Die geopolitischen Spannungen und die daraus folgenden Lieferengpässe und Rezessionsängste machen 2022 weniger erfolgreich, als es zu Jahresbeginn den Anschein hatte.
Das vergangene Jahr war für Griesser ein Jubeljahr. Die im thurgauischen Aadorf beheimatete Gruppe beging ihren 140. Geburtstag. Finanziell lief es für den Hersteller von Sonnenschutzprodukten nicht mehr so rund wie in den vergangenen Jahren. In der Pandemiejahren hatten die Konsumenten viel investiert, um die eigenen vier Wände aufzuwerten. Und auch im Jahr 2021 hielt diese Boom-Stimmung trotz eines verheerenden Hackerangiffs an, der das Unternehmen für einige Tage lahmlegte.
Zu Beginn des Jahres 2022 schien alles parat für ein weiteres Erfolgsjahr. Die Auftragsbücher waren gut gefüllt. Doch die Folgen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine, die Verteuerung der Energie, Lieferengpässe und aufkeimende Rezessionsängste belasteten das Geschäft. Die Gruppe hat die betrieblichen Erträge im vergangenen Jahr aber trotzdem um 2,1 Mio. auf 372, 2 Mio. CHF steigern können – und dies trotz der negativen Währungseinflüsse. Insbesondere der Euro hat sich im Vergleich zum Franken abgewertet. Das währungsbereinigte organische Wachstum hätte gemäss Medienmitteilung 14,4 Mio. CHF betragen, was einem Wachstum von 4,4% entspricht. Im Geschäftsjahr 2021 expandierten die vergleichbaren Einnahmen um 9,2%.
Der Norden leidet mehr
Im Resultat der Griesser Gruppe wird die 76,5%-Beteiligung der deutschen Weinor konsolidiert. Dieser Geschäftsbereich ist auf den Sonnen- und Wetterschutz auf Terrassen spezialisiert und produziert dafür Pergola-Markisen, Terrassendächer und zahlreiches Zubehör. Weinor konzentriert sich vermehr auf die Absatzmärkte in Nordeuropa. Diese sind von den politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten stärker in Mitleidenschaft gezogen worden – insbesondere von der Energieknappheit. Die Nachfrage nach den Produkten ist deutlich zurückgegangen.
In Südeuropa entwickelte sich der Geschäftsgang für Griesser wegen eines Subventionsprogrammes des italienischen Staates für Sonnenschutz nach Angaben des Unternehmens «sehr positiv». Die Engpässe an den Beschaffungsmärkten trafen Griesser teilweise direkt, schmerzhafter waren aber die Terminverschiebungen auf den Baustellen. Trotzdem verzeichnete Griesser insgesamt eine steigende Nachfrage. Diese fiel mit der Inbetriebnahme der neuen Produktionsanlage in Aadorf zusammen, was zu leicht höheren Durchlaufzeiten führte. Bis zum Jahresende wurden jedoch zahlreiche Optimierungspotenziale im Produktionsbereich umgesetzt, was gemäss Unternehmensmitteilung «eine gute Ausgangslage für das Geschäftsjahr 2023 bietet».
Höhere Preise, längere Garantie
«Auch im Jahr 2022 haben sich die Märkte in Nordeuropa und Südeuropa unterschiedlich entwickelt», sagt Griesser-CEO Urs Neuhauser. Aufgrund der tieferen Inflation sowie der geringeren Auswirkungen des Ukraine-Konflikts in Südeuropa konnten vor allem die Märkte in der Schweiz, in Italien und Frankreich gegenüber dem Norden aufholen. «Wir gehen davon aus, dass sich diese Tendenz auch im Jahr 2023 fortsetzen wird.»
Die steigenden Material-, Energie- und Personalkosten konnten nur teilweise mit Effizienzsteigerungen aufgefangen werden. Deshalb sah sich das Unternehmen gezwungen, im vergangenen Jahr die Preise drei Mal anzuheben. Um den Kunden die höheren Preise etwas zu versüssen, ist die Gewährleistungspflicht für Griesser-Produkte im vergangenen Jahr von zwei auf sechs Jahre erhöht worden.
Gleichbleibende Dividende
Gemäss Neuhauser sind weitere Preiserhöhungen vorerst kein Thema. Die im Jahr 2022 vorgenommenen Preiserhöhungen seien notwendig gewesen, um die steigenden Material-, Energie- und Personalkosten zu decken. «Obwohl die Materialkosten für gewisse Rohmaterialien und Komponenten etwas zurückgekommen sind, bleiben die Energie- und Personalkosten konstant höher als vor der Pandemie», fügt der Griesser-Geschäftsführer jedoch an.
Trotz Preiserhöhungen sank der Betriebsgewinn (EBIT) im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Mio. auf 17,9 Mio. CHF. Der Reingewinn reduziert sich im Jahresvergleich um 17,5% auf 11,7 Mio. CHF. Der Personalbestand der Griesser Gruppe hat sich 2022 um 38 Vollzeitstellen auf 1563 Mitarbeitende erhöht. Der Verwaltungsrat schlägt der Generalversammlung die Auszahlung einer unveränderten Dividende von 2 Mio. CHF vor, was einer Ausschüttung von 25 CHF entspricht.
Ausgezeichnetes Familienunternehmen
Die Anstrengungen – etwa auch im Bereich Nachhaltigkeit – bleiben nicht unbemerkt. Im September gewann Griesser im Kursaal Bern den Familiy Business Award. Damit werden besonders verantwortungsbewusst wirkende Familienunternehmen ausgezeichnet. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen kontinuierliche Fortschritte bei der CO2-Reduktion gemacht – bei den Immobilien, in der Produktion und 2021 mit dem Startschuss für eine klimaschonende Firmenwagen-Flotte.
«Eine Rezession im Bauwesen würde die Marke Griesser verspätet treffen»
«Unsere Nachhaltigkeitsstrategie setzen wir konsequent um. Gerade diese Woche werden weitere 15 Verbrenner-Fahrzeuge durch Elektrofahrzeuge ersetzt», ergänzt Urs Neuhauser. Darüber hinaus teilte Griesser erstmals seinen Nachhaltigkeitsbericht mit den Aktionären. Auch die Werkserweiterung in Nenzing sei klar auf einen nachhaltigen Produktionsprozess ausgerichtet.
In Möckern bei Magdeburg hat Weinor im Jahr 2021 mit dem Bau einer neuen Produktionsstätte samt Pulverbeschichtungsanlage begonnen. Die Bauarbeiten schritten im vergangenen Jahr planmässig voran. Im Frühjahr 2023 geht das Werk in Betrieb und hat an diesem Standort die Produktionskapazität mittelfristig beinahe verdoppelt. Diese Investition war einer der Hauptgründe, dass sich die flüssigen Mittel 2022 um 8,7 Mio. auf 25,5 Mio. CHF reduzierten.
Hohe Investitionen
Das Projekt wurde vollständig aus eigenen Mitteln der Gruppe finanziert. Zudem erhöhten sich auch die Lagerbestände, teilweise wegen höheren Bewertung und auch, weil wegen der Lieferengpässe grössere Lager gehalten werden. Aus diesen Gründen halbierte sich auch der operative Cashflow annähernd auf 11,7 Mio. CHF (Vorjahr 22,2 Mio.). Die Gruppe ist aber weiterhin solide finanziert, die Eigenkapitalquote erhöhte sich 2022 um 2,8 Prozentpunkte auf 71%.
Urs Neuhauser hält aber fest, dass die Investitionen im Jahr 2021 mit zwei parallel durchgeführten Investitionsprojekten mit den Areal-Entwicklungen in Aadorf und Möckern höher ausgefallen sind als im vergangenen Geschäftsjahr. Gleichzeitig fand die Planung der Werkserweiterung im deutschen Nenzing statt, welche nun in den Jahren 2023 und 2024 realisiert wird. «Darüber hinaus investieren wir fortlaufen in die Erneuerung unserer Produktionsanlagen», fügt der CEO an.
Kurstechnisch konnten die Titel, die auf OTC-X gehandelt werden, den grössten Teil des «Pandemiebonus» halten. Von rund 720 CHF im März 2020 – mit Ausbruch der Corona-Pandemie erlitten die Griesser-Papiere einen kurzzeitigen Rückschlag – kletterte der Kurs im August 2021 bis auf 1200 CHF. In den vergangenen Monaten haben sich die Papiere auf leicht unter 1100 CHF eingependelt. Mit der vorgeschlagenen Dividende von 25 CHF würden die Aktien aktuell eine Rendite von 2,3% aufweisen.
Fazit
Obwohl sich die Lage an den Energie- und Beschaffungsmärkten nur wenig entspannt hat – und sich jederzeit wieder verschärfen kann –, geht die Griesser Gruppe davon aus, auch im laufenden Jahr den Verkaufsumsatz anheben zu können. Mit den neuen Produktionsstätten in Aadorf und Möckern ist das Unternehmen dafür gut vorbereitet.
Ohne unerwartete externe Störfaktoren darf mit einem soliden Jahresergebnis gerechnet werden. Doch das Vorjahr hat gezeigt, dass die momentane Weltlage einiges an Unvorhergesehenem bereithalten kann. Ein überraschender Einbruch der Bautätigkeit dürfte Griesser im 2023 kaum Probleme bereiten. «Eine Rezession im Bauwesen würde die Marke Griesser verspätet treffen, da unsere Produkte und Dienstleistungen erst am Ende des Bauprozesses montiert bzw. erbracht werden. Zudem sind wir auch stark im Renovationsgeschäft tätig, welches nicht so stark von der wirtschaftlichen Entwicklung der Baubranche abhängig ist», sagt Urs Neuhauser. Die Griesser-Produkte helfen auch mit, Energiekosten einzusparen, und gerade in diesem Bereich sieht das Unternehmen Wachstumsmöglichkeiten.