
Eine neue Ära der Volatilität an den Finanzmärkten hat begonnen. Das stellt Investoren vor die schwierige Aufgabe, die Börsengewinner in der laufenden Phase der Unsicherheiten zu identifizieren. Unter den Finanztiteln an der SIX ragen Swissquote, CFT und Swiss Re mit ihrer weit überdurchschnittlichen Performance heraus.
Egal, ob über 1 Jahr oder 5 Jahre, die Aktien der drei spezialisierten Schweizer Finanzunternehmen zeigen eine markant stärkere Kursentwicklung als die marktbreiten Indizes. Bis 13. Juni stiegen Swiss Re auf 1-Jahressicht um 23,3%, CFT um 56% und Swissquote um 64,7%. Auf 5-Jahressicht legten Swiss Re um 86,3% zu, CFT um 111,7%, und Swissquote konnte sogar um 614% zulegen. Nur wenige Aktien können mit ähnlich überzeugenden Performancezahlen aufwarten.

Wachstum + Margenexpansion
Dafür muss es Gründe geben, die vielleicht nicht ganz offensichtlich sind. Die Geschäftsmodelle, Nischen- und Expansionsstrategien sind zwar unterschiedlich, aber jeweils fokussiert und hochgradig dynamisch mit Blick auf die Gewinnentwicklung. Das ist das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zu herkömmlichen Banken, Brokern und Versicherungen. Deshalb sind auch die Margen höher, und starkes Wachstum ist mit einer relativ überschaubaren Erhöhung der Anzahl der Mitarbeitenden zu realisieren. Swissquote hatte Ende 2020 genau 805 Mitarbeitende, der Gewinn belief sich auf 91 Mio. CHF. Ende 2024 liegt der Personalbestand bei 1217, der Gewinn hat sich jedoch auf 294 Mio. CHF verdreifacht. Die Dividende stieg in diesem Zeitraum von 1.50 CHF je Aktie auf 6 CHF.
Swissquote im Höhenflug
Am 16. Juni stürzte die Swissquote Aktie plötzlich um 8%, nachdem die UBS den Titel nach dem zuletzt steilen Anstieg nun auf «Verkauf» stellt. Allerdings ohne stichhaltige Begründung. Der Einstieg wird dadurch zumindest etwas günstiger. Bei Swissquote ist ein Blick auf den langfristigen Kursverlauf aufschlussreich, um zu verstehen, was der Kursverlauf sagt. Nach dem IPO im Jahr 2000 lag der Kurs um die 25 CHF. Im Tief ging es 2002 bis auf fast 1 CHF und im Hoch zweimal bis auf knapp über 70 CHF. Das war 2007 und 2018. Erst die beginnende Covid-Hausse 2020 liess den Kurs auf neue Rekordstände klettern, zuletzt auf fast 500 CHF.

Expansion und Diversifikation
In der Zeit bis 2017 war Swissquote ein kleiner, aber feiner Anbieter von Online-Finanzdienstleistungen für Schweizer Börsen-Trader. Dann wurden die Weichen neu gestellt und sowohl das Angebot als auch die Expansion strategisch erweitert. 2024 kamen bereits 42% der Erlöse ausserhalb des Heimatmarktes zustande. Swissquote ist in vielen europäischen Ländern präsent, aber auch in Singapur, Dubai und Kapstadt aktiv. 13% der Erlöse steuerten Krypto-Währungen bei, die 2024 einen Zuwachs von 353% verzeichneten. Durch die Kooperation mit zwei Kantonalbanken ist Swissquote auch ein Player am Schweizer Hypothekenmarkt geworden. Das Entscheidende ist die extreme Profitabilität. Die vor vier Jahren mit Postfinance gestartete Finanz App «Yuh» wurde schneller als geplant profitabel. 2024 stieg die Anzahl der Kundenkonten um 48%, der Wert der Kundenvermögen verdoppelte sich. «Yuh» ist jetzt die erfolgreichste Finanz App der Schweiz. Bei einem Jahresumsatz von 664.3 Mio. CHF blieb ein Nettogewinn von 294.2 Mio. CHF, was einer bestechenden Nettogewinnmarge von 44,3% entspricht. Im Vorjahr waren es noch 41%.
Profiteur der Volatilität
Die anhaltende Volatilität an den Finanzmärkten belebt das Geschäft, denn die Kunden sind hauptsächlich aktive Trader. Inzwischen hält Swissquote längst eine Vollbank-Lizenz und ist der entsprechenden Regulation und Kontrolle der Aufsichtsbehörden unterstellt. Swissquote ist bei den aktiven Marktteilnehmern wirklich beliebt, gilt als zuverlässig und kundenorientiert. Das Unternehmen repräsentiert genau die «Swissness», die auch jenseits der Landesgrenzen gesucht und geschätzt wird. Daher ist wenig zu erkennen, das die weitere dynamische Expansion bremsen könnte. Bis 2028 wird ein Vorsteuer-Gewinn von 500 Mio. CHF angestrebt. Selbst der schwache USD, Zinsunsicherheiten oder ein erneuter Absturz am Krypto-Markt dürften in der Konsequenz das Geschäft eher ankurbeln. Zeitweilige Kursschwächen bieten bei langfristigem Anlagehorizont gute Einstiegschancen.
CFT-Aktie hebt ab
Während Swissquote digitale Finanzdienstleistungen für Privatanleger anbietet, ist die Compagnie Financiére Tradition im Kerngeschäft Interdealer-Brokerage ganz auf institutionelle Marktteilnehmer fokussiert. Nicht generell, sondern hochspezifisch. CFT bringt Verkäufer und Käufer von oft exotischen Optionen und Derivaten, Kreditinstrumenten, Anleihen und Aktien, illiquiden Fremdwährungen, aber auch Metallen und sonstigen Rohstoffen zusammen. Eine ausführliche Darstellung der Geschäftsfelder sowie der Stellung im Wettbewerb findet sich im 2023 auf schweizeraktien.net veröffentlichten Artikel «Kontrazyklische Dividendenperle». Ende Mai 2023 lag der Kurs der Aktie bei 120 CHF. Im Mai 2025 erreichte die Aktie ein Hoch von 244 CHF. Im vergangenen September war die Aktie bei 152 CHF in die Liste der «Dividendenstrategie» im Austausch für Nestlé aufgenommen worden.

Zweistellige Zuwachsraten
Wie erwartet, profitiert CFT von der erhöhten Schwankungsbreite an den Finanzmärkten. Im vergangenen Jahr erhöhte sich der Gewinn um 22% auf 115.6 Mio. CHF. Von den 1.1 Mrd. CHF Jahresumsatz inklusive der Anteile an Joint Ventures entfielen 40% auf den Sektor Devisen und Zinsinstrumente, 30% auf Wertpapiere und Derivate sowie 30% auf Rohstoffe und Sonstiges wie Energie. Für 2024 wurde die Dividende um 0.75 CHF auf 6.75 CHF erhöht. Auch der Start ins laufende Jahr ist gut geglückt. Im ersten Quartal stieg der Umsatz inklusive Joint Ventures um 13,5% auf 322 Mio. CHF. Die Zuwächse erstrecken sich wie schon 2024 über alle Regionen und Anlageklassen. CFT wurde vor 65 Jahren gegründet und ist in mehr als 30 Ländern aktiv.
Bewertung und Perspektiven
Angesichts der volatilen Weltmärkte nimmt der Handel an allen Märkten zu. Der Bedarf an spezialisierten Intermediären, die auch bei exotischen Waren, Wertpapieren und Finanzinstrumenten den Handel aufgrund ihres Netzwerks zum Abschluss bringen können, steigt mit Frequenz und Ausmass der Marktverwerfungen. Die EBITDA-Marge erhöhte sich 2024 auf 15,6%, die Eigenkapitalrendite erreichte 26%. Da aus aktueller Sicht keine Rückkehr der Märkte zur «Normalität» zu erwarten ist und die geopolitischen Risiken weiterhin für eine hohe Schwankungsbreite von Kursen und Preisen sorgen werden, ist ein Abflauen der zweistelligen Wachstumsraten bei CFT nicht zu erwarten. Die Market Cap beträgt 1.7 Mrd. CHF, das KGV 2024 bewegt sich bei 13. Das historische Hoch von 166 CHF in 2007 wurde Ende 2024 erstmals überboten. Das Momentum der Aktie ist intakt.
Swiss Re auf Kletterkurs
Swiss Re ist nach der Hausse der letzten Jahre wieder auf einem Kursniveau, wie es zuletzt 2002 erreicht worden war. Nach Höchstkursen um die 200 CHF in 1998 und 2001 ging es bis zum Tiefpunkt in der Finanzkrise im März 2009 bis auf 13 CHF abwärts. Höchstkurse wurden im April und Mai 2025 bei knapp über 150 CHF verzeichnet. Während also Swissquote und CFT ihre historischen Rekordstände bereits überboten haben und aufgrund der hohen Wachstums- und Gewinndynamik ungebremst in neues Kursterrain vorstossen, muss Swiss Re erstmal die Hürde bei 200 CHF überwinden. Dafür müsste die Aktie vom aktuellen Kursniveau bei 135 CHF ausgehend rund 50% zulegen. Dann wäre der Weg nach oben frei von alten Widerständen.
Vergleich mit Münchner-Rück-Aktie
Das ist der Aktie des Branchenprimus Münchner Rück bereits gelungen. Die Höchstkurse bei fast 500 Euro in 1998 wurden im Dezember 2024 überboten. Der Höchstkurs beträgt 611 Euro, aktuell 555 Euro. Die langfristige Kursentwicklung der beiden Marktführer im Rückversicherungsgeschäft ist stark korreliert. Der einzige Unterschied ist, dass Münchner Rück das absolute Tief bereits 2003 erreicht hatte und auch 2009 nicht tiefer ging. Primär ist der Geschäftsverlauf vom Rückversicherungszyklus getrieben. In den letzten Jahren konnten die Player hohe Prämiensteigerungen durchsetzen. Der Trend flacht ein wenig ab, im ersten Quartal 2025 beliefen sich die Anhebungen bei Swiss Re noch auf 1,5%. Dem stehen aber auch hohe Schadensummen gegenüber. Die Brände in Los Angeles sorgten für das höchste Schadensvolumen in einem ersten Jahresquartal. Doch während die deutschen Konkurrenten deshalb jeweils einen Gewinnrückgang verzeichneten, meldete Swiss Re einen Gewinnanstieg um 16% auf 1.3 Mrd. USD. Zu dem guten Ergebnis trugen alle Geschäftseinheiten bei. Die Brände in Los Angeles belasteten Swiss Re mit annähernd 600 Mio. USD. Für das Gesamtjahr wird ein Gewinn von 4.4 Mrd. USD angepeilt. Swiss Re nahm Divestments vor und ist zuversichtlich, 100 Mio. USD an Kosten durch Effizienzsteigerungen einsparen zu können. Das für 2025 geschätzte KGV bewegt sich bei etwas über 10, die Dividendenrendite bei 4,8%. Bei Münchner Rück liegt das KGV bei 11, die Dividendenrendite bei 3,9%. Damit bleiben die Rückversicherungen attraktiv bewertet, zumal deren Perspektiven unverändert gut sind.