Holdigaz SA: „Entscheid für die mögliche Ausbeutung der Gasvorkommen am Genfer See fällt im Herbst 2015“

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Philippe Petitpierre, CEO der Holdigaz SA. Bild: zvg

Der Westschweizer Gasversorger Holdigaz setzte im Geschäftsjahr 2013/14 die stetig positive Entwicklung des Geschäftsgangs trotz der witterungsbedingt tieferen Nachfrage nach Gas zu Heizzwecken im Winter fort. Über den erfreulichen Geschäftsabschluss berichteten wir vor zwei Monaten hier. Gespannt warten die Aktionäre auf Nachrichten über die Hebung eines möglichen Schatzes in der Form von Gasvorkommen unter dem Genfer See. Wie der CEO und VR-Präsident Philippe Petitpierre im Interview mit schweizeraktien.net mitteilte, soll bis Herbst 2015 ein definitiver Entscheid gefällt werden.

Herr Petitpierre, können Sie uns mehr zur aktuellen Situation der Probebohrungen nach Gasvorkommen am Genfer See berichten?

Wir haben soeben die Konzessionserneuerung für den Betrieb in Noville erhalten. Im Moment befinden wir uns in Diskussionen mit dem Kanton Waadt für eine erweiterte Bohrerlaubnis. Wir möchten in verschiedenen Tiefen zusätzliche Bohrungen durchführen, um genauere Informationen über das Potenzial an Gas und die Wirtschaftlichkeit der Ausbeutung der Reserven zu bekommen. Diese Genehmigung erwarten wir bis Jahresende 2014. Im ersten Semester 2015 möchten wir die Tests durchführen und anschliessend werden die Verwaltungsräte der Petrosvibri, Gaznat und Holdigaz detailliert über die Ergebnisse unterrichtet. Im Verlauf des Herbsts 2015 wird der definitive Entscheid, ob die Gasvorkommen ausgebeutet werden oder nicht, erwartet

Können Sie die möglichen Kosten im Falle der Entscheidung, die Gasvorkommen auszubeuten, abschätzen?

Im derzeitigen Stadium ist es unmöglich, eine Zahl zu nennen. In jedem Fall wird die Ausbeutung der Vorkommen mehrere Hundert Millionen Franken kosten. Sobald die technischen Pläne für eine Ausbeutung vorliegen, wird die finanzielle Planung erstellt. Diese schliesst die Finanzierung der Investitionen und die Suche nach eventuellen Partnern mit ein. Bis zum heutigen Tag betragen die Ausgaben für die Bohrungen 36.4 Mio. CHF. Von den zuständigen Verwaltungsräten wurden zusätzliche 12 Mio. CHF zugesichert.

In der Vergangenheit erwähnten Sie gegenüber den Aktionären, dass ein Ausstieg von Holdigaz aus dem Gasprojekt denkbar sei. Halten Sie hieran fest?

Nein, wir planen keinen Ausstieg aus dem Gasprojekt. Holdigaz ist der Leader des Projekts seit der Lancierung im Jahr 1992.

Holdigaz verfügt über eine Beteiligung in Höhe von 2.5% am Energieversorger Romande Energie und umgekehrt. Sind weitere solche Beteiligungen geplant?

Diese gegenseitige Beteiligung stellt einen Sonderfall dar und wir planen keine weiteren Beteiligungen in dieser Richtung. Unsere Politik ist klar: Wir übernehmen Firmen nur zu 100%. Kleinere Beteiligungen machen wir nicht. Unsere bestehenden übrigen Beteiligungen sind historischer Natur und werden so beibehalten. Hierzu gehört die 50%ige Beteiligung an Gazobois, die übrigen 50% hält die Romande Energie. Diese Beteiligung entstammt der Übernahme der Cosvegaz zu 100% im Jahr 2007. Analog sieht die Situation bei den anderen Beteiligungen im Gasbereich aus, wie etwa bei der direkten Beteiligung an Gaznat oder der indirekten Beteiligung an Swissgas.

Steht die Beteiligung an der Romande Energie im Zusammenhang mit der möglichen Förderung von Gas und wäre die Gesellschaft als Partnerin denkbar?

Wir haben keinerlei Partnerschaft mit der Romande Energie im Bereich der Gasbohrungen am Genfer See. Die Annäherung der beiden Gesellschaften steht in keinem Zusammenhang mit dem Gasvorkommen. Unsere Beteiligung an der Romande Energie besteht lediglich aus dem Grund der Zusammenarbeit mit einem waadtländischen Stromversorger in den Bereichen der Versorgung, in denen wir die gleichen Werte vertreten. Hierzu gehört ein Geothermieprojekt in Lavey, welches wir gemeinsam erarbeiten.

In der Nähe Ihres Versorgungsgebiets finden derzeit Umwälzungen im Gasgeschäft statt. Der Versorger VO Energies hat das Gasversorgungsnetz der Gemeinden L’Abergement, Les Clées und Lignerolles erworben und möchte diese Netze mit der Urbagaz (Tochtergesellschaft der VO Energies) zusammenführen. Ist Holdigaz in dieser Region tätig und sind Sie in den Verhandlungen als Partner mit dabei?

Wir haben keine Geschäftsbeziehungen in dieser Region. Unsere Geschäftspolitik besteht nicht darin, uns mit anderen Vertretern der Gasversorgungsbranche, deren Legitimierung wir nicht in Frage stellen, zu konkurrenzieren.

Glauben Sie, dass der Energiebedarf der Industrie zukünftig zumindest teilweise durch erneuerbare Energien gedeckt werden kann?

Auf mittelfristige Sicht muss der Energiebedarf aus einem Mix verschiedener Energien gedeckt werden, wovon ein steigender Anteil aus erneuerbaren Energien stammen wird. Die Produktion und der Verbrauch von erneuerbaren Energien laufen derzeit nicht parallel. Das heisst, dass es nötig ist auf die konventionellen Energieträger wie das Erdgas zurückzugreifen, um die Produktion und die Nachfrage nach Energie unter einen Hut bringen zu können. Neuartige Anwendungen wie etwa „Power to gas“ sind Beispiele der Möglichkeiten, welche die Gasindustrie den Kinderkrankheiten der erneuerbaren Energien entgegensetzt. (Anm. der Redaktion: Mit Power-to-Gas wird die Umwandlung regenerativ erzeugter elektrischer Energie in chemische Energie und deren Speicherung im verfügbaren Gasnetz in Form verschiedener Gase bezeichnet. Details können auf Wikipedia nachgelesen werden).

Holdigaz liefert den Kunden bereits seit Jahren Biogas durch die Einspeisung in das Gasnetz. So wird ein Teil des Gasverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt, ohne dass die Kunden hierfür einen Aufpreis zahlen müssen. Weitere Projekte zur Gasproduktion aus Holz sind in der Erprobungsphase bei Holdigaz, um den Anteil an erneuerbaren Energien zu steigern. Andere Betriebe kaufen stattdessen Zertifikate im Ausland und verkaufen anschliessend Gas in der Schweiz, als stamme dies aus echten erneuerbaren Energiequellen! Die Gruppe Holdigaz erfüllt die politischen Forderungen nach einer vollständigen Nachvollziehbarkeit des aus erneuerbaren Energieträgern hergestellten Gases vollumfänglich.

Streben Sie einen weiteren Ausbau des Gasverteilungsnetzes an?

Das Transport- und Verteilnetz mit 168 Gemeinden, die an unser Netz angeschlossen sind, wird kontinuierlich an die neuen Anforderungen von den industriellen und privaten Kunden angepasst und ausgebaut. Die Cosvegaz setzt ihre Expansion in die Belieferung neuer Gemeinden in den Kantonen Waadt und Freiburg, die bereits an Gasnetz angeschlossen sind, aber nicht von unserer Gruppe beliefert werden, fort. Wir sind ständig aktiv auf der Suche nach weiteren Ausbaumöglichkeiten. Bald werden wir entsprechende Erfolge vorlegen können.

Welche Rolle wird das Biogas zukünftig für Holdigaz spielen?

Wir setzen unsere Bemühungen zur Entwicklung von Biogas fort. Hierzu gehört eine Gasproduktion aus Grünabfällen in Lavigny und aus den Abfällen aus Kläranlagen in Roche und Penthaz. In Lavigny werden wir bald eine neue Anlage in Betrieb nehmen, welche die in unsere Netze eingespeiste Menge an Biogas signifikant erhöhen wird und es gleichzeitig erlaubt, aus drei Gasturbinen elektrische Energie zu produzieren. Aktuell stammt 1% unser Gasverkäufe aus Biogas.

Können Sie bereits erste Aussagen zu den Gasverkäufen des laufenden Geschäftsjahres 2014/15 machen?

Zum aktuellen Zeitpunkt kann ich keine Aussagen machen. Die Gasverkäufe im Sommer sind nicht temperatur- und witterungsabhängig. Entscheidend ist der Verlauf des Winters, über den zum derzeitigen Zeitpunkt noch keinerlei Aussagen möglich sind.

Setzt sich die positive Entwicklung im Bereich der Gebäudetechnik auch im laufenden Jahr fort oder sind allenfalls erste Bremsspuren auszumachen?

Die Auftragsbücher bei den Gebäudetechnikfirmen sind weiterhin gut gefüllt. Die Preise sind wegen des starken Konkurrenzkampfes zwischen den verschiedenen Anbietern unter Druck. Wir verfügen über ein sehr exaktes Marktkontrollmanagement, mit dem wir auf mögliche Veränderungen sehr schnell reagieren können. Aktuell zeichnet sich keine Abschwächung der Nachfrage ab. Allerdings bleiben die Margen sehr eng, dies vor allem wegen der Generalunternehmungen, die eine wichtige Rolle auf dem Markt spielen und einen zusätzlichen Teil der Marge für sich beanspruchen.

In welche Richtung werden die Gaspreise in den kommenden Jahren tendieren?

Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen haben einen grossen Einfluss auf die Gaspreise. Dennoch sind derzeit die Preise für die Langfristlieferverträge, die an diejenigen des Öls gekoppelt sind, eher rückläufig wegen der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa. Hingegen werden die kurzfristigen Spotpreise durch die Situation in der Ukraine eher nach oben getrieben. Für die Endkonsumenten ist es nicht möglich, eine Frist von mehr als sechs Monaten vorherzusehen.

Holdigaz erfreute die Aktionäre in den letzten Jahren mit einer stetigen Verbesserung der Geschäftsergebnisse. An der positiven Ergebnisentwicklung partizipieren die Anteilseigner mit einer für das abgelaufene Geschäftsjahr 2013/14 erhöhten Dividende von 3.50 CHF pro Aktie. Als grundsolide kann auch die Bilanz des Westschweizer Versorgers angesehen werden. Auch die Ausgaben für die Forschung nach Gasreserven unter dem Genfer See, an denen Holdigaz gemäss der Beteiligung am ausführenden Unternehmen Petrosvibri zu 34% partizipiert, wurden problemlos aus für diesen Zweck gebildeten Rückstellungen und dem laufenden Cashflow finanziert. Selbst im Falle des Scheiterns des Projekts sind daher keinerlei negative Auswirkungen auf die Geschäftsergebnisse zu erwarten. Hingegen werden im positiven Fall hohe Kosten auf das Unternehmen zukommen, die derzeit noch nicht abschätzbar sind. Angesichts der sehr soliden Geschäftsführung darf davon ausgegangen werden, dass die Rentabilität dieses Projekts zumindest auf mittelfristige Sicht sichergestellt ist, sofern es überhaupt fortgeführt wird. Kurzfristig dürften die Kosten allerdings einen negativen Einfluss auf die Rechnung aufweisen.

Die Aktien der Gesellschaft werden auf der ausserbörslichen Handelsplattform OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) gehandelt. Auf der Basis des letztbezahlten Kurses von 156 CHF erscheinen die Papiere auf den ersten Blick anhand des KGV von 11 als eher teuer. Hierin nicht berücksichtigt, ist die Bildung von Reserven und die zulasten des Ergebnisses durchgeführten Abschreibungen, die das betrieblich notwendige Mass nicht unerheblich überschreiten dürften. Unter Berücksichtigung dieser nur schätzbaren Zahlen sind die Titel auch auf dem aktuellen Kursniveau keinesfalls überbewertet. Nicht erwarten können die Aktionäre allerdings einen raschen Geldsegen aus der Beteiligung am Bohrprojekt. Die in der Vergangenheit kursierende Aussage, ein Verkauf der Beteiligung wäre im Erfolgsfall denkbar, ist nicht mehr aktuell. Hingegen wird auf langfristige Sicht gemäss der bisherigen Unternehmensphilosophie eine allmählich positive Geschäftsentwicklung zu erwarten sein. Deutliche Kurssprünge im Fall eines positiven Entscheids zur Weiterführung des Projekts erscheinen daher wenig wahrscheinlich. Sollten diese dennoch erfolgen, wäre möglicherweise ein Verkauf der Papiere angezeigt. Wir werden die Entwicklung weiterhin aufmerksam verfolgen und hier informieren.

Transparenzhinweis: Der Autor ist Aktionär der Gesellschaft.

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