Schweizer KMU: Weitergehende Transparenzvorschriften betreffend Nachhaltigkeit

Ein Fachbeitrag zum Thema Nachhaltigkeitsreporting

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Dr. Roman Aus der Au, M.A. HSG in Law and Economics, ist Rechtsanwalt bei Kellerhals Carrard und spezialisiert auf Aktienrecht, insbesondere Corporate Governance und Reporting. Er ist Mitglied des Sustainability & ESG Desks von Kellerhals Carrard. Bild: zvg

Am 26. Juni 2024 hat der Bundesrat den Vorentwurf zur Anpassung des Obligationenrechts im Bereich des Sustainability Reportings veröffentlicht. Ziel der Vorlage sei die Anpassung des schweizerischen an das Recht der EU, namentlich an die CSRD. Die erst per 1. Januar 2023 eingeführten Berichterstattungspflichten – neu: Transparenz über Nachhaltigkeitsaspekte – sollen gewichtige Änderungen erfahren, insbesondere was den Anwendungsbereich, den Umfang der Berichterstattung sowie deren Prüfung betrifft. Der Vorentwurf befindet sich in der Vernehmlassung bis am 17. Oktober 2024. Sollte die Vorlage nach Ausarbeitung des Entwurfs Bestand im Parlament haben, untersteht sie dem fakultativen Referendum.

Anwendungsbereich erweitert auf nicht kotierte Gesellschaften

Nach geltendem Recht sind die Bedingungen des Status als Publikumsgesellschaft und der Überschreitung der Schwellenwerte kumulativ zu erfüllen, neu würden sie alternativ gelten. Es würden somit auch nicht kotierte Gesellschaften erfasst werden. Eine eigenständige Drittstaatenregelung analog zur CSRD ist nicht vorgesehen, sodass alle betroffenen KMU direkt unter die geplante Neuregelung fallen würden. Zur Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte wären Unternehmen verpflichtet, die entweder:

  1. Publikumsgesellschaften mit kotierten Beteiligungspapieren und bestimmte FINMA-unterstellte Gesellschaften sind; oder

2. zwei der folgenden Schwellenwerte in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschreiten:

a. Bilanzsumme von CHF 25 Mio. (bisher: CHF 20 Mio.);
b. Umsatzerlös von CHF 50 Mio. (bisher: CHF 40 Mio.);
c. 250 FTE im Jahresdurchschnitt (bisher: 500 FTE).

3. Ebenfalls verpflichtet wären Gesellschaften, die zur Erstellung einer Konzernrechnung verpflichtet sind, sofern sie zusammen mit ihren kontrollierten Gesellschaften die Bedingungen der obgenannten Ziffer 2 erfüllen. Damit sind die Schwellenwerte konsolidiert zu betrachten.

Ausnahmen vom Anwendungsbereich

Von den Pflichten befreit wären Unternehmen, die von einem verpflichteten Unternehmen gemäss OR oder einem Unternehmen, das einen gleichwertigen Bericht nach ausländischem Recht erstellt, kontrolliert werden. Vereinfacht gesagt, beträfe dies Konzerntöchter, deren Muttergesellschaft einen entsprechenden Bericht verfasst. Ferner befreit wären Kleinstunternehmen (auch börsenkotierte), die allein oder zusammen mit den von ihnen kontrollierten in- oder ausländischen Unternehmen mindestens zwei der nachstehenden Grössen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht überschreiten:

  1. Bilanzsumme von CHF 450‘000;
  2. Umsatzerlös von CHF 900‘000;
  3. 10 FTE im Jahresdurchschnitt.

Befreite Unternehmen müssten im Anhang zur Jahresrechnung angeben, bei welchem Unternehmen sie in den Bericht einbezogen sind und diesen Bericht veröffentlichen.

Wegfall des «Comply or explain-Prinzips» und Erweiterung des Inhalts

Wesentliche Neuerung ist, dass ein Unternehmen nicht mehr begründet erklären dürfte, dass es bzw. wieso es bestimmte Angaben nicht veröffentlicht («Comply or explain-Prinzip»).

Der Bericht müsste über Folgendes Rechenschaft geben: Umweltfaktoren (E), Sozial- und Menschenrechtsaspekte (inkl. Arbeitnehmerbelange) (S) sowie Governance-Aspekte (G). Mit Bezug auf die Umweltfaktoren würden gar – eigentlich artfremd für Publikationspflichten – inhaltliche Zielfestlegungen postuliert: Verlangt wären Angaben betreffend CO2-Netto-Null-Ziel 2050 sowie betreffend Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Welche Angaben das individuelle Unternehmen effektiv offenlegen müsste, würde sich am sog. Prinzip der Doppelten Wesentlichkeit (double materiality) gemäss Verständnis der EU bemessen. Es wären sodann wie bis anhin verschiedene katalogartig aufgelistete Angaben zu machen (u.a. Geschäftsmodell, Strategie und Unternehmenspolitik, Nachhaltigkeitsziele; Rolle und Anreizsystem des Verwaltungsrats, angewandte Sorgfaltsprüfung, negative Auswirkungen sowie Risiken und Massnahmen) und dabei eine konzernweite Betrachtung vorzunehmen, die sogar Angaben zur Wertschöpfungskette, einschliesslich Angaben zu Produkten und Dienstleistungen, Geschäftsbeziehungen und Lieferkette umfassen müsste.

Art der Berichterstattung

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung müsste den europäischen Standards (ESRS) oder anderen gleichwertigen Standards, die durch den Bundesrat bezeichnet werden, entsprechen. Es wird somit insinuiert, dass die EU das einzige für hiesige Unternehmen relevante «Ausland» ist. Wer materiell über die Gleichwertigkeit befindet, bzw. ob hier auf eine internationale Praxis abgestellt wird, bleibt unklar, jedenfalls wird nicht auf «anerkannte» Standards abgestellt. Der Vorentwurf äussert sich nicht zur Art der Berichterstattung. Es wäre somit ein separater Bericht oder eine Integration in den Lagebericht möglich.

Generelle Prüfungspflicht

Wie auch unter EU-Recht soll der Bericht neu geprüft werden. Zuständig wären bestimmte Revisionsunternehmen oder Konformitätsbewertungsstellen. Der Bundesrat soll dabei die Prüftiefe (Assurance) regeln: (a) Prüfung, ob Sachverhalte vorliegen, aus denen zu schliessen ist, dass die Angaben über Nachhaltigkeitsaspekte im Bericht unvollständig oder falsch sind (negative/limited assurance) oder (b) Prüfung, ob die Angaben über Nachhaltigkeitsaspekte vollständig und richtig sind (positive/reasonable assurance).

Kosten für Unternehmen

Gemäss Bundesrat würde diese Vernehmlassungsvorlage rund 3‘500 Unternehmen zur Berichterstattung verpflichten. Sie hätte weitreichende Folgen für schweizerische Unternehmen, sowohl intern in Form von Aufwand für Datenerfassung, -aufbereitung und Berichterstellung als auch extern in Form von Beratungs- und Prüfkosten. Die Gesamtkosten werden auf jährlich CHF 620 Mio. geschätzt. Besonders betroffen dürften nicht kotierte Gesellschaften sein, die bislang keinerlei Berichte veröffentlichen mussten.

Hinweis in eigener Sache: schweizeraktien.net führt am 15. November 2024 wieder einen Workshop ESG-Reporting durch. U.a. wird Roman Aus der Au über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Reportingpflichten für Schweizer KMU sprechen.

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