Nicht kotierte Inhaberaktien: Aktionäre müssen sich bis Jahresende bei ihrer Gesellschaft melden – Physische Titel besonders betroffen

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Für nicht börsenkotierte Gesellschaften mit Inhaberaktien stehen derzeit gravierende Änderungen an. Sie müssen künftig nachweisen können, wer ihre Aktionäre sind. Und nicht nur die Unternehmen, auch die Aktionäre sind aufgrund der seit 1. Juli 2015 geltenden Regelungen gefordert. Sie müssen sich als Aktionär bei ihrer Gesellschaft registrieren lassen. Dies betrifft insbesondere Aktionäre mit physischen Titeln, die ihre Aktien zu Hause oder in einem Safe aufbewahren. Grund für diese neuen Regelungen und den administrativen Aufwand sind die Vorschriften zur Geldwäscherei, die auf internationalen Druck, namentlich auf Druck der OECD und ihr nahestehender Organisationen, verschärft wurden (siehe Blog-Beitrag vom 11.6.15.) Insbesondere nicht börsenkotierte Inhaberaktien, aber auch andere private Unternehmensbeteiligungen wie nicht-börsenkotierte Inhaber-Partizipationsscheine, GmbH-Anteile und selbst Genossenschaftsanteile, stehen nach Lesart der bei der OECD in Paris angesiedelten Gruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (Groupe d’action financière, GAFI) im Generalverdacht, aufgrund ihrer weitreichenden Anonymität neben Steuerdelikten auch Geldwäscherei und – im schlimmsten Falle – sogar Terrorismusfinanzierung zu begünstigen – so abwegig dies im Falle nicht kotierter Aktien, für die ein regelmässiger ausserbörslicher Handel organisiert wird, angesichts der tatsächlichen Verhältnisse in diesen Titeln auch sein mag. Am 12. Dezember 2014 wurde das Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière (GAFI) erlassen. Der zugehörige Erlass wurde per 1. Juli 2015 gestaffelt in Kraft gesetzt.

Übergangsfrist für betroffene Inhaberaktionäre endet am 31. Dezember 2015

Per 1. Juli 2015 traten u.a. die Änderungen beim Obligationenrecht sowie beim Bucheffektengesetz in Kraft. Die Übergangsbestimmungen (UeB) sehen in ihrem Artikel 2 vor, dass „Gesellschaften, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung vom 12. Dezember 2014 im Handelsregister eingetragen sind, jedoch den neuen Vorschriften nicht entsprechen, (…) innerhalb von zwei Jahren ihre Statuten und Reglemente den neuen Bestimmungen anpassen (müssen)“. Damit besteht hier grundsätzlich für die betroffenen Unternehmen Handlungsbedarf.

Ein noch kurzfristigerer Handlungsbedarf besteht weiterhin für die Eigentümer von Inhaberaktien, so sie nicht Gefahr laufen möchten, etwaige Vermögensrechte aus ihren Wertschriften zu gefährden. Aktionäre, die beim Inkrafttreten des neuen Rechts – also am 1. Juli 2015 – Inhaberaktien hielten, müssen innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des neuen Rechts die Meldepflichten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Inhaberaktien gemäss Art. 697i OR (neu) und mit Bezug auf die wirtschaftlich Berechtigten gemäss Art. 697j OR (neu) erfüllen, soweit es sich nicht um Bucheffekten handelt. Die Frist zur Verwirkung der Vermögensrechte läuft in diesem Fall gemäss Artikel 3 UeB zum GAFI-Gesetz sechs Monate nach Inkrafttreten des neuen Rechts ab, also bereits am 31. Dezember 2015 und damit schon in wenigen Wochen.

Kürzere Meldefrist für Käufe von nicht  kotierten Inhaberaktien nach dem 1. Juli 2015

Wer nach dem 1. Juli 2015 Inhaberaktien einer nicht börsenkotierten Gesellschaft erworben hat, muss nach Art. 697i OR (neu) „den Erwerb, seinen Vor- und seinen Nachnamen oder seine Firma sowie seine Adresse innert Monatsfrist“ der Gesellschaft melden. Hier greift die sechsmonatige Schutzklausel des Artikel 3 UeB nicht mehr. Auch hat der Inhaberaktionär gemäss Art. 697i Abs. 2 OR den Besitz der Inhaberaktie nachzuweisen und er muss sich gegenüber der Gesellschaft identifizieren, als natürliche Person etwa durch einen amtlichen Ausweis wie Pass, Identitätskarte oder Führerausweis mit Fotografie im Original oder in Kopie. Jede Namensänderung oder ein Wechsel des Wohnsitzes ist an die Gesellschaft zu melden. Grenzwerte sieht das Gesetz – anders als das Börsengesetz in den Meldeschwellen (Art. 20 BEHG) – dabei nicht vor: Insofern reicht bereits die berühmte „eine Aktie“ einer nicht börsenkotierten Aktiengesellschaft, um umfassend meldepflichtig im Sinne des Gesetzes zu werden

Umwandlung in Namenaktien ist eine Variante – die Beibehaltung von Inhaberaktien auch

Unsere Hypothese im Juni 2015 war, dass sich die Inhaberaktien nicht börsenkotierter Gesellschaften in der Schweiz aufgrund dieser geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen und zunehmendem regulatorischen Gegenwind in den Folgejahren tendenziell zu einem Auslaufmodell entwickeln werden und der bürokratische Aufwand für die betroffenen Unternehmen genauso wie für die betroffenen Inhaberaktionäre massiv zunimmt. Für eine eindeutige Aussage ist es heute, fünf Monate später, noch zu früh.

Über das Ziel hinausgeschossen?

Was den zusätzlichen administrativen Aufwand angeht, dürften wir mit unserer Einschätzung richtig gelegen haben. Ein Treuhänder bezeichnete die GAFI-Regelungen im Zusammenhang mit den nicht börsenkotierten Inhaberaktien gegenüber schweizeraktien.net als „bürokratisches Monster“ und „weit über das Ziel hinausgeschossen„. Der Verdacht, dass hier – um im Bild zu bleiben – mit den breit streuenden, aber leistungsstarken „OECD-Kanonen“ wenig präzise auf kleine „OTC-Spatzen“ geschossen wird und eigentlich die falschen Ziele getroffen werden, ist dabei nicht von der Hand zu weisen. Doch alles Lamentieren hilft nichts: Aktionäre wie Unternehmen haben sich an die neue Situation anzupassen. Ob sich Inhaberaktien tatsächlich zu dem prognostizierten „Auslaufmodell“ entwickeln, lässt sich heute, Anfang November 2015, noch nicht mit Sicherheit feststellen.

Nach einer Analyse der Beratungsgesellschaft Grisonia Consult GmbH auf Basis der OTC-X-Daten zeigte sich im Juni 2015, dass das Aktienkapital von immerhin 75 der auf OTC-X gelisteten Firmen aus Inhaberaktien bzw. Inhaber- und Namenaktien besteht (Abbildung 1).

Abbildung 1: OTC-X – Aktiengattungen in Subindices, www.otc-x.ch; © Grisonia Consult GmbH, Meggen, 2015
Abbildung 1: OTC-X – Aktiengattungen in Subindices, www.otc-x.ch; © Grisonia Consult GmbH, Meggen, 2015

Nach einer aktuellen Erhebung von schweizeraktien.net (Abbildung 2) – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – gibt es zwar im Sog der neuen GAFI-Vorschriften Tendenzen zur Umwandlung von Inhaberaktien in Namenaktien, doch genauso gibt es zahlreiche OTC-X-gelistete Unternehmen, die trotz GAFI vorläufig an ihren Inhaberaktien festhalten und ein Aktionärsverzeichnis nach Art. 697l OR (neu) führen wollen. Neben den persönlichen Daten wie Name/Vorname oder Firma und Adresse ist – bei natürlichen Personen – auch das Geburtsdatum und sogar die Staatsangehörigkeit der Inhaberaktionäre festzuhalten, so dass der Aufwand im Einzelfall gegenüber Namenaktien sogar erhöht erscheint. Alle Daten ergeben sich dabei aus den bei der Identifikationsprüfung zum Aktienerwerb einzufordernden Dokumenten. Das Verzeichnis über die Inhaberaktionäre muss nach Art. 686 Abs. 1 OR (neu) so geführt werden, dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann. Art. 686 Abs. 2 i.V.m. Art. 697l Abs. 3 OR (neu) sieht eine Aufbewahrungspflicht von 10 Jahren für Belege vor, die einer Eintragung zugrunde liegen – und das auch nach Streichung des Eigentümers aus dem Verzeichnis!

Aktuell haben sich trotz des nahenden Endes der Frist im Sinne der Übergangsbestimmungen erst vergleichsweise wenige betroffene Unternehmen, zuletzt allerdings mit steigender Tendenz, gegenüber ihren eigenen Aktionären klar positioniert und aufgezeigt, wohin die Reise im Bereich der Struktur des Aktienkapitals künftig gehen soll. Es sieht dabei beim Blick auf die „Ereignisdaten“ (Abbildung 2) so aus, als ob sich diverse Unternehmen erst in den letzten Wochen mit dem Thema detailliert auseinandergesetzt hätten.

Abbildung 2: Auswirkungen von "GAFI" auf einzelne OTC-X-Gesellschaften.
Abbildung 2: Auswirkungen von „GAFI“ auf einzelne OTC-X-Gesellschaften.

Zehn Unternehmen hatten zwischen Juni und Oktober 2015 mehr oder weniger transparent kommuniziert, dass die Inhaberaktien beibehalten werden sollen und man künftig ein „Aktionärsverzeichnis“ führen wird (Abbildung 2). Entsprechende Veröffentlichungen erfolgten hier im Schweizerischen Handelsamtsblatt, an der Generalversammlung oder auf anderen Wegen, wobei hier jene Inhaberaktionäre, die nicht z.B. an der GV vertreten waren, im Informationsrückstand sind.Bei weiteren sieben Unternehmen, so etwa bei der Gurtenbahn Bern AG, den Bergbahnen Disentis AG, den Toggenburg Bergbahnen AG, den Bergbahnen Adelboden AG oder – aus dem Industriebereich – der Lagerhäuser der Centralschweiz AG, findet bzw. fand im Sog von „GAFI“ eine Umwandlung der bestehenden Inhaberaktien in Namenaktien statt, was aus unserer Perspektive angesichts der schwindenden Unterschiede zwischen den Gattungen grundsätzlich auch sinnvoll erscheint – nicht zuletzt auch mit Blick auf eine mögliche direktere Kommunikation mit dem Aktionariat. In Einzelfällen kann dabei jedoch auch nicht ausgeschlossen werden, dass die anstehende Umwandlung von Inhaberaktien in Namenaktien von Unternehmensseite auch dazu benutzt wird, die Eintragungspraxis künftig restriktiver zu gestalten und die Handelbarkeit der Aktie im Interesse der Hauptaktionäre zu erschweren. Dies wäre dann ein aus Aktionärssicht nachteiliger „Kollateralschaden“ der GAFI-Regelungen.

Betroffene Unternehmen informieren vielfach nicht oder unzureichend – indirekt betroffene Banken auch

Verschiedene Unternehmen haben sich nach unserem Kenntnisstand bis heute nicht gegenüber ihren Aktionären zu dieser Thematik geäussert und auch keine Wege aufgezeigt, wie bestehende oder neue Inhaberaktionäre ihren Meldepflichten innerhalb der Fristen gegenüber der Gesellschaft nachkommen können, soweit sie davon betroffen sind. Daneben gibt es zahlreiche weitere kleinere Aktiengesellschaften mit Inhaber-Streubesitzaktionären, die sich bisher nicht „proaktiv“ über entsprechende Veröffentlichungen, z.B. auf einer Unternehmenshomepage, an ihre Aktionäre gewandt haben. Aus unserer Sicht ist diese Konstellation angesichts der potenziell weitreichenden Folgen fehlender Meldungen unbefriedigend.

Wir halten es jedoch auch für denkbar, dass noch immer viele Unternehmen mit ausserbörslich gehandelten Inhaberaktien nicht im Detail über GAFI und die Folgen informiert sind und heute auch noch nicht wissen, wie mit diesen neuen Anforderungen konkret in der Praxis umzugehen ist. Doch nicht nur die Unternehmen selbst zeigen bisweilen Defizite in der Information ihrer eigenen Aktionäre. Auch Banken, bei welchen allenfalls betroffene Titel deponiert sind, geben hinsichtlich Information ihrer Kunden nicht immer ein glückliches Bild ab. Während einzelne Banken ihre Kunden mit Inhaberaktien im Depot über GAFI und die Folgen informiert haben, herrscht bei anderen Banken nach unserem Kenntnisstand oft ein grosses Schweigen im Hinblick auf GAFI und ausserbörsliche Aktien. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Wenn dann noch die Titel eines „schweigsamen“ Unternehmens bei einer „stillen“ Depotbank verwahrt sind, kann es für den betroffenen Inhaberaktionär doppelt schwer sein, seine Aktionärsrechte auch künftig wahrnehmen zu können.

Aus Aktionärssicht wäre es wünschenswert, wenn alle über ihre Depotkunden betroffenen Banken ihre Kunden entsprechend zeitnah über etwaigen Handlungsbedarf in dieser GAFI-Angelegenheit informieren würden.

Noch immer sind nicht börsenkotierte Inhaberaktien in der Schweiz weit verbreitet, und die zurückliegenden Monate zeigen, dass es noch zu früh ist, das Totenglöcklein für die Inhaberaktie zu läuten. Noch lebt die Inhaberaktie, und sie ist erstaunlich vital, wenngleich absehbar ist, dass sich der Charakter der Inhaberaktie ändert und die Inhaberaktie alter Prägung zunehmend in die Nähe der Namenaktie gerückt ist. Die Grenzen werden immer fliessender und verschwimmen zusehends ineinander bzw. werden fast bis zur Unkenntlichkeit verwischt.

Wie unsere Auswertungen ergeben haben, stellen einige betroffene Unternehmen zum heutigen Zeitpunkt noch nicht auf Namenaktien um, während andere Unternehmen wiederum die Gunst der (GAFI-)Stunde nutzen, um gerade diese Umwandlung herbeizuführen. Ein eindeutiger Trend ist heute also noch nicht feststellbar.

Gleichwohl halten wir im Kern, auch wenn die aktuelle Auswertung dies noch nicht zeigt, an unserer vorgängig geäusserten Einschätzung fest, dass die Inhaberaktie mittel- bis längerfristig ein Auslaufmodell sein wird und sich ein Trend zur Namenaktie verfestigen wird. Namenaktien können für Unternehmen situativ übrigens auch praktische Vorteile bedeuten. So lässt sich etwa die Aktionärskommunikation intensivieren, und das eigene Aktionariat kann neu entdeckt werden, was nicht nur mit Blick auf etwaige Kapitalstrukturmassnahmen vorteilhaft sein kann.

Aktionäre sind meist die besten Unternehmens- und Markenbotschafter – und dieses Potenzial gilt es, im Sinne der Unternehmung freizulegen und gewinnbringend zu nutzen. Hinzu kommt, dass Namenaktien im Sinne einer gelebten Aktionärsdemokratie vorteilhaft sind. Namenaktien fördern eine sehr viel direktere Kommunikation zwischen Unternehmen und Aktionären. Im Idealfall mündet eine direktere Kommunikation mit den Aktionären auch in einer höheren Wertschöpfung für alle Stakeholder, soweit dies von den Hauptaktionären überhaupt gewünscht und zugelassen wird.

Wir empfehlen den Aktionären nicht kotierter Schweizer Aktiengesellschaften, sich hinsichtlich des GAFI-Status „ihrer“ Gesellschaften sehr zeitnah und unbedingt noch vor dem 31. Dezember 2015 mit den Unternehmen direkt in Verbindung zu setzen und auch die jeweiligen Depotbanken auf diese Thematik anzusprechen. Denn sonst könnten sie Gefahr laufen, ihre Vermögensrechte zu verlieren. Dies würden sie spätestens in der Dividendensaison 2016 zu spüren bekommen.

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