An der Schweizer Ausserbörse sorgt eine Serie von Kursausbrüchen für Verwunderung. Wer hätte gedacht, dass sich die Aktie von Thermalbad Zurzach seit Anfang Jahr mehr als verdoppelt? Und es handelt sich nicht um eine marktenge Aktie. Die Aktienumsätze haben sich gegenüber dem Vorjahr vervierfacht und liegen beim 10fachen von 2022. Es ist auch nicht der einzige Titel, der abgehoben hat. Darüberhinaus scheint es ein vielversprechendes Muster bei den Überfliegern zu geben.

Die überraschend starke Performance von Thermalbad Zurzach könnte einfach die Ausnahme von der Regel sein, derzufolge der ausserbörsliche Aktienmarkt der Schweiz stabil, wenig volatil und frei von den extremen Reaktionen und Kursschwankungen an den Wertpapierbörsen ist. Die Kletterpartie von Thermalbad Zurzach könnte aber auch der Anfang des Beendigungsprozesses der strukturellen Unterbewertung im ausserbörslichen Aktienmarkt sein.
Kursanstieg und Bewertung von Thermalbad Zurzach
Auch nach dem steilen Kursanstieg seit Anfang Jahr ist die Aktie mit 550 CHF und einem KGV von 7 noch moderat bewertet. Der Gewinn je Aktie lag 2024 bei 78.25 CHF. Durch Renovierungen, Neugestaltungen und die Schaffung neuer Erlebniswelten für Kinder, Familien und Fitness-Praktiker hat die Attraktivität des Generationenbads stark zugenommen, Besucherzahlen und Umsätze steigen. Die jahrelangen hohen Investitionen sind im Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von 0.4 nicht reflektiert. Die Dividendenzahlung war mit 12 CHF je Aktie nach mehreren Jahren ohne Ausschüttung wieder aufgenommen worden. Die Dividendenrendite beträgt nach dem Kursanstieg 2,2%.
Bei einem Umsatz von 17.8 Mio. CHF und einem EBITDA von 4.3 Mio. CHF liegt die aktuelle Kapitalisierung von Thermalbad Zurzach bei gerade 8.8 Mio. CHF. Es bleibt noch viel Spielraum nach oben, um eine im Branchenvergleich angemessene Bewertung zu erreichen. Für eine Premium-Bewertung sprechen die starke Stellung im regionalen Wettbewerb und die Burggräben durch die Reputation.
Governance-Defizite als Kursdeckel
Was den Kurs bisher immer zurückgehalten zu haben scheint, sind die Governance-Defizite. Dies führte bei Thermalbad Zurzach zu Bewertungsabschlägen, so jedenfalls lautet eine plausible Begründung. Das Auffällige ist nun, dass zwei weitere ausserbörslich auf OTC-X gehandelte Valoren eine ähnlich steile Kursentwicklung aufweisen, beide mit ebenfalls ausgeprägten Governance-Defiziten.
Weleda und Weiss+Appetito zählen wie Thermalbad Zurzach zu der kleinen Gruppe von Unternehmen, die sich in den seit 4 Jahren von schweizeraktien.net durchgeführten ESG-Umfragen als hervorragend in den Kategorien Soziales und Umwelt erweisen, aber eben von schwerwiegenden Governance-Defiziten wie vor allem Mehrfachstimmrechten der Hauptaktionäre belastet sind.

Turnaround von Weleda
Der Weleda PS kletterte seit Jahresbeginn um 38,2%. Im Vorjahr war Weleda bereits um 24% angestiegen. Damit bewegt sich der PS in Rekordterrain. Der aktuelle Kurs liegt 20% über den historischen Höchstständen von 2022. Die Entwicklung ist durch den geschäftlichen Turnaround mit einer kräftigen Umsatzerhöhung und steilem Gewinnanstieg untermauert. Auch auf dem Rekordniveau liegt das KGV bei moderaten 9. Der Gewinn je PS lag 2024 bei 666.81 CHF. Die Dividende wurde von 70 CHF auf 190 CHF angehoben. Die Dividendenrendite beträgt 3,2%. Während vergleichbare Markenunternehmen Bewertungen im Milliardenbereich verzeichnen, liegt die gesamte Kapitalisierung der PS von Weleda bei 113 Mio. CHF. Dazu kommen noch die vinkulierten Aktien, die jedoch vom Umfeld der Anthroposophischen Gesellschaft gehalten und selten gehandelt werden. Die gesamte Marktkapitalisierung liegt daher gerade einmal bei 169.6 Mio. CHF.

Steiler Kursanstieg von Weiss+Appetito
Und auch Weiss+Appetito hat 2025 mit einem Kursanstieg von 26,5% die prozentual einstelligen Erwartungen weit übertroffen. Das historische Hoch wurde 2018 bei 400 CHF verzeichnet. Dieses wurde nun 2025 erstmals wieder übertroffen. Seit April kletterte die Aktie unter wachsenden Aktienumsätzen steil nach oben. Die Aktienumsätze auf OTC-X liegen bereits bei einem Vielfachen der Vorjahre. Der Geschäftsgang ist positiv. Die Umsätze wachsen, und mehr noch die Rentabilität. Die EBITDA-Marge erreichte 7,9%, die EBIT-Marge 4,9%. Bei einem deutlich erhöhten Gewinn je Aktie von 81.47 CHF errechnet sich ein unverändert günstiges KGV von 4.9! Der Nettoumsatz lag 2024 bei 168.1 Mio. CHF. Die Kapitalisierung beträgt 21.5 Mio. CHF. Wie bei Thermalbad Zurzach und Weleda stehen der nachhaltigen Orientierung nicht mehr zeitgemässe Defizite in der Governance gegenüber. Bei Weiss+Appetito halten die sechs Partner die Stimmenmehrheit durch Aktien mit Mehrfachstimmrecht. Und sie kontrollieren sich selbst im Verwaltungsrat.
Investment Hypothese
Small Caps werden derzeit wiederentdeckt, denn in dem veränderten globalen Wirtschaftsklima bieten gerade binnenorientierte und unterbewertete Titel mit starker Marktstellung gute Chancen. Bei Turnarounds, die bereits vollzogen, aber noch nicht im Kursgeschehen reflektiert sind, locken sogar aussergewöhnliche Gewinne – und dies bei geringem Risiko. Im ausserbörslichen Markt in der Schweiz finden sich zahlreiche interessante Titel, die nun wiederentdeckt werden könnten. Die Stimmung auf OTC-X ist ausgesprochen gut, weil die Umsätze kontinuierlich steigen. 2025 wird wohl ein Rekordjahr. Das heisst, dass mehr Kapital in den Markt fliesst.
Warum allerdings die Aktien derjenigen Unternehmen mit bekannten Governance-Defiziten überproportionale Kursgewinne verzeichnen, kann unterschiedliche Gründe haben. Es können spezialisierte, vielleicht sogar aktivistische Investoren hinter dem Nachfrageschub stehen, es könnte aber auch auf die erwartete Anpassung an zeitgemässe Governance-Richtlinien hinweisen. Aber letztlich zählt vielleicht mehr als alles andere, dass die Unternehmen auf starkem Wachstumskurs sind, das Management die richtigen Entscheidungen trifft und die Profitabilität steigt.