Philippe Deecke, CFO Lonza: «Man spürt den frischen Wind im Unternehmen»

Mit neuem VRP und CEO strebt Lonza weiteres Wachstum und höhere Margen an

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Seit Sommer 2024 verantworten sowohl auf CEO-Ebene mit Wolfgang Wienand als auch auf Verwaltungsrats-Ebene mit dem neuen Präsidenten Jean-Marc Huët zwei neue Führungspersönlichkeiten die Geschicke beim multinationalen Basler Pharma-Auftragsproduzenten Lonza.

Im Gespräch mit schweizeraktien.net äussert sich CFO Philippe Deecke über den frischen Wind, der seit den Personalwechseln durch das Unternehmen weht. Er erläutert, warum man das Kapselgeschäft veräussern und sich in Zukunft auf das CDMO Geschäft (Contract Development and Manufacturing Organization) konzentrieren will, wie sich dies auf die Ertragsstruktur auswirkt und warum die Aktie weiterhin einen Kauf wert ist.

Philippe Deecke ist seit 2021 CFO bei Lonza, dem Basler Pharma-Auftragsproduzenten. Bild zVg.

Herr Deecke, seit letztem Jahr verantwortet Wolfgang Wienand als CEO das operative Geschäft bei Lonza. Gleichzeitig wurde Jean-Marc Huët neuer VRP. Was hat sich im Unternehmen mit dem Antritt von Wienand und Huët geändert?

Philippe Deecke: Vieles hat sich zum Guten verändert. Wolfgang Wienand und Jean-Marc Huët kamen mit grosser Erfahrung zu Lonza. Wolfgang Wienand besitzt profundes Fachwissen in unserer Industrie. Er war schon lange CEO und bringt entsprechend Strategieerfahrung mit. Was zusätzlich hilft: Beide haben Erfahrung im Bereich Capital Market und Governance von grossen, multinationalen Konzernen.

Jean-Marc Huët und Wolfgang Wienand haben Mitte 2024 angefangen und seither viele Mitarbeitende im Unternehmen getroffen und mit ihnen gesprochen. Auch extern haben sie sich mit wichtigen Stakeholdern im Markt ausgetauscht. Und danach haben sie viele positive Änderungen vorangetrieben.

Wie sehen diese Änderungen konkret aus?

Zum einen haben wir die Struktur unserer Organisation vereinfacht und verflacht. Wir sind von vier Divisionen zu drei sogenannten Plattformen mit mehr funktionalen Komponenten übergegangen, was die Skalierung der Organisation und auch die Kundennähe verbessert.

«Wir haben uns entschieden, aus dem Bereich Capsules & Health Ingredients (CHI) auszusteigen»

Auch haben wir eine neue Vision und eine neue Strategie festgelegt, die «One Lonza Strategy». Diese kommt jetzt für unsere Kunden aus einem Guss daher. Unsere drei Plattformen arbeiten nach den gleichen Prinzipien, in unterschiedlichen technologischen Bereichen.

Wir haben uns entschieden, aus dem Bereich Capsules & Health Ingredients (CHI) auszusteigen. Das ist jetzt der richtige Zeitpunkt, uns bei entsprechender Gelegenheit von diesem Bereich zu trennen, um uns auf unser Kerngeschäft CDMO zu konzentrieren.

Auch auf der VR-Ebene hat Lonza einiges geändert. Wir haben seit der letzten Generalversammlung Anfang Mai drei neue Verwaltungsräte im Gremium, die sehr viel Wissen im Bereich Manufacturing mitbringen und unserer Industrie sehr zuträglich ist. Auch haben wir ein neues VR-Mitglied mit grosser Finanzerfahrung unter Vertrag. Zusätzlich haben wir die Länge der VR-Mandate auf 9 bis maximal 12 Jahre begrenzt, um die Unabhängigkeit sicherzustellen.

Sie sehen, es gibt einige Änderungen, die die beiden in nur einem knappen Jahr vorangetrieben haben. Im Unternehmen spürt man einen frischen Wind.

Sie haben im vergangenen Jahr 1.4 Mrd. CHF in den USA investiert. Noch ist unklar, ob die angedrohten US-Zölle auf Pharmazeutika in Höhe von 31% kommen. Wie ist Lonza darauf vorbereitet, sollten diese tatsächlich eingeführt werden?

Lonza war schon immer sehr präsent in den USA. Wir sind der grösste CDMO-Anbieter im Bereich der Biologics und Cell & Gene. Aus diesem Grund waren die USA seit langer Zeit ein wichtiges Land für uns und für unsere Kunden. Was die Zölle angeht, verfolgen wir natürlich die Lage Tag und Nacht. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir bestätigen, dass die angedrohten Zölle, die möglicherweise auch für Pharmazeutika gelten könnten, uns kaum direkt betreffen werden. Unser Businessmodell schirmt uns von den besprochenen Zöllen ab. Dies aus dem einfachen Grund, weil wir selber keine Produkte in die USA importieren oder exportieren. Wir verkaufen sie vor unserer Haustür, an unsere Kunden, die dann beim Exportieren mit möglichen Zöllen belastet werden.

Wie verhält es sich mit Rohmaterialien?

Gewisse Rohmaterialien werden aus anderen Ländern importiert, falls wir sie nicht lokal in den USA beziehen können. In diesem Fall würden die Zölle unseren Kunden weiter verrechnet.

«Unser CDMO-Geschäft ist in den USA sehr gut positioniert»

Unser CDMO-Geschäft ist in den USA sehr gut positioniert. Wenn Pharma- und Biotechkunden US-Kapazität suchen, finden sie diese bei Lonza. Und wie erwähnt, sind wir vom Businessmodell her abgeschirmt gegen Zölle.

Was unser Geschäft mit Kapseln betrifft, so glauben wir sogar, dass sich Zölle leicht positiv auswirken könnten, da wir der einzige grosse Hersteller sind in den USA. Viele unserer Wettbewerber befinden sich in Asien oder in Südamerika. Und deshalb sind wir da im Vorteil mit unserer Herstellung in den USA und in Mexiko.

Wenn die Kurse zum Beispiel von Novartis und Roche wegen der Zollandrohung nachgeben, wird Lonza in Mithaftung genommen und zeitigt seinerseits Kursverluste. Ganz werden Sie also nicht verschont werden.

Das stimmt zum Teil. Wir haben Anfang April unseren Investoren und dem Markt gut erklären können, wieso wir glauben, dass wir von den Zöllen abgeschirmt sind. Und der Aktienkurs hat dann auch nach oben korrigiert. Aber klar ist: Wenn die ganze Pharmaindustrie, wie im April, in Mitleidenschaft gezogen wird, dann wird das irgendwann  auch auf uns abfärben. Aber unser Geschäft profitiert von langjährigen Verträgen, das heisst, wir haben hier viel Sicherheit.

Sie wollen sich zukünftig hauptsächlich auf das CDMO-Geschäft konzentrieren. Welche Auswirkungen wird das auf den Gewinn und die Marge haben? Wie wird sich das auf das Wachstum des Unternehmens auswirken?

Das Kapselgeschäft ist ein attraktives Geschäft, und unsere Division ist beim Umsatz und der Marge Marktführerin, mit Abstand. Es handelt sich aber um ein ganz anderes Geschäft als unser CDMO-Kerngeschäft. Unser Kerngeschäft wächst schneller. Wir haben hier das Ziel, in den tiefen 10% zu wachsen, also zwischen 10% und 13%. Unser Kapselgeschäft liegt hingegen im unteren bis mittleren einstelligen Bereich, also irgendwo zwischen 2% bis 6%. Das heisst, es zeigt sich dort eine andere Dynamik. Im Bereich der Margen streben wir ja eine von deutlich über 30% an. Unser Kapselgeschäft ist leicht darunter, zurzeit im mittleren 20er Bereich. Auch das weist auf eine andere Dynamik hin.

Welche bilanziellen Folgen hat der Fokus auf das CDMO-Geschäft? Welche Geschäftszweige wollen Sie aufgeben bzw. veräussern?

Gegenwärtig wollen wir uns erst mal von der Kapsel-Division trennen. Das braucht Zeit und Arbeit. Zum Glück haben unsere Teams das bereits vor ein paar Jahren durchexerziert mit dem Verkauf der Lonza Speciality Ingedients-Sparte (LSI).

Das Kapselgeschäft wurde nie vollständig integriert. Es nutzt eine andere Lieferkette und produziert an anderen Standorten auf der Welt. Dies erleichtert eine Abspaltung. Wir müssen keine Werke aufspalten. Trotzdem braucht das Vorbereitung.

«Aus der Veräusserung könnte ein großer Cash-Zufluss resultieren, den wir dann in organische oder anorganische Wachstumsprojekte reinvestieren können»

Was heisst das in der Konsequenz für uns? Wir werden etwa 1 Milliarde Umsatz verlieren, denn das Kapselgeschäft ist relativ cash-stark. Durch die Trennung werden wir temporär Einbussen verzeichnen. Aber das CDMO-Kerngeschäft wird diese rasch auffangen, da es wie erwähnt zwischen 10 und 13% wächst. Wir werden also diesen Rückgang relativ schnell wieder wettmachen.

Und dann kommt es darauf an, wie wir aus dem Geschäft aussteigen. Ob das durch einen Verkauf, einen Börsengang oder einen Demerger passiert. Aus der Veräusserung könnte ein grosser Cash-Zufluss resultieren, den wir dann in organische oder anorganische Wachstumsprojekte reinvestieren können.

mRNA-Wirkstoffe sind Ziel von US-Gesundheitsminister Kennedys Umgestaltungsabsichten. Sie könnten gebannt werden. Lonza hat hohe Investitionen in mRNA-bezogene Kapazitäten aufgebaut. Was wird nun passieren?

Es ist wichtig zu verstehen, dass die grossen Investitionen, die im Bereich mRNA getätigt wurden, im Zusammenhang mit den Covid-19-Impfstoff standen. Das Geschäft haben wir Ende 2023 mit Moderna abgeschlossen und betreiben seither keine grossen mRNA-Kapazitäten mehr. Diese wurden abgebaut, da sie nicht mehr benötigt wurden. Heute fokussieren wir uns auf das frühe Geschäft mit mRNA, auf die frühen Entwicklungsphasen. Der Markt braucht heute CDMO in den Anfangsphasen der Entwicklung. Wir glauben weiterhin an die Fähigkeiten der mRNA-Technologie und dass wir hier ein kommerzielles Potenzial haben. Aber es ist noch sehr früh, und deshalb ist auch unsere Investition im Moment relativ klein und fokussiert. Bei Kundenanfragen würden wir dann zusammen mit ihnen skalieren.

Lonza schloss am 1. Oktober 2024 die Akquisition einer Grossanlage zur Herstellung von Wirkstoffen aus Säugetierzellen von Roche Genentech am Standort in Vacaville (USA) erfolgreich ab und hat seither zwei neue Kundenverträge unterzeichnet. Was genau wird dort wie und für wen produziert?

Wir haben langjährige Verträge für Produkte, die kommerziell ausgerichtet sind. Es ist eine gute Zeit für die Herstellung von Biologics. Und die zwei Verträge gehören auch dazu. In der Zwischenzeit haben wir auch noch einen dritten Vertrag unterzeichnet. Das heisst, wir haben jetzt zusätzlich zu Roche Genentech drei neue Verträge für Vacaville. Wir sind auch weiterhin in mehreren Verhandlungen. Wir erwarten, dass wir noch in diesem Jahr weitere Verträge unterzeichnen werden.

Die Aktie von Lonza ist mit einem KGV von über 60 relativ teuer. 2024 hat Lonza den SMI deutlich hinter sich gelassen. Warum sollten Investoren trotzdem in die Aktie investieren?

Gerne hierzu eine kurze Einschätzung von mir: Unser KGV ist hoch, auf adjustierter Basis ist es aber schon viel moderater, würde ich sagen. Aber klar, wir sind ein Wachstumsunternehmen, und eine Wachstumsaktie wird tendenziell höher bewertet. Wieso sollten Investoren weiterhin in Lonza investieren? Einerseits sind wir in einer wachsenden Industrie zu Hause: Die Industrie der Lohnhersteller im pharmazeutischen Bereich ist mit Wachstumsraten im hohen einstelligen Bereich extrem attraktiv, und zwar konstant, mit sehr wenig zyklischer Aktivität.

Andererseits hat Lonza eine einzigartige Position in dem Bereich. Wieso? Weil wir mit verschiedensten Technologien arbeiten. Wir haben Chemie, also kleine Moleküle. Wir haben grosse Moleküle. Wir haben wie vorher besprochen mRNA, wir haben aber auch Cell & Gene. Wir sind also sehr breit aufgestellt. Wir decken die Brandbreite ab von der frühen Entwicklungsphase bis zur kommerziellen Herstellung von Produkten. Viele unserer Wettbewerber entscheiden sich für eine vertikale oder eine horizontale Ausrichtung. Wir hingegen bieten die komplette Palette an, was wiederum für unsere Kunden strategisch wichtig ist. Wir glauben, dass wir sehr stark positioniert sind. Und wie erwähnt sind wir auch international gut aufgestellt, und das sowohl in Asien, in Europa als auch in den USA. Das ist ziemlich einzigartig in unserer Industrie. Unser Portfolio an Technologien, Kunden und Standorten ist einzigartig und erlaubt es uns, Risiken zu minimieren. Auch weil wir dadurch die Abhängikeit von einem Kunden oder von einem Produkt beschränken. Der Markt wächst weiter. Wir sind sehr gut positioniert. Die Lonza-Aktie ist daher meiner Einschätzung nach eine gute Anlage.

Herr Deecke, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Kursverlauf der an der SIX kotierten Lonza-Aktie über die letzten zwei Jahre. Quelle: six-group.com

 

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