In den letzten Wochen zog der Kurs der Holdigaz-Aktien bei hohen Volumen markant an. Er liegt heute mehr als 30% über dem Stand von Anfang Juni. Die Frage, wer hinter diesen Käufen steckt, wurde mit einer heute früh veröffentlichten Pressemitteilung beantwortet. Konkret wird sich die an der SIX kotierte Romande Energie Holding (REH) mit 2.5% (oder 51.677 Aktien) an der Holdigaz SA beteiligen. Dazu übernimmt sie Aktien aus dem Eigenbestand der Gesellschaft. Im Gegenzug übernimmt die Holdigaz-Gruppe 2.5% (oder 28.737 Aktien) an dem Westschweizer Energieunternehmen. Auf diesem Weg hat sich Romande Energie auch vom Energiekonzern Alpiq gelöst. Bereits im Januar 2013 hatte REH eigene Aktien aus den Beständen der Alpiq gekauft. Romande Energie beliefert über 300’000 Endkunden in 293 Kommunen in der Westschweiz und erzielte 2012 einen Umsatz von 579 Mio. CHF. Mit der Kooperation formiert sich in der Westschweiz ein neuer, grosser Player im Energiemarkt. In der Pressemitteilung erklären die beiden Unternehmen zudem, dass sie künftig Synergien über das gesamte Energiespektrum entwickeln wollen. Beide Firmen seien in der gleichen Region tätig und hätten teilweise die gleichen Kunden. Wie die Zusammenarbeit konkret aussehen wird, soll in einer Vereinbarung festgehalten werden, die in den kommenden Wochen ausgearbeitet wird.
Mit der Bekanntgabe der Kooperation dürfte die Nachfrage nach Holdigaz-Aktien etwas abflauen. Allerdings entstehen durch die engere Zusammenarbeit zwischen REH und Holdigaz ganz neue Chancen auf dem sich stark verändernden Energiemarkt. Zudem verfügt Holdigaz mit REH über einen Partner, der bei der weiteren Exploration der Erdgasvorkommen im Genfersee Unterstützung bieten könnte. Wie die Zusammenarbeit aussehen wird und welche Chancen diese auch für den Aktionär der Holdigaz-Aktie bietet, dürfte erst in den kommenden Monaten klar werden. Bei Kursen um die 140 CHF ist die Aktie mit einem KGV von knapp 12 auf Basis der vorläufigen Zahlen für das Geschäftsjahr 2012/13 fair bewertet. Die Rendite liegt bei 2.3%. Kurzfristig sind daher keine grossen Kurssprünge mehr zu erwarten. Bringt die Zusammenarbeit mit Romande Energie allerdings die erhofften Synergien, so dürfte auf mittlere Sicht noch Spielraum für höhere Bewertungen bestehen.
Grüezi Herr Zern
Danke für Ihren Bericht zu Holdigaz. Das effektive P/E der Firma aber einiges tiefer liegen als die von Ihnen erwähnten 12x. Die Firma schreibt jedes Jahr deutlich mehr ab als sie müsste. Dank einem Deal mit den Steuerbehörden wird dies aber sogar zugelassen. Die Behörde weiss, „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“. Daneben werden immer wieder Rückstellungen für alles Mögliche gemacht. Mindestens die Rückstellungen für Marktöffnungsrisiken, etc. dürften wohl eher Eigenmittelcharakter haben. Die Steuerbelastung dürfte etwas klarer ausdrücken, wo der effektive Gewinn wirklich liegt. Meiner Meinung nach bei ca. Fr. 18-20 pro Aktie.
Freundliche Grüsse
Nebenwerte Liebhaber
Danke für Ihre wichtige Ergänzung, lieber Nebenwerte Liebhaber. Natürlich teile ich Ihre Einschätzung; da allerdings noch kein Abschluss vorliegt, halte ich mich konservativ an den „ausgewiesenen“ Gewinn und ein KGV von 12.
Der Nebenwerte Liebhaber beschreibt sehr schön ein „Phänomen“, das bei etlichen ausserbörslich gehandelten Energievaloren noch häufiger zu beobachten ist. Die veröffentlichten Bilanzen zeigen – wie im Fall Holdigaz – selten die ganze Wahrheit hinsichtlich der tatsächlichen Ertragskraft oder der Substanz mancher Unternehmung. Man denke hier etwa an das EWJR oder auch an die Wasserwerke Zug AG (vgl. Studie unter http://nebenwerte.schweizeraktien.net/2013/07/15/wasserwerke-zug-breit-diversifizierter-substanzwert/), zwei günstig bewertete Substanzperlen des Sektors.
Es obliegt dabei primär dem geneigten Aktionär, sich auf die Suche nach („versteckten“) Erträgen und Werten zu machen…
Relativ zu den an der SWX kotierten Energievaloren vom Schlage Alpiq, BKW oder Repower haben sich die ausserbörslich gehandelten Energie-„Nebenwerte“ wertmässig über die letzten Jahre sehr gut gehalten, was neben einer gerade im Streubesitz weniger internationalen und weniger institutionellen Aktionärsstruktur zu einem guten Teil auch an ihrem konservativeren Geschäftsmodell, den einigermassen planbaren Erträgen aufgrund ihres oftmals regionalen Charakters und dem Verzicht auf Auslandsabenteuer in den Boomjahren gelegen haben dürfte. Insofern erscheinen die Bilanzen der OTC-Energietitel sehr solide und auch weniger anfällig für „böse Überraschungen“ (Abschreibungen etc.), wie sie in den letzten Jahren verstärkt bei den grossen Energietiteln zu beobachten waren. Gleichwohl: angesichts des mittlerweile erreichten Kursrückgangs der SWX-Energieaktien scheint dort so etwas wie eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau festzustellen, die – bei aller gebotenen Vorsicht angesichts vieler politischer/regulatorischer Unwägbarkeiten – die (Kurs-)Basis für eine längerfristige Renaissance des „ausgebombten“ Schweizer Energie-Sektors legen könnte.
So sehr der kapitalmässige Schulterschluss zwischen Holdigaz und Romande einerseits zu begrüssen ist, so bleibt andererseits abzuwarten, ob es dem neuen Aktionär Holdigaz gelingen wird, so etwas wie eine „Aktienkultur“ oder ein in der Vergangenheit oftmals fehlendes Shareholder Value-Denken im Hause Romande Energie SA im ureigenen Interesse zu etablieren. Es wäre bedauerlich, wenn Holdigaz nur in die Tradition anderer, sehr passiver Romande Energie-Aktionäre einsteigt, für die der Aktienkursverlauf immer von nachgeordneter Bedeutung und ohne Relevanz gewesen ist.
Bei Romande Energie SA merkte man in den letzten Jahren seit der ATEL/EOS-Fusion zusehends die strukturelle und geographische Nähe zur Alpiq, deren politische, recht eigenwillige Struktur auf vielerlei Ebenen bisweilen zu „suboptimalen“ Ergebnissen führte und den starken Kursverfall der Aktie massgeblich begünstigt haben dürfte. Alpiq kann nur als grosse Enttäuschung betrachtet werden. Von aussen betrachtet wirken manche Probleme der Alpiq – und damit auch jene der Romande Energie – leider auch hausgemacht. Man kann nur hoffen, dass die Romande diese Geister der Vergangenheit zunehmend abstreift und ggf. auch Seite an Seite mit der Holdigaz so etwas wie einen Neuanfang versucht.
Der Streubesitzaktionär spielte in den letzten Jahren bei der Romande Energie SA keine echte Rolle, wie sich etwa auch an der im Verlauf der letzten Jahre – insbesondere nach den Sondererlösen (EOS-Gewinn) der Jahre 2009 und 2010 – nicht sehr aktionärsfreundlichen Dividendenpolitik festmachen lässt.
Es bleibt zu hoffen, dass die Holdigaz als Aktionärin der Romande Energie SA – trotz einer „nur“ 2,5%-Beteiligung – eine eigene Identität im Aktionariat entfaltet, die auch die Romande Energie SA voranbringen und so auch den Wert der von Holdigaz gehaltenen Romande-Anteile steigern kann.
Der Zeitpunkt für einen Einstieg durch Holdigaz erscheint auf dem jetzt erreichten Kursniveau der Romande Energie – da die Aktie ungeachtet ihrer Alpiq-Beteiligung bei anhaltend schlechtem Sentiment heute günstig bewertet ist – strategisch durchaus sinnvoll.
Nun gilt es für Holdigaz aber auch, diese sich bietende Opportunität im Interesse ihrer eigenen Aktionäre zu nutzen und die Geschäftsverbindung zum beiderseitigen Vorteil zu entwickeln. Dazu gehört auch, als nunmehr grösserer Aktionär der Romande Energie SA stärker in die Verantwortung zu gehen und dabei auch den „Shareholder Value-Gedanken“ noch tiefer in die Gedankenwelt der Romande-Verantwortlichen einfliessen zu lassen…
Gelingt dies, können beide Aktien – Holdigaz und Romande Energie – hiervon nur profitieren.
Thorsten Grimm, Grisonia Consult GmbH, 28.07.2013