Nach einer monatelangen Achterbahnfahrt der Vifor-Pharma-Aktie liegen nun die Karten auf dem Tisch: Zum Preis von umgerechnet 167 CHF übernimmt die australische CSL die Aktien. Die Angebotsfrist beginnt am 18. Januar 2022. Was tun? Könnte noch ein Bieter mit einem höheren Angebot in den Ring steigen?
Um es vorwegzunehmen: Ein höherer Preis erscheint eher unwahrscheinlich. Die Frage ist höchstens, ob es klüger ist, die Aktien jetzt zu Kursen knapp unter 160 CHF zu verkaufen oder ab 18. Januar zum Angebotspreis anzudienen. Die Diskrepanz von etwa 4% bis 5% ist Ausdruck dessen, dass der Deal auch noch platzen könnte. Für M&A-Arbitrageure können 5% in ebenso vielen Wochen jedoch durchaus eine lohnende kurzfristige Investition darstellen. Würde der Markt mit einem weiteren Bieter und einem höheren Preis rechnen, läge der aktuelle Kurs über dem Angebotspreis der Australier.
Das Übernahme-Angebot
Tatsächlich ist das Übernahmeangebot in USD fixiert, und zwar 179.25 USD je Aktie. Somit könnten auch Devisenmarktturbulenzen oder signifikante Wechselkursverschiebungen noch Einfluss auf den tatsächlichen Übernahmepreis in CHF haben. Dazu kommen noch kartellrechtliche Prüfungen in diversen Jurisdiktionen, die sich bis weit in das Jahr 2022 erstrecken können. Da jedoch keine Überlappungen bei den Produktportfolien bestehen, sind kartellrechtliche Bedenken kaum zu erwarten. Vielmehr handelt es sich um Formalien.
Unsicherheiten
Bei nüchterner Betrachtung ist das Angebot von CSL das Beste, was zwei Jahre nach Beginn der Pandemie passieren konnte. Denn Tatsache ist, dass der Geschäftsgang in der Nephrologie eher schleppend ist, weil die Covid-Bedingungen den Gesundheitssystemen eine schwere Bürde auferlegen, die sich zum Nachteil vieler Patientengruppen auswirkt. Darüber hinaus kam es in den letzten Monaten nicht nur zu Rückschlägen bei diversen Produktkandidaten, sondern es gab auch einen Managementwechsel an der Spitze sowie ein plötzliches Ausscheiden des CFO. Das könnten zwar alles auch Anlässe für Kurskorrekturen und Verbesserungen sein, zumal unter einem neuen CEO, doch vielleicht fehlte bei den Hauptaktionären auch einfach der noch längere Atem.
Wachgeküsst
Von den Hauptaktionären ist schon länger bekannt, dass sie zum richtigen Preis auch verkaufen würden. Vor etwas über einem Jahr widmete sich schweizeraktien.net erstmals der Vifor Pharma Aktie in dem Artikel „Wachgeküsst?“. Reuters hatte über Verhandlungen mit Private-Equity-Interessenten berichtet, die dann zwar abgebrochen wurden, aber immerhin stand fortan mit 10 Mrd. CHF eine Zahl im Raum. Noch vor einem Jahr war das dem 23%-Aktionär, dem Ehepaar Ebner, nicht genug. In der Folge stürzte der Aktienkurs mehrfach ab, nur um sich dann wieder mässig zu erholen. Die Höchststände von nahe 190 CHF von Mitte 2018 und Anfang 2020 blieben weit entfernt. Die Aktie bewegte sich im letzten Jahr zwischen 102 CHF und 138 CHF. Erst Anfang Dezember war der Kurs erneut auf 102 CHF kollabiert. Die Market Cap war auf 6.5 Mrd. CHF abgeschmolzen.
Ist der Preis von 11 Mrd. CHF zu hoch?
Der Angebotspreis bewertet Vifor Pharma mit umgerechnet etwa 11 Mrd. CHF. Für den Käufer CSL ist es eine Diversifikation und mag durchaus Sinn machen. Schweizer Kommentatoren halten den Preis für „zu hoch“. Für gewöhnlich stehen in der Nahrungskette Private-Equity-Adressen über industriellen Interessenten, weil die PE-Finanzmathematik zu anderen Ergebnissen kommt als die operative Analyse von Industrieunternehmen. Dazu kommt, PE-Fonds stehen wirklich unter Anlagedruck, weil die oft traumhaften Renditen der Vergangenheit immer mehr Kapital anziehen. Tatsache ist und bleibt aber, dass ein Unternehmen stets das wert ist, was ein Käufer zu zahlen bereit ist!
Beendigung des Engagements
Dass Vifor Pharma trotz der Preisoptimierungsstrategie der Ebners nun an einen Pharma-Player geht, der der Theorie und der Praxis nach weniger zu zahlen bereit ist als ein Finanzinvestor, ist auch aussagekräftig. Wie in den Medien vorgerechnet wurde, erzielen die Ebners auf die seit 2012 aufgebaute Aktienposition eine Rendite von 94%. Klingt gut, ist aber unter Finanzinvestoren eher bescheiden. Das kann auch der Grund dafür sein, das Engagement nun zu einem unter Pandemie-Bedingungen akzeptablen Preis zu beenden.
Worauf es ankommt
Was lässt sich aus der Episode lernen? Dass es bei Übernahmen immer auf den oder die Schlüsselaktionäre ankommt – was sie wollen, wie anpassungsbereit sie sind, welchen Preis sie unter diesen oder jenen Umständen zu akzeptieren bereit sind. Unter den gegebenen Bedingungen war Vifor Pharma sozusagen indirekt in das Schaufenster gestellt worden. Die Wahrscheinlichkeit schien hoch, dass sich Käufer finden werden, die Mehrwert durch M&A, eine Restrukturierung der Bilanz, operative Synergien oder eine Wachstumsoffensive schaffen können und deshalb auch einen guten Preis bezahlen. Wenn es nun am Ende weniger ist, als unter anderen Bedingungen vielleicht möglich gewesen wäre, so dürfte sich doch kaum ein Aktionär, der erst im letzten Jahr eingestiegen ist, über die Performance beschweren.
Diversifikation erhöht Anlage-Chancen
Für die Favoritenliste als Ganzes zahlt sich aus, dass die Diversifikation nicht nur nach Industrien und Geschäftsmodellen erfolgt, sondern auch nach Investment-Strategien. Die Entscheidung, Vifor Pharma zur Jahresmitte in die Favoritenliste aufzunehmen, war opportunistisch und durch die erwartete Übernahme motiviert. Solche Gelegenheiten kommen nicht häufig, und manchmal spricht auch nicht alles für die Aktie. Dies wiederum kann gerade Katalysator für Unternehmensentwicklungen sein, die eine Übernahme wie im Fall Vifor Pharma geradezu herausfordern.
Zum Jahresbeginn 2022 finden Sie auf schweizeraktien.net die neue Favoritenliste für das neue Jahr.