Urs Neuhauser, CEO Griesser Holding: «Sonnenschutz gewinnt mit fortschreitendem Klimawandel zunehmend an Bedeutung»

Mit Innovationen, Investitionen und Kundenorientierung bleibt Griesser an der Spitze

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Urs Neuhauser ist seit 2019 CEO der Griesser Gruppe. Bild: Griesser Group, Nadia Bendinelli

Hinter der Griesser Holding liegen schwierige Jahre. Erst hatte der Home-Improvement-Boom in der Covid-Ära die Nachfrage nach Sonnenschutz beflügelt, doch danach folgte eine abgeschwächte Konjunktur. Mit Produkt- und Prozessinnovationen sowie hohen Investitionen in die Fertigungskapazitäten wurde die Wettbewerbsposition verbessert, doch dies belastete auch die Gewinnentwicklung. Die Nettoerlöse sanken 2024 um 8,6% auf 302.6 Mio. CHF und das Unternehmen musste einen Verlust von über 10 Mio. CHF ausweisen.

CEO Urs Neuhauser nimmt im Interview mit schweizeraktien.net Stellung dazu, wie die verschiedenen Sonderfaktoren einzuordnen sind, warum auch Perspektivwechsel zu Erkenntnissen und Erfolgen führen können und weshalb nachhaltiges Wirtschaften für die Griesser Holding weiterhin hoch relevant bleibt. Neuhauser ist zuversichtlich, in den kommenden Jahren die Profitabilität steigern zu können. Die Aktie bewegt sich allerdings auf dem tiefsten Niveau der letzten 20 Jahre. Die Bewertung liegt bei lediglich der Hälfte des ausgewiesenen Eigenkapitals.

Herr Neuhauser, die Konjunktur und insbesondere die Bautätigkeit senden in den verschiedenen europäischen Ländern keine ermutigenden Signale aus. Mit den Marken Griesser und weinor fokussieren Sie auf Innovation, Servicequalität und vor allem auf die wahren Kundenbedürfnisse. Was können Sie unseren Lesern zu den Ergebnissen Ihrer Strategie sagen?

Die nach wie vor schwache Bautätigkeit, welche in vielen westeuropäischen Märkten auch im aktuellen Jahr anhält, spürt die gesamte Sonnenschutzbranche. Jedoch sehen wir im Bereich der Renovationen, bei denen unsere Produkte ebenfalls eingesetzt werden, stabile Entwicklungen. Verstärkt wird dieser Trend zusätzlich durch Förderprogramme wie beispielsweise das Gebäudeprogramm in der Schweiz. Gerade für nachhaltige Renovationen haben wir in den vergangenen Jahren verschiedene innovative Produkte entwickelt, unter anderem automatisierte, solarbetriebene Markisen und Rollläden.

Mit der Draussenwelt-Strategie bei weinor vollziehen Sie einen absoluten Perspektivwechsel im Sinne von «listen-to-the-customer». Was wünschen sich die Kunden? Wie sind Ihre ersten Erfahrungen?

Endkundinnen und Endkunden wünschen echte Beratung, die über den herkömmlichen Produktverkauf hinausgeht. Sie erwarten Orientierung und Inspiration, wie ihre persönliche Draussenwelt aussehen kann. Die Beratung soll zu ihrem Zuhause passen – architektonisch und emotional. Es geht um Stimmung, Atmosphäre und darum, wie der Aussenbereich am besten «funktioniert». Fachexpertise und die richtigen Fragen sind entscheidend. Unsere bisherigen Erfahrungen sind positiv, aber wir sind erst am Anfang eines vielversprechenden Weges.

Allgemein herrscht ja der Eindruck, dass die Erreichung der Klimaziele weniger wichtig geworden ist. Wie kommen gebündelte Innovationen wie Ihr «Green Aluminium» am Markt an?

Das Thema Nachhaltigkeit ist und bleibt hoch relevant für uns, und wir treiben unsere Klimaziele auch künftig weiter voran – so sind wir unter anderem stark engagiert bei Verbänden wie swisscleantech, wo wir seit einigen Jahren Fördermitglied sind und ich Teil des Vorstands bin. Beim Thema Green Aluminium erreichten wir übrigens mit der Materialumstellung bei unserer Fensterladenproduktion in Nenzing letzten August ein nächstes Etappenziel – dies vier Monate vor unserem gesetzten Ziel. Im Vergleich zu unseren Mitbewerbern zählt Griesser zur Speerspitze im Bereich Nachhaltigkeit. Mit Blick auf den Sonnenschutzmarkt zeichnet sich insgesamt eine stetig wachsende Sensibilisierung gegenüber nachhaltigen Sonnenschutzlösungen ab, wobei diese nicht bei allen Zielgruppen gleichermassen ausgeprägt ist. Gerade aber für Architektinnen und Architekten – eine für uns zentrale Zielgruppe – sind nachhaltige Lösungen besonders wichtig.

«Das Thema Nachhaltigkeit ist und bleibt hoch relevant für uns»

 Um trotz der widrigen Nachfragesituation Marktanteile zu erhalten und zu steigern, haben Sie ein neues Werk in Nenzing sehr schnell errichtet und in Betrieb genommen. Das hat die Wettbewerbsfähigkeit bestimmt erhöht, aber auch das Zahlenwerk belastet. Was können Sie zur industriellen Logik der Investition sagen?

Unser vor rund einem Jahr fertiggestellter Neubau in Nenzing bringt uns diverse Vorteile. Durch die hochmodernen Anlagen und den hohen Automatisierungsgrad erreichen wir deutliche Produktions- und Effizienzsteigerungen. Besonders unsere neue State-of-the-Art-Pulverbeschichtungsanlage, die fast vollständig mit eigens produziertem Solarstrom betrieben wird, verhilft uns zu Prozess- und Kostenoptimierungen. Durch die neue Inhouse-Pulverbeschichtung steigern wir unter anderem unsere Beschichtungsqualität und reduzieren Lieferzeiten. Die 3’000 m² grosse Halle bietet zudem Kapazitäten, um Produktionslinien für weitere Produkte aufzubauen.

In Italien sind ja 2024 die Subventionen für Sonnenschutzmassnahmen ausgelaufen. Da die Hitzewellen allenfalls an Frequenz und Intensität zunehmen, sind zukünftig ähnliche Initiativen und Fördermassnahmen in den europäischen Ländern nicht geradezu zwingend? Wie ist Ihr Wissensstand dazu?

Diese Ansicht teilen wir. In Anbetracht der angespannten finanziellen Situation zahlreicher westeuropäischer Länder und der aktuellen politischen Gegebenheiten ist fraglich, ob derartige Fördermassnahmen in absehbarer Zeit in weiteren Ländern umgesetzt werden. Unabhängig davon ist aber klar: Sonnenschutz gewinnt mit fortschreitendem Klimawandel zunehmend an Bedeutung.

Griesser ist seit 1924 in Italien mit einer Tochtergesellschaft präsent. Nach 100 Jahren haben Sie eine starke Marktstellung in dem «Sonnenland» Europas und einen guten Einblick in die Marktverfassung. Wo liegen die spezifischen Chancen und Risiken?

Italien ist ein anspruchsvoller, aber äusserst spannender Markt. Das Klima, die starke Designkultur und der Trend zu energieeffizienten Gebäuden bieten grosse Chancen. Herausforderungen bleiben der intensive Wettbewerb und wechselnde politische Rahmenbedingungen. Unser Vorteil ist die lokale Verankerung kombiniert mit Schweizer Qualität und Innovationskraft. Das schafft Vertrauen – und ist gerade in einem Markt wie Italien, wo persönliche Beziehungen und Verlässlichkeit zählen, entscheidend für den langfristigen Erfolg.

«Italien ist ein anspruchsvoller, aber äusserst spannender Markt»

Neben der Finanzierung des Neubaus in Nenzing haben Sie auch den Minderheitsgesellschaftern von weinor die 21% der Anteile abgekauft, die die Griesser Holding noch nicht hielt. Hierbei wurde der Goodwill mit dem Eigenkapital der Griesser Holding verrechnet, was dazu führte, dass die Eigenkapitalquote von 70% auf 53% zurückging. Können Sie bitte unseren Lesern die Vorteile der Methode erklären?

Gemäss Swiss GAAP FER besteht die Option, den Goodwill entweder zu aktivieren und über fünf Jahre abzuschreiben oder direkt mit dem Eigenkapital zu verrechnen. Die Aktivierung und Abschreibung des Goodwills hätte in den nächsten fünf Jahren zu einer deutlichen Belastung des EBIT geführt, welche der Bilanzleserin und dem Bilanzleser nur auf den zweiten Blick ersichtlich würde. Damit widerspiegelt der EBIT auch nicht mehr das operative Geschäft der Gruppe. Uns war wichtig, dass die Aktionärinnen und Aktionäre auf Stufe EBIT ein Ergebnis sehen, das aus dem Tagesgeschäft resultiert, womit auch Vergleiche mit den Vorjahren möglich sind.

Ihr ERP-Projekt ist ein wichtiger Schritt zur weiteren Digitalisierung der betrieblichen Prozesse. Wann wird die Implementierung abgeschlossen sein, und wie könnten sich die Auswirkungen durch Effizienzsteigerungen auf das Zahlenwerk auswirken?

In der Schweiz schliessen wir das Projekt Anfang 2026 ab, und danach folgen etappenweise die weiteren Ländergesellschaften. Mit der vollständigen ERP-Umstellung schaffen wir es, unsere Effizienz nochmals zu steigern und länderübergreifendes Synergiepotenzial noch stärker zu nutzen.

Flankierend zu den Investitionen und der gesteigerten Innovationseffizienz haben Sie auch Restrukturierungsschritte und die Optimierung der Kostenstrukturen auf die Agenda gesetzt. Die Früchte sollten sich im Jahresverlauf 2025 zeigen. Wie ist der Stand der Dinge?

Unsere verschiedenen Massnahmen zu Kosteneinsparungen und Umsatzsteigerungen zeigen nachhaltig Wirkung. Dank unter anderem Aktionen wie dem Aufbau eines zentralen Objektmanagements in unserem Vertrieb, der Errichtung einer zusätzlichen Produktionslinie unseres verkaufsstarken Fassadenmarkisenprodukts Solozip in Aadorf oder nachhaltigen Einkaufsoptimierungen konnten wir auf das herausfordernde Marktumfeld reagieren, Umsatz aufholen sowie Kosten einsparen.

«Unsere verschiedenen Massnahmen zu Kosteneinsparungen und Umsatzsteigerungen zeigen nachhaltig Wirkung»

Bitte geben Sie unseren Lesern noch einen Ausblick. Was ist von der Griesser Holding mit Blick auf 2026 und 2027 zu erwarten?

Wir bleiben innovativ: So lancieren wir 2026 eine neue Produktfamilie, die uns am Markt nochmals weiter nach vorne bringen wird. Ebenfalls treiben wir unsere Digitalisierung weiter voran – sei es bei unserem ERP-Projekt oder bei weiteren digitalen, kundenorientierten Lösungen. Mit der zu erwartenden Baukonjunkturentwicklung, unseren diversen Spar- und umsatzfördernden Massnahmen sowie unserer positiven Digitalisierungsentwicklung sind wir davon überzeugt, unsere Profitabilität in den kommenden Jahren zu steigern.

Besten Dank für die informativen Antworten, Herr Neuhauser.

Der Aktienkurs von Griesser befindet sich auf dem tiefsten Niveau der letzten fünf Jahre. Chart: otc-x.ch

Die Aktien der Griesser Holding AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 600 CHF für eine Aktie bezahlt. Der Buchwert lag per Ende 2024 bei 1183 CHF. Eine Dividende wurde nicht ausgeschüttet.

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