sondern auch 67 Mio. CHF in Festgeldern anzulegen, davon 45 Mio. CHF kurz- und 22 Mio. CHF langfristig. Zusammen mit den 31.3 Mio. CHF an flüssigen Mitteln verfügt die Jungfraubahn-Gruppe über mehr als 100 Mio. CHF an Cashreserven. Das Eigenkapital erhöhte sich 2023 um 3,1% auf 655 Mio. CHF, die Eigenkapitalquote ist mit 74,1% sehr solide. Obwohl die Dividende aufgrund des Ergebnisses auf 6.50 CHF erhöht wird, was einer Dividendensumme von 37.9 Mio. CHF oder 48% des Reingewinns entspricht, bleibt der Spielraum für weitere Investitionen vorhanden.

Dabei handelt es sich gleich um fünf strategische Projekte: Etwa 20 Mio. CHF sollen in eine digitale Verkaufsplattform «Top of Travel» investiert werden, 100 Mio. CHF in den Ersatz der Firstbahn, deren Konzession 2034 ausläuft. Gleichzeitig soll das Berghaus auf der Fist erneuert und die Linienführung der Bahn optimiert werden – ein direkter Anschluss an den Bahnhof in Grindelwald oder sogar das Terminal gehören zu den Planungsvarianten. Weitere 100 Mio. CHF sind für das Projekt «Erster Blick» vorgesehen, das am Jungfraujoch die bestehenden Anlagen verbessern und mehr Platz für die Gäste schaffen soll. Auch am Eigergletscher und unterhalb der Eigernordwand mit dem Eiger Museum «Vertical Experience» sind Investitionen geplant. Auch in die Harderbahn in Interlaken will die Jungfraubahn-Gruppe einen hohen einstelligen Millionenbetrag investieren, um den Ganzjahresbetrieb zu ermöglichen. Schon heute würde die Harderbahn oft an ihre Kapazitätsgrenzen stossen, heisst es. Die Grossprojekte wolle man auch in Zukunft «aus dem eigenen Sack» finanzieren, so CFO Christoph Seiler.

Dynamischer Start ins 2024

Es sieht derzeit auch nicht danach aus, dass sich die positive Entwicklung nicht weiter fortsetzen und den Investitionsplänen einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Im 1. Quartal des laufenden Geschäftsjahres besuchten bereits über 118’000 Gäste das Jungfraujoch – ein Plus von 10,5% gegenüber 2023. Auch im Wintersportgeschäft ist es in der Saison 2023/24 wieder besser als im Vorjahr gelaufen: Das Plus an Skiervisits lag bei 6%. Am Ziel von 1.4 Mio. Skiervisits und am Umsatz von 50 Mio. CHF im Wintersportgeschäft hält Urs Kessler fest, obwohl es angesichts der unbeständigen Witterung nicht leicht werden dürfte, diese Ziele zu erreichen. Auch einen Einbruch der Nachfrage nach Reisen auf das Jungfraujoch kann der CEO nicht erkennen. «Wir sehen eine erfreuliche Entwicklung bei den Gästen aus den Tigerstaaten», so Kessler. Besonders Südkorea und Indien würden boomen. Sorgen bereiten ihm ein möglicher Konflikt zwischen China und Taiwan. Sonst wird es wohl kaum etwas geben, was die Jungfraubahn am weiteren Wachstumskurs stoppen kann.

Fazit

Viele professionelle Anleger und Analysten rümpfen die Nase, wenn sie das Wort Bergbahn hören. Ein Fehler, wenn man sich die Kursentwicklung der Jungfraubahn-Aktie in den letzten Monaten anschaut. Auch wenn das Unternehmen einzig in der Schweiz und hier nur in einer Region, dem Berner Oberland, tätig ist, so ist es dennoch in den vergangenen Jahren gelungen, vom globalen Wirtschaftswachstum zu profitieren. Zudem zeigt sich, dass sich das langfristige Denken des Managements ausgezahlt hat. Statt Investitionen während der Pandemie zu stoppen bzw. aufzuschieben und Mitarbeitende zu entlassen, wurden trotz der grossen Unsicherheiten das Generationsprojekt V-Bahn fertiggestellt und die Mitarbeitenden auf den Tag nach dem Ende der Pandemie vorbereitet. Klar: Es hätte auch anders kommen können. Doch der unternehmerische Mut der Jungfraubahn hat sich ausgezahlt, wie das Rekordergebnis eindrucksvoll zeigt. Dies war nur möglich, da die Jungfraubahn schon immer konservativ finanziert war und Investitionen nur getätigt wurden, wenn sie sich auch rentieren.

Der Kurs der Jungfraubahn-Aktie hat die Corona-Delle und auch das Niveau von vor der Pandemie längst hinter sich gelassen. Chart: www.six-group.com

Derzeit sieht es so aus, als ob sich die positive Entwicklung weiter fortsetzen würde. Das Unternehmen hat zudem neue finanzielle Zielsetzungen publiziert. Demnach soll die Umsatzrendite künftig mindestens 20% statt wie bisher 18% betragen (2023: 28,6%). Bei der EBITDA-Marge wird ein Wert von mindestens 40% (2023: 50,1%) anvisiert; bisher war das Ziel mindestens 33%. Und die Bandbreite des Payout-Ratio wird von 35-60% auf 40-60% eingeengt. Konkret bedeutet dies, dass künftig mindestens 40% des Reingewinns als Dividende ausgeschüttet werden sollen. Zudem will die Bahn in den kommenden fünf Jahren kumuliert mindestens einen freien Cashflow von 200 Mio. CHF erwirtschaften.

Gemessen am 2023er Reingewinn ist die Aktie bei Kursen um die 187 CHF mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von 14 bewertet. Der Buchwert je Aktie liegt bei 112.60, was einem Kurs/Buchwert-Verhältnis von 1.7 entspricht. Die Dividendenrendite beträgt 3,5%. Damit ist die Aktie auf dem aktuellen Kursniveau fair bewertet. Sofern sich das Geschäft weiter gut entwickelt, sind jedoch durchaus höhere Kurse möglich. Nachdem die Jungfraubahn Holding die Marktkapitalisierung von einer Milliarde Franken erreicht hat, könnte es auch sein, dass sich neue Investorenkreise für das Papier interessieren, die bisher aufgrund der geringen Kapitalisierung nicht investiert waren. Nach der jüngsten Kursrally dürfte es sich lohnen, mit dem Kauf zuzuwarten, und eine mögliche Korrektur für Käufe zu nutzen. Denn auch die geopolitischen Risiken sind nicht zu unterschätzen, denn sie dürften – zumindest kurzfristig – immer wieder einen Einfluss auf das globale Reiseverhalten und damit auf den Geschäftsgang der Gesellschaft haben.

Hinweis in eigener Sache: Am 29. Oktober 2024 findet der Branchentalk Tourismus von schweizeraktien.net statt, diesmal am Flughafen Zürich. Die Jungfraubahn Holding AG wird am Investoren-Meeting wieder mit dabei sein.

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